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V.

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Als Ingeborg meinen Vater heiratete, bekam mein Vater keine Frau, sondern eine Tochter. Ingeborg nannte meinen Vater „Papi“. Im Beisein von anderen wurde dies umschrieben: „Mein Papi hat immer alles für mich getan. Dein Vater hat auch immer gut für mich gesorgt.“.

Das war eine ihrer gängigen Bemerkungen, ihr Papi und mein Vater wurden in einem Atemzug genannt, die Begriffe verwechselten sich, die Personen wurden austauschbar, der eine wurde der andere, der eine war der andere, er übernahm die Rolle, Aufgabe und Verantwortung des anderen. Diese Projektion des Vaters auf den Ehemann war ein vollkommener Austausch von Rollen und Identitäten.

Mein Vater nannte Ingeborg „Irmchen“. Irmgard war seine jüngste Schwester. Irmgard hatte ihre Eltern bis zu ihrem Tod betreut. Sie war die treue Seele und der Putzlappen der Familie. Ingeborg war nun für ihn seine treue Seele, glaubte er. Aber einen Putzlappen anzufassen, empfand Ingeborg als Beleidigung. Wunschprojektionen auf allen Seiten, die ins Leere verpufften.

In diesen fiktiven Vorstellungswelten war ich ein Störfaktor. Ingeborg übernahm die Rolle der Tochter. Damit war ich entweder nicht existent oder ihre größte Konkurrentin oder beides. Damit wiederholte sich für sie die gleiche Konstellation wie in ihrer Kindheit und Jugend, als sie in Konkurrenz mit Tante Clara um die Gunst ihrer Großeltern kämpfte.

Die Expertise und Erfahrung, die Ingeborg in den Eifersüchteleien mit ihrer Tante Clara entwickelt hatte, waren ihre besten Werkzeuge. Da spielte es keine Rolle, dass sie über dreißig Jahr älter war als ich: Der liebe Papi sollte und musste jetzt für sie sorgen. Ich hatte nichts mehr in seinem Haus zu suchen.

Auch wenn ich nach Bremen fuhr, um meinen Vater ins Krankenhaus zu bringen oder zu pflegen, musste ich im Hotel wohnen. Da wo Ingeborg war, war kein Platz für mich.

Silvaplana Blue II - Wir Kinder des Grauens

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