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Kapitel 6

Nach der Beerdigung besuchte Liam erneut den Set von Valentine Valley. Erst am Tag zuvor hatte er zusammen mit George Olsen den Tatort unter die Lupe genommen, und nun wollte er die ganze Sache noch einmal mit Bill Hutchens durchgehen. Bill und er hatten früher oft zusammen ermittelt, waren aber nie Partner gewesen. Liam wollte sichergehen, dass es Bill nichts ausmachte, in diesem speziellen Fall Hand in Hand mit ihm arbeiten zu müssen, deshalb sprach er ihn darauf an.

»Solange du kein Problem damit hast, habe ich auch keins«, erklärte Bill.

»Warum sollte ich ein Problem damit haben?«

»Na, wegen Serena.«

»Das ist lange vorbei.«

Bill zuckte die Schultern. »Dann ist ja alles klar. Weißt du, ich bin mal mit Serena essen gegangen, aber mehr auch nicht. Um ehrlich zu sein, hatte ich immer das Gefühl, dass du ihr noch im Kopf rumspukst. Da hatte ich keine Schnitte. O Mann, Schauspielerinnen sind verdammt kompliziert, oder? Irgendwie leben die in einer Welt für sich.«

»So scheint es zumindest«, murmelte Liam.

Sie sahen sich nun ein paar von Bills Unterlagen an, gewannen dabei aber keinerlei neue Erkenntnisse. Liam hatte allerdings mehr und mehr den Eindruck, dass – falls es tatsächlich Mord war – ein Mitarbeiter der Crew dahinter steckte. Jemand, der sich sehr gut mit der Beleuchtungstechnik auskannte ...

Am Nachmittag traf sich Liam mit Emilio Garcia und Dayton Riley in der Restaurantkulisse. Die beiden Lichttechniker waren sofort bereit gewesen, sich mit Liam zu unterhalten. Der Vorfall belastete sie sehr, und Emilio schien völlig am Boden zerstört zu sein.

»Ich kann Ihnen sagen, wir haben das alles in Gedanken wieder und wieder durchgekaut«, erklärte er Liam zerknirscht. »Auch mit der Polizei sind wir alles hundert Mal durchgegangen.«

Liam mochte den Mann, und sein Instinkt sagte ihm, dass die Techniker nichts mit dem Unfall – oder dem Mord – zu tun hatten. »Ich weiß, dass Sie und Dayton Profis sind«, sagte er deshalb beschwichtigend. »Ihnen wäre aufgefallen, wenn irgendwas nicht stimmt.«

»Glauben Sie mir, Emilio und ich sind niemals nachlässig!«, rief Dayton Riley aus. »Wir haben die Befestigung der Scheinwerfer am Abend vorher und noch mal am Morgen des Unglücks überprüft!«

»Hey, ich glaube Ihnen ja! Außerdem hat mir Joe Penny versichert, dass Ihnen niemals zuvor auch nur eine Glühbirne durchgebrannt ist.«

Die beiden Männer nickten besänftigt.

»Ich verstehe von solcher Technik nicht besonders viel«, sagte Liam. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir die Ausstattung hier ein wenig zu erklären? Wahrscheinlich sind Sie es langsam Leid, aber vielleicht kommen wir der Sache gemeinsam auf die Spur.«

»Schauen Sie mal nach oben«, forderte Emilio ihn seufzend auf und wies auf die verbliebenen Scheinwerfer über ihnen. »Da erkennen Sie den großen Träger, an dem alle Deckenscheinwerfer festgemacht werden. An beiden Enden des Trägers treten die Kabel aus, sehen Sie? Der Scheinwerfer, der dort am Träger angeschraubt war« – er deutete auf die leere Stelle – »wiegt mehrere Zentner. Er war auf die Kulisse im vorderen Bereich des Restaurants ausgerichtet.«

»Und wie konnte sich der Scheinwerfer lösen? Welche Möglichkeiten gibt es?«, wollte Liam wissen.

»Eigentlich nur eine«, erwiderte Dayton mit ernster Miene. »Jemand muss kurz vor dem Unglück unbemerkt die Schrauben gelockert haben. Und wir waren das bestimmt nicht.«

Während ihrer Unterhaltung beobachtete Liam die Techniker sehr genau. Sein Eindruck, dass die beiden unschuldig waren, verhärtete sich mehr und mehr.

