Читать книгу Eines Tages hol’ ich sie mir! - Heidemarie Pläschke - Страница 20
LARA HAT IHRE FREUNDIN EINGELADEN
ОглавлениеStine packt mit massiger Vorfreude ihre große Tasche, um für eine Woche ihre Freundin Lara, die bei Travemünde wohnt, zu besuchen.
Die inzwischen jungen Damen haben sich schon über ein Jahr nicht mehr gesehen und beide fiebern dem Wiedersehen neugierig entgegen.
Endlich ist der lange herbeigesehnte Tag gekommen. Die Fahrkarte ist gekauft und Stine parat für die große Reise. Es ist erst die zweite Reise in ihrem Leben, denn Stines Familie hatte für Reisen leider kein Geld. Die erste Reise machte Stine ca. 14 Jahren. Damals noch mit der vollständigen Familie inklusive ihres Vaters von Warnsdorf in den Solling, um die Familie der Schwester ihres Vaters zu besuchen.
Ja, und nun kommt ihre zweite Reise und dann noch ganz alleine. Zum Glück ist es nicht weit bis zum Bahnhof. Die 300 Meter wird sie von ihrer Mutter begleitet. Ach, was ist Stine aufgeregt und fiebert der Ankunft des Zuges entgegen. Wird auch alles klar gehen? Immerhin muss sie in Northeim, in Hamburg und in Lübeck umsteigen. Das ist schon kritisch, denn Stine kennt sich eben nicht aus. Zum Glück hatte ihr Stiefvater ihr genau erklärt wie es so ist mit dem Umsteigen.
Auf dem Bahnhof hat sie sich alle Umsteigezeiten und die Bahnsteige der Ankunft und Abfahrt aufschreiben lassen.
»Tschu, tschu, Tschu« und das ihr bekannte »Tuuuut« erklingen, als der Zug in den Bahnhof einrollt.
»Nicht so dicht an die Kante«, ermahnt Stines Mutter, »sonst reißt dich der Zug noch mit.«
»Drrrrrrrrrrrr«, erklingt es, als die Eisenbahn stoppt.
Stines Mutter hilft, die Tür zu öffnen, geht doch etwas schwer.
Nun aber »tschüüüsss, viel Spaß und komm heil wieder«, hörte sie ihre Mutter sagen.
Nun steigen Stine aber doch Tränen des Abschieds in die Augen, und sie bringt keinen Ton heraus. Rein in den Wagon »Nichtraucher« und schnell einen Platz am Fenster. Gleich darauf ertönt die Pfeife des Schaffners, was besagte, dass alles klar zur Abfahrt wäre.
»Tschu, tschu, tschu«, ertönte es von der Lokomotive, und dann das ihr vertraute »Tuuuuuuut«, denn das konnte Stine stets zu Hause hören.
Stine und ihre Mutter winken sich zu bis ihre Mutter nicht mehr zu sehen ist.
Bis Northeim sind es nur wenige Kilometer.
Stine steht schon lange vor der Ankunft an der Tür, um ja schnell aus dem Zug zu kommen. Okay, nun zum Bahnsteig Richtung Hamburg. Das ist einfach, denn der Bahnsteig liegt gegenüber. Der Zug kommt bald und Stine nimmt wieder am Fenster Platz, denn sie will etwas sehen, wenn sie schon mal unterwegs ist.
Bis Hamburg, das dauert schon etwas länger. Dann kommt der Bahnhof. Oh weia, wie groß der ist, staunt Stine und hat doch etwas Mühe, das Gleis für den Anschluss-Zug nach Lübeck zu erreichen. Auch noch die Treppe hoch, dann weitere 100 Meter und wieder die Treppe runter zum Gleis 13. Ach, da steht er schon, der Zug, der in Richtung Lübeck fährt.
Sicherheitshalber schaut Stine, ob die Verbindung oben an der Tafel angezeigt wird und auf dem Zug auch wirklich »Lübeck« steht. Sie hievt ihre schwere Tasche die Stufen hoch und findet ein Nichtraucher-Abteil mit freiem Fensterplatz. Das letzte Umsteigen in Lübeck, um in den Zug nach Travemünde zu gelangen, ist einfacher.
