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IX.

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Ende der achtziger Jahre und Anfang der neunziger Jahre hatte mein Vater mehrere Schlaganfälle. Ich war in Bremen, um ihn zu pflegen. In der letzten Zeit vor seinem Tod hatte mein Vater nur einen Wunsch: Er wollte alle seine Häuser und alle Plätze, wo er gewohnt hatte, noch einmal wieder sehen. Ich versuchte, ihm diese Wünsche zu erfüllen. Das war nicht immer möglich.

Ich war im Sommer 1992 in Bremen. In mehreren Wochen rollte in dieser Zeit ein Gewitter nach dem anderen zwischen der Weser und Elbe hin und her. Die Luft war drückend schwül. Sie entlud sich jeden Tag in Donner und Blitzen. Mein Vater war krank und schwach. Dieses Wetter machte ihn ganz fertig. Ich konnte ihn nicht jeden Tag auf allen möglichen Autobahnen mit mir herum schleppen. Mein Vater bettelte wie ein Kind. Am 11. Juni 1992 saß er morgens um acht Uhr fertig angezogen in seinem Krankenzimmer. Er hatte noch nicht gegessen. Sein Frühstückbrot hatte er sich einpacken lassen, das wollte er unterwegs essen.

Heidi, wenn du mich jetzt nicht nach Martfeld fährst, werde ich dir das nie verzeihen.“

Von Bremen nach Martfeld sind es ungefähr dreißig Kilometer. Wenn ich ruhig fuhr, hätte er das schaffen können, glaubte ich. Es kam anders. Auf der Autobahn von Bremen nach Verden an der Aller bekam er keine Luft mehr. Ich machte das Fenster auf. Mein Vater bekam Durchzug. Ich musste das Fenster wieder zumachen. Ich hielt das Auto auf der Autobahn an und wollte ihn hinlegen. Da bekam er erst recht keine Luft mehr. Ich wollte sofort zum Krankenhaus nach Bremen zurückfahren. Mein Vater bettelte darum weiterzufahren:

In ein paar Minuten sind wir in Martfeld.“

Auf dem Hof in Martfeld blieb er auf der Diele tot liegen. Im Krankenwagen wurde er mit Elektroschock noch einmal zurück ins Leben geholt und ins Krankenhaus nach Hoya gefahren.

Das erste Mal starb er also auf dem Hof, auf dem er mit seiner zweiten Frau dreizehn Jahre lang gelebt hatte. Die Kinder seiner zweiten Frau hatte er als seine Kinder geliebt und behandelt. Das zweite Mal starb er im gleichen Krankenhaus in Hoya, in dem auch seine zweite Frau gestorben war. Die Kinder seiner zweiten Frau sind nicht zu seiner Beerdigung nach Bremen gekommen. Hier enden meine Kindheitserinnerungen an den Hof in Martfeld.

Ehret die Toten! Das ist das, was die Menschen den Tieren voraushaben. Wenn sie das nicht einmal können, fallen sie noch unter das Tierische.

Silvaplana Blue II - Wir Kinder des Grauens

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