»Das könnte uns unsere Jobs kosten«, sagte Dayton leise. »Entweder das, oder irgendeine Versicherung nimmt uns bis auf den letzten Penny aus.«

»Einer der Polizisten, dieser Bill Hutchens, glaubt fest daran, dass es ein Unfall war«, fügte Emilio kopfschüttelnd hinzu.

»Und das glauben Sie nicht?«, hakte Liam nach.

»Nein.«

»Wann genau haben Sie die Schrauben zuletzt gecheckt?«

Dayton schaute Emilio fragend an. »Wir waren so um viertel nach sieben mit dem Check der Befestigung fertig. Gegen viertel vor neun sind die Lichtdoubles aufgetaucht, und wir haben die Deckenbeleuchtung positioniert.«

»Haben Sie die Befestigung da noch mal kontrolliert?«

»Nein, wir haben die Scheinwerfer nur auf die Doubles ausgerichtet.«

»Und Ihnen ist nicht aufgefallen, dass einer locker war?«

Die Techniker senkten die Köpfe. »Nein«, murmelte Dayton.

Jemand hätte also eineinhalb Stunden Zeit gehabt, sich an den Schrauben zu schaffen zu machen, dachte Liam.

»Sie müssen rausfinden, wie das passieren konnte«, sagte Emilio eindringlich. »Bitte! Ich weiß, dass das eigentlich Aufgabe der Polizei ist, aber ...« Er machte eine hilflose Handbewegung. »... auf diesen Hutchens können wir wohl nicht bauen.«

»Ich verspreche Ihnen, mein Bestes zu tun«, versicherte Liam. Dann fiel sein Blick wieder auf die Kreidezeichnung am Boden. Darunter erkannte er eine halb verwischte Markierung, eine Positionsangabe. Unschwer konnte man den Namen der Person entziffern, die dort eigentlich hätte stehen sollen.

Serena McCormack.

»Der da! Der sieht doch spitze aus!«, rief Doug.

Es war Sonntagnachmittag, und sie saßen bei strahlendem Sonnenschein vor einem Café am Sunset Boulevard. Ihnen war nicht ganz wohl dabei, sich hier zu treffen, um ein wenig Spaß zu haben, aber nach der Beerdigung mussten sie einfach auf andere Gedanken kommen. Doug und Serena waren gleich nach der Zeremonie hergefahren. Allona hatte sich ihnen angeschlossen, doch Jennifer musste nach einem Anruf des Babysitters nach Hause. Ihr kleiner Sohn hatte offenbar eine Mittelohrentzündung.

Doug betrachtete diesen Cafébesuch beharrlich als gemeinsame Männerjagd, und er gab zu jedem leidlich gut aussehenden Mann, der vorüberschlenderte, einen Kommentar ab. Zum Glück wies er nicht mit dem Finger auf die Objekte seiner Begierde. Doch seinem geübten Auge entging auch in dem geschäftigen Treiben auf dem Boulevard kein einziger hübscher Hintern.

Serena musterte über die Gläser ihrer Sonnenbrille hinweg den Mann, den Doug gerade ins Visier nahm. Er war groß, trug ein edles Designer-Shirt und hatte einen hippen Haarschnitt.

»Nicht übel«, gab Serena zu. Der Mann hatte eine dunkle Sonnenbrille auf, wie es hier jeder Zweite tat, und Serena bedauerte es, seine Augen nicht sehen zu können. Irgendetwas an ihm kam ihr bekannt vor, aber sie konnte nicht genau sagen, was. Der Mann hatte ein ansprechendes Gesicht, seine Haut war leicht gebräunt, und er trug topmodische Kleidung. In Hollywood wimmelte es jedoch von Männern, auf die diese Beschreibung zutraf.

»Der wäre was für mich!«, bemerkte Allona und schürzte die Lippen.

»Keine Chance!«, entgegnete Doug. »Der Junge spielt in meiner Liga.«

»Woher zum Teufel weißt du das so genau?«, fragte Allona, ohne den Blick von dem Mann abzuwenden.

»Dafür hab ich den sechsten Sinn.«

»Vielleicht liegst du ja ausnahmsweise mal falsch! Der Typ ist wirklich eine Sahneschnitte.«

»Womöglich ist er verheiratet«, mischte sich Serena ein.