Mit jedem Meter steigt in Stine die Spannung, Würde sie auch abgeholt werden? Lara hat doch zugesagt, dass ihre Mutter und sie mit dem Auto in Travemünde am Hafen-Bahnhof, der sich hinter ihrer früheren Schule befindet, abholen würde.
»Drrrr«, macht der Zug und hält.
Stine entdeckt schnell ihre Freundin und deren Mutter, denn dieser Bahnhof ist klein und übersichtlich. Sie fallen sich in die Arme und freuen sich alle, dass es so gut geklappt hat. Natürlich wollen sie wissen, wie denn die Reise war und ob Stine die Umsteigereien gut bewältigt hat.
Laras Mutter öffnet den Kofferraum ihres VW’s, lädt Stines Tasche ein und ab geht es zum Anwesen von Laras Eltern, das ein paar Kilometer außerhalb von Travemünde liegt.
Dann bringt Stine ihr Gepäck in das Zimmer ihrer Freundin, wo ja immer noch das Klappbett für sie parat steht. Danach gibt es lecker Essen, denn Laras Mutter ist eine ausgezeichnete Köchin. Immer wieder werden gegenseitig Fragen gestellt und muss alles ganz genau erzählt werden. Die Freundinnen verbringen die Tage mit an den Strand fahren, gemeinsam kochen und ausgiebigen Spaziergängen. Einen Regentag genießen beide in Lübeck in der Schwimmhalle. Es muss doch noch etwas geben, was nicht alltäglich ist, denn schließlich haben sie Urlaub. Somit überlegen die jungen Damen, was nach »Urlaub« schmecken könnte und beschließen, mit dem Fährschiff Gedser von Travemünde nach Rodby in Dänemark zu fahren. Dann weiter mit einer anderen Fähre von Rodby nach Puttgarden/Fehmarn, auf der dann ein Büfett an Bord gegessen werden könnte.
Zurück von Puttgarden auf der Vogelfluglinie über die Fehmarnsund-Brücke mit dem Zug nach Lübeck. Dann wieder mit dem Bus Richtung Travemünde.
Laras Vater hat gleich einen Auftrag, in Rodby auf Lolland unbedingt nach seinem Segelschiff zu sehen, ob es noch gut angetaut sei und alles okay ist. Das verspricht, eine tolle und interessante Reise zu werden. Somit wird nun genau festgelegt, an welchem Tag es los gehen soll und die Karten besorgt.
Dann ist der Tag der Seereise gekommen. Zu Fuß geht es zunächst einmal zur etwa zwei Kilometer entfernten Bushaltestelle. Der Bus bringt sie nach Travemünde zum Skandinavien-Kai, wo schon das große Schiff angetaut auf Reisende nach Gedser wartet. So ein riesiges Schiff! Gesehen hatte Stine diese Fährschiffe ja fast täglich, war aber noch nie mitgefahren. Das Gefühl, das die Mädchen befällt, ist unbeschreiblich. Sie kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Was gibt da alles zu sehen? Riesige Restaurants und so viele Decks. Immer die Treppen rauf und runter wird alles erkundet.
»Ach, was ist das denn?«, staunt Stine, »da sind ja so viele Autos unten im Schiff. Toll, da lassen wir uns gleich mal fotografieren vor den Autos, dass das unsere Freunde auch glauben.«
Lara hält es für besser, die bis dahin zusammengebundenen Haare nun zu lösen, offen zu tragen und mit einem breiten Stirnband zu halten. So würden sie erwachsener aussehen. Was haben die Freundinnen damit ihr Vergnügen.
Das Auslaufen durch die Trave in die Ostsee, vorbei an Travemünde, all den Brücken mit kleineren Schiffen, der Halbinsel Priwall, wo das wunderschöne ehemalige Segelschulschiff »Passat« liegt, den alten Leuchtturm, das Maritim und die lange Mole, das allein ist schon ein Erlebnis vom Schiff aus gesehen.
Es wird heftig gewinkt und Passagiere anderer Schiffen