Читать книгу mensch MIT Gebärmutter - ein Puzzleteil zum Menschenbild - Hedwig v. Knorre - Страница 27
Titel
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Mein erstes Kind war ein Junge. Mein zweites Kind war ein Mädchen. Die Strasse runter lebte eine Familie mit der gleichen Kombination, im gleichen Alter. Wir trafen uns oft, ließen die Kinder miteinander spielen und tauschten aus. Austausch unter Kolleginnen, sozusagen.
Als die Mädchen noch kein Jahr alt waren, teilten wir eine große Überraschung miteinander. Beim Einkaufen mit dem Kind vorne im Einkaufswagen kannten wir ganz selbstverständlich, dass das Kind an einer bestimmten Stelle zappelte, „ä-äh!“, und wir stehen bleiben mussten, um seinem Interesse Raum zu geben. Da waren die Autos. Die mussten betrachtet und begutachtet werden. Die roten Autos und die Feuerwehrautos und die Polizeiwagen. Die ganz großen Laster! Die Dampflok! Das Interesse für Panzer lenkten wir um auf die Bagger, die Dampfwalzen und die Mähdrescher. Das ging. Und landete eins dieser Fahrzeuge zu einer besonderen Gelegenheit im Einkaufwagen, war das natürlich DER Höhepunkt der Woche!
Nun brachten wir seit Neuestem die Großen in den Kindergarten und gingen mit den Kleinen zum Einkaufen. Wie gewohnt, verlangsamten wir unseren Schritt vor den Autos. Doch kein Zappeln. Kein „ä-äh“, keinerlei Interessensbekundung. Vorbei gehen? Einfach so? Ist das möglich? Tatsächlich! Seltsam. Na, umso besser.
Doch dann, plötzlich, ein Zappeln und „ä-äh“ an einer anderen Stelle, die wir vorher nie wahrgenommen hatten. Die Puppen und die Kuscheltiere! Hier mussten wir stehen bleiben und gucken. Die Babypuppen, von winzig klein bis viel zu groß, die Teddys, die Äffchen, die Kätzchen und die Hündlein. Von nun an war es schwieriger, an dieser Stelle vorbei zu kommen als vorher an den Autos. Versuchten wir, unter Zeitdruck einen anderen Weg zu nehmen, um diese zeitraubende Stelle zu meiden, war uns größte Empörung sicher!
Wie kommt das nur? fragten wir uns. Wir hatten überhaupt nicht damit gerechnet. Doch die Tendenz setzte sich fort.
Natürlich spielten unsere Mädchen auch Fußball, Fangen und Verstecken mit ihren Brüdern und deren Freunden. Sie kletterten auf Bäume und liebten es, Lagerfeuer zu machen. Doch anstelle von „Autos!“ waren es die „Puppen“, mit denen sie ihre Zeit verbrachten. Die betten sie in improvisierte Lager unter Schreib- und Esstisch, und dann schoben sie begeistert kleine Puppenwagen umher, die wir ihnen zum Geburtstag schenkten. Sie trugen Püppchen und Tiere mit sich herum wie die Brüder ihre Lieblings-Betonmischer.
Wir versuchten nicht, es ihnen abzugewöhnen. Sie sollten sich doch frei entfalten und spielen, wie es ihnen selbst gefällt.
Mein Ältester hat übrigens immer wieder versucht, seine Schwester für seine Auto-Spiele zu gewinnen. Oh wie hat er darum geworben, was hat er sich dafür alles einfallen lassen! „Du darfst dir auch aussuchen, welche du nehmen willst!“ Na gut, irgendwann wollte sie ihm den Gefallen tun. Sie entschied sich für einen großen breiten Laster und einen kleinen bunten Betonmischer: „Mama-Auto und Baby-Auto!“ Da gab er es auf.
Ich selbst, ich habe übrigens nie mit Puppen gespielt. Meine wilde Brüderhorde in der winzigen Wohnung ließ mir womöglich keinen Raum dafür. Trotzdem war ich später begeisterte „echte“ Mama.
In der Rückschau denke ich in der Auseinandersetzung mit all den Theorien über diese Thematik: wenn die kleinen Mädchen instinktiv wußten, dass sie „wie Mama“ sind und nicht „wie Papa“ oder „wie Bruder“ und sich spielerisch mit dieser Möglichkeit beschäftigten – was soll daran verkehrt sein? Es ist eine Möglichkeit, die ihnen das Leben bietet. Und dem Bruder und dem Papa eben nicht.
Die Psyche kann also stark auf die Gebärmutter focussiert sein. Geht es um Kinderwunsch, Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, kann sich die Psyche kaum mit etwas anderem beschäftigen.
Es beginnt mit der Frage: möchte ich meinen Körperteil „Gebärmutter“ nutzen? Was spricht dafür, was spricht dagegen? Oder bin ich plötzlich schwanger und garnicht darauf eingestellt?