Doug sah sie mitleidig an. »Mädels, glaubt einem erfahrenen Mann! Die Sahneschnitte ist auf keinen Fall verheiratet!«

»Na gut«, gab Serena nach. »Ich meine ja nur, dass er in einer festen Beziehung stecken könnte – von mir aus auch mit einem Mann.«

»Kann sein«, murmelte Doug. »Aber ich möchte viel lieber glauben, dass er noch zu haben ist.«

Serena ließ den Blick über die vielen Menschen schweifen, die an ihrem Tisch vorüberspazierten. An diesem wunderschönen Wintertag schien ganz Hollywood auf den Beinen zu sein. Im House of Blues, das nur wenige Blocks entfernt lag, sollte an diesem Abend eine bekannte Gospelgruppe auftreten, und bereits jetzt hatte sich vor dem Gebäude eine lange Schlange gebildet. Trotz des blauen Himmels und der entspannten Atmosphäre spürte Serena jedoch eine innere Unruhe. Seit Janes Tod hatte sie ständig das Gefühl, beobachtet zu werden.

Doug und Allona sprachen noch immer über den Mann in dem Designer-Shirt, die Sahneschnitte, die inzwischen ihr Café betreten hatte.

»Süß. Sehr süß«, kommentierte Allona zum wiederholten Male. »Für den würde ich gern mal eine Liebesszene schreiben. Das heißt, eigentlich würde ich am Liebsten eine Liebesszene mit ihm spielen!«

Während Doug und Allona kicherten, rührte Serena gedankenverloren in ihrem Kaffee. Eigentlich war das überflüssig, denn sie trank Kaffee immer schwarz. »Warum steht nicht einer von euch beiden auf, geht zu ihm rüber und fragt ihn nach seiner Telefonnummer?«, schlug sie vor.

»So läuft das nicht«, entgegnete Doug.

»Warum nicht? Ihr beide seid doch nicht schüchtern«, neckte Serena.

»Deutet sie etwa an, dass wir zum lauten, aufdringlichen Typ gehören?«, wandte sich Allona an Doug.

»Das würde sie nicht wagen!«

»Ich wollte nur sagen, dass ihr ihn ansprechen solltet, wenn er euch so gut gefällt«, erklärte Serena grinsend.

Doug erwiderte ihr Grinsen. »Und was machen wir, wenn er zu unserem Tisch rüberkommt und – trotz deiner Sonnenbrille und diesem Gouvernantentuch, unter dem du dein göttliches Haar versteckst – feststellt, dass du Verona Valentine aus dem Fernsehen bist?«

»Und was, wenn die Sahneschnitte – die sich übrigens gerade einen Cappuccino bestellt – ein Klatschreporter ist?«, gab Serena keck zurück. Vielleicht hatte sie deswegen den Eindruck, dem Mann schon mal begegnet zu sein.

»Dann wird sie natürlich versuchen, Informationen über deine neueste Liebschaft aus dir rauszuquetschen. Na und? Das tun sie doch alle. Vielleicht ist der Typ aber auch ein Fan von dir, und sobald er dich erkennt, fängt er an zu kreischen, und es gibt einen riesigen Auflauf«, konterte Doug.

Serena warf ihm über die Gläser ihrer Sonnenbrille hinweg einen kühlen Blick zu. »Unsinn! Einen Auflauf gibt es nur, wenn sich Clark Gable aus dem Grab erhebt und die Straße herunterspaziert. Ich habe eben den Sänger von dieser neuen Teenie-Band, nach der alle Pubertierenden zurzeit verrückt sind, vorbeilaufen sehen. Das hat keine Seele interessiert. Ich denke, dass eine Serienschauspielerin in einer Stadt, in der du Oscarpreisträger im Supermarkt triffst, ziemlich sicher ist.«

»Das denk ich nicht«, widersprach Allona. »One-Hit-Wonders und Teenie-Bands gibt es jede Menge. Sie bekommen für kurze Zeit ein kleines bisschen Aufmerksamkeit, aber dann werden sie auch schnell wieder vergessen. Ein Serienstar wie du hingegen lebt jahrelang in den Herzen der Zuschauer.«

»Zumindest solange die Quoten stimmen«, fügte Doug hinzu.

»Wenn der Typ tatsächlich Reporter ist, wird er euch ebenso auspressen wollen wie mich«, erklärte Serena.

»Das bezweifle ich. Du bist der Star! Wir legen dir nur die unglaublich tief schürfenden Worte in den Mund, die du jeden Tag sagen darfst«, witzelte Allona.

»Euer Süßer bezahlt übrigens gerade seine Rechnung und scheint den Cappuccino mitnehmen zu wollen«, erwähnte Serena.

»Tu doch was, Doug!«, rief Allona. »Sonst macht er sich aus dem Staub! Wir müssen wenigstens noch herausfinden, ob das ein potenzielles Date für dich oder für mich gewesen wäre!«

Doug erhob sich.

»Warte mal!«, hielt Serena ihn zurück. »Kommt der euch eigentlich auch so bekannt vor? Ich könnte schwören, dass ich den Typen schon mal gesehen habe.«

Doug setzte sich wieder, und alle drei starrten den Mann, der ihnen im Moment jedoch den Rücken zuwandte, nachdenklich an. Schließlich sagte Allona: »Ich glaube nicht, dass ich ihn kenne. War ja auch zu schön.«

Der Mann nahm seinen Cappuccino von dem Verkäufer in Empfang und drehte sich dann zu ihnen um. Da bemerkte er, dass die drei ihn fixierten. »Doug!«, rief er überrascht und kam lächelnd zu ihnen herüber.

»Kyle!«, stieß Doug perplex hervor und strahlte kurz darauf übers ganze Gesicht.

Der Mann streckte Doug seine Hand entgegen, und Doug warf Allona und Serena einen triumphierenden Blick zu. »Mädels, das hier ist Kyle Amesbury, von Harnes & Clark – wisst ihr nicht mehr?«

»Natürlich!«, murmelte Serena. Kyle Amesbury – warum hatte sie ihn nicht gleich erkannt? Ihre letzte Begegnung lag zwar schon etwas länger zurück, und er hatte sein Äußeres seitdem ein wenig aufgemotzt, aber sie hätte gleich drauf kommen müssen, wer er war. Kyle arbeitete für den Hauptsponsor von Valentine Valley, das Unternehmen Haines & Clark, das vornehmlich Seifenprodukte herstellte. Vom Badeschaum über Teppichreiniger bis zur Möbelpolitur hatte es alles im Sortiment. In den Anfangstagen der Seifenopern war es üblich gewesen, eine Serie von einem Seifenproduzenten sponsern zu lassen, und Valentine Valley war stolz darauf gewesen, an diese alte Tradition anzuknüpfen.

Als sich Serena schlagartig daran erinnerte, dass Kyle sie von Anfang an nicht besonders gut hatte leiden können, verfinsterte sich ihre Miene. Irgendetwas an ihr war ihm gegen den Strich gegangen, aber sie wusste bis jetzt nicht, was es gewesen war. Vielleicht lag es daran, dass sie ihm damals auf seiner Party relativ unmissverständlich gezeigt hatte, wie unwohl sie sich in seiner Gegenwart fühlte. Die Antipathie beruhte nämlich auf Gegenseitigkeit. Kyle war mächtig stolz auf sein riesiges, protziges Haus gewesen und hatte ihr eine Führung durch all seine Schlafzimmer angeboten. Serena hatte jedoch darauf bestanden, dass Andy sie begleitete, und Kyle war furchtbar beleidigt gewesen.

Kyle hatte sich wirklich sehr verändert. Sein Haar war nun kürzer, modischer geschnitten, und seine edlen Designerklamotten standen im krassen Gegensatz zu den Jeans, die er früher gern getragen hatte. Er redete zudem sehr gebildet daher und schien seit jener Party, auf der die Valentine-Valley-Crew die Angestellten von Haines & Clark kennen gelernt hatte, noch viel hochnäsiger geworden zu sein.

»Kyle Amesbury!«, rief Allona nun begeistert.

»Setz dich doch zu uns«, forderte Doug Kyle auf.

»Gern! Gibt es hier noch irgendwo einen Stuhl?«

An ihrem Tisch standen nur drei Stühle, und während Kyle und Doug nach einem weiteren Ausschau hielten, beugte sich Allona zu Serena hinüber und flüsterte: »Kyle Amesbury! Wow! Hast du auch gehört, dass er seit der Party befördert worden sein soll? Er hat jetzt offenbar die Entscheidungsgewalt über das Budget von Harnes & Clark!«

Nein, das war noch nicht zu Serena durchgedrungen. Sie wusste lediglich, welch große Sorgen sich Joe Penny und Andy Larkin ständig um die Einschaltquoten machten, denn sobald diese in den Keller gingen, liefen sie Gefahr, ihre Sponsoren zu verlieren.

Kyle fand einen Stuhl und zog ihn zu ihrem Tisch heran. Sobald er sich gesetzt hatte, blickte er Serena besorgt an. »Gott sei Dank geht es dir gut!«

»Warum auch nicht?« Instinktiv wollte sie Kyle gegenüber keine Schwäche zeigen.

»Serena, es war überall in den Zeitungen zu lesen – es hätte auch dich treffen können!«

Serena lächelte gequält. »Richtig. Ich bin natürlich froh, dass mir nichts passiert ist. Gleichzeitig tut es mir unendlich Leid für Jane ...«

»Es tut uns allen sehr Leid«, sagte Kyle mit übertrieben betroffenem Augenaufschlag. »Es gibt Gerüchte darüber, dass ...« Seine Stimme wurde leiser, und Doug, Allona und Serena starrten ihn wie gebannt an. Es war nicht gut, wenn Sponsoren zu viele Gerüchte aufschnappten. »... dass die Serie verhext ist.«

»In letzter Zeit sind auf unserem Set einige merkwürdige Dinge geschehen, das stimmt, aber –«, begann Allona, doch sie wurde von Kyle unterbrochen.

»Serena, nicht auszudenken, wenn es dich erwischt hätte!«, sagte er eindringlich. Serena sträubten sich angesichts seines mitleidigen Tonfalls die Nackenhaare.

»Was dann?«, hakte Doug nach. »Hätte Haines & Clark Valentine Valley dann fallen lassen?«

Kyle beugte sich vor. »Ich will ehrlich zu euch sein: Es ist nicht so, als ob wir in unserem Hause nicht schon darüber gesprochen hätten. Während der vergangenen Tage gab es eine Menge schlechter Presse, und eins unserer wichtigsten neuen Produkte ist ein Babyshampoo ...«

»Na und?«, gab Doug zurück.

»Junge Mütter neigen zu Überreaktionen. Das ganze Gerede über eine verhexte Serie ...«

»Was soll das heißen?«, fragte Allona alarmiert.

»Gar nichts! Es ist noch nichts entschieden.«

»Kyle«, sagte Doug, »so wie ich das sehe, gibt es außer dir niemanden, der eine solche Entscheidung treffen könnte. Du bist Haines & Clark!«

»Und du bist Valentine Valley!«, erwiderte Kyle süffisant. »Du bist der Storyliner überhaupt!«

»Hey!«, protestierte Allona.

»Entschuldige bitte, aber Doug ist der Chef der Drehbuchschreiber, oder etwa nicht?«

»Und das bereitet mir jeden Tag aufs Neue eine Menge Arbeit!«, wandte Doug bescheiden ein. »So ein Job ist eine Riesenverantwortung! Ich diskutiere ständig mit den Produzenten, streite mit den Schauspielern und erkläre meinen äußerst talentierten Co-Autoren, dass wir mit unseren Storys am Puls der Zeit bleiben müssen.«

»... und dabei keinesfalls allzu glaubwürdig oder geschmackvoll rüberkommen dürfen«, fügte Allona spitz hinzu.

Doug warf ihr einen warnenden Blick zu. »Letztes Mal, als bei Valentine Valley so etwas Schreckliches passiert ist«, sagte Doug und spielte damit auf die Hitchcock-Morde im vergangenen Jahr an, »erklärte unsere damalige Pressesprecherin, Sherry Marlborough, dass die ganzen negativen Schlagzeilen uns im Grunde zugute kämen.«

»Aber Sherry ist nicht mehr da«, stellte Kyle fest und schien ihnen mit seinem Tonfall klarmachen zu wollen, dass er nun derjenige war, der das Sagen hatte, ob negative Schlagzeilen ihnen zugute kamen oder nicht. »Außerdem konnten die Valentine-Valley-Leute beim letzten Mal wirklich nichts dafür. Jetzt sieht es allerdings so aus, als ob es unter den Angestellten einen Mörder gäbe.«

»Willst du uns etwa verklickern, dass du die Serie doch in den Wind schießt?«, fragte Serena und dachte an die Probeaufnahmen, die sie für den Katastrophenfilm gemacht hatte. Sie hoffte mehr denn je, dass sie die Rolle bekommen würde, doch gleichzeitig war sie auch bereit, für ihre Soap zu kämpfen. »Könntest du vielleicht mal Tacheles reden?«

Kyle schenkte ihr ein Lächeln, doch seine Augen blieben ernst. Diese Serena ist wirklich niedlich, und sie hat einen rasiermesserscharfen Verstand, dachte er.

Serena schaute ihn kühl an. Kyle mochte glauben, Menschen durch sein gutes Aussehen und seine aufgesetzten Manieren um den kleinen Finger wickeln zu können, doch bei ihr kam er damit nicht durch. Sie konnte nicht genau sagen, warum sein Charme bei ihr nicht wirkte, aber Kyle Amesbury war für sie alles andere als eine Sahneschnitte.

»Nein, ich habe nicht vor, die Serie fallen zu lassen. Jedenfalls im Augenblick noch nicht«, antwortete Kyle nun bedächtig.

»Meine Güte!«, rief Doug. »Sieht aus, als müssten wir uns mächtig ins Zeug legen, damit sich auf dem Set nicht noch mehr Tragödien ereignen!«

»Das wäre angebracht«, sagte Kyle herablassend. Dann wechselte er abrupt das Thema. »Ich gebe heute Abend eine kleine Party. Komm doch auch vorbei, Doug!«

Allona warf Serena einen Blick zu, der zu besagen schien: Mist! Offenbar spielt Kyle tatsächlich in Dougs Liga! Ein weiteres Mal war es Doug, der einen Mann abschleppte, an dem auch anwesende Damen interessiert gewesen wären.

Kyle wandte sich Allona und Serena zu und sagte gönnerhaft: »Ihr beide seid natürlich auch herzlich willkommen.«

»Danke sehr!«, antwortete Serena geziert. Es war mehr als offensichtlich, dass Kyle sie aus reiner Höflichkeit einlud. Es ging ihm nur um Doug. »Das ist sehr freundlich. Ich bin von der Beerdigung allerdings ziemlich erledigt. Außerdem bekomme ich heute Abend Besuch.«

»Ich fürchte, ich bin auch zu müde«, erklärte Allona.

»Aha«, sagte Kyle. »Und wie steht es mit dir, Doug?«

»Ich komme«, erwiderte Doug und warf Allona einen raschen – durch und durch anzüglichen – Blick zu.

Kyle Amesbury erhob sich. »Valentine Valley ist eine tolle Serie, und wir sind froh, sie sponsern zu dürfen. Passt auf euch auf, ja?«

Er schaute Serena durchdringend an, und ihre innere Unruhe verstärkte sich. Warum lösten seine Worte dieses merkwürdige Empfinden in ihr aus? Es lag nicht nur an Kyle, sondern auch daran, dass sie sich schon zuvor wie ein Pantoffeltierchen unterm Mikroskop gefühlt hatte. Das war natürlich albern und bestimmt auf die Vorfälle der letzten Tage zurückzuführen – und darauf, dass die Leute sie ständig darum baten, vorsichtig zu sein. Nein, es war mehr als das. Serena hatte den Eindruck, als sei ihr jemand ganz dicht auf den Fersen. Fast konnte sie seinen Atem im Nacken spüren ...

Am Sonntagabend wünschte sich Liam bereits, er hätte den Auftrag abgelehnt. Er war Serena zwei Tage lang auf Schritt und Tritt gefolgt, und meist fühlte er sich wie ein Voyeur, der eine schöne Frau dabei beobachtete, wie sie morgens ihr Haus verließ, im Café mit ihren Freunden schwatzte und lachte und später im Bikini im Garten saß.

An diesem Abend war Liam sogar auf einen Baum in Serenas Garten geklettert. Serenas Schwester und ihr Schwager waren zum Dinner vorbeigekommen, und zu dritt saßen sie nun auf der Terrasse. Liam hatte den Baum erklimmen müssen, um die kleine Abendgesellschaft besser im Auge zu behalten. Leider waren die drei aber zu weit entfernt, als dass er ihre Unterhaltung hätte hören können. Liam fiel lediglich auf, dass Jeff und Melinda jedes Mal, wenn Serena vom Tisch aufstand und ins Haus ging, um etwas zu holen, sogleich die Köpfe zusammensteckten und aufgeregt tuschelten. Vor allem Melinda wirkte äußerst angespannt. Obwohl sie die Ältere war, erschien sie Liam manchmal wie eine blasse Kopie ihrer Schwester. Serena war größer als Melinda, ihr Haar leuchtete eine Spur feuriger, und jede ihrer Bewegungen war anmutiger und lebendiger. Beide Frauen waren schlank und äußerst attraktiv. Serenas Figur wies jedoch noch einige Kurven mehr auf, wie Liam in diesem Moment, da Serena in einem knappen Badeanzug zum Tisch zurückkehrte, zum wiederholten Mal auffiel.

Am Nachmittag hatte Liam mit Conar gesprochen, und dieser erwähnte, wie bedrückt die Belegschaft war, seit Serena ihr nach der Trauerfeier von dem Zettel und der Untertasse erzählt hatte.

Blödmann!, hatte Liam ärgerlich gedacht. Musst du immer gleich alles ausplaudern?

Was er an diesem Abend auf Serenas Terrasse beobachtete, stimmte ihn außerordentlich nachdenklich. Melinda war die ganze Zeit über völlig verkrampft und warf ihrer Schwester immer wieder verzweifelte Blicke zu, als ob sie ihr dringend etwas sagen wollte, sich aber nicht dazu durchringen konnte. Wenig später, als Serena wieder im Haus verschwand, wurde Liams Vermutung bestätigt. Melinda rief aufgeregt: »Wir müssen es ihr sagen!« Liam konnte ihre schrille Stimme deutlich hören.

Jeff beugte daraufhin den Kopf zu seiner Frau und redete leise auf sie ein. Als Serena schließlich wieder am Tisch erschien, lächelten beide sie scheinbar unbefangen an.

Was mussten sie Serena sagen?

Jeff verhielt sich mehr als verdächtig. Die Polizei handelte ihn sogar als einen der Hauptverdächtigen. Eigentlich war aber jeder verdächtig, der sich zwischen viertel nach sieben und viertel vor neun auf dem Set aufgehalten hatte. Das galt allerdings für beinahe die gesamte Crew, inklusive Joe Penny, Andy Larkin und einer ganzen Meute von Sekretärinnen, Assistenten, Requisiteuren, Maskenbildnerinnen und Technikern.

Später in dieser Nacht saß Liam in seinem Wagen vor Serenas Haus und rief über Handy Bill Hutchens an.

»Liam, Herrgottnochmal, weißt du eigentlich, wie spät es ist?«, fragte Bill ungehalten.

»Tut mir Leid«, murmelte Liam. Er hatte tatsächlich nicht auf die Uhr gesehen.

»Langsam gehst du mir echt auf den Senkel. Wo bist du?«

»Im Auto.«

»Hast du dich schon mit Serena getroffen?«

»Nein, ich hab Penny versprochen, damit bis morgen zu warten. Bill, ich muss wissen, wer an dem Morgen, an dem Jane gestorben ist, auf dem Set war. Hast du eine Liste?«

»Natürlich!«

»Könnte ich mal einen Blick darauf werfen?«

»Ich werd sie dir nach Hause faxen – obwohl es mitten in der Nacht ist!« Bill seufzte. Ihm war klar, dass er sich im Ton vergriff. »Falls du irgendwas herausfindest, gib mir bitte Bescheid.«

»Egal zu welcher Uhrzeit?«

Bill stöhnte. »Sorry, Mann. Ich bin irgendwie frustriert. Ehrlich gesagt: Ich glaube mehr und mehr, dass das Ganze wirklich nur ein Unfall war. Irgendjemand hat schlampig gearbeitet.«

»Dayton und Emilio schwören, dass sie alles doppelt und dreifach überprüft haben.«

Bill grunzte. »Natürlich behaupten sie das! Würde ich auch, wenn mein Job auf dem Spiel stünde.«

»Sicher. Fax mir die Liste trotzdem rüber, okay?«

»Mach ich. Liam, hör mal, ich bin dir wirklich dankbar für deine Hilfe. Aber könntest du bitte darauf achten, dass ich am Ende nicht wie ein totaler Idiot dastehe? Ich will keiner fixen Idee hinterherlaufen. Und diese Mordtheorie erscheint mir ziemlich weit hergeholt.«

»Hat das Forensik-Team inzwischen seinen Bericht geschickt?«

»Nein, aber morgen früh müsste er da sein. Sobald ich ihn habe, geb ich dir Bescheid.«

»Okay, danke.« Liam legte auf. Dann starrte er mit finsterem Blick auf Serenas Haus und sank tiefer in den Sitz. Eine Nacht im Auto konnte lang werden.

Verhängnisvolle Begierde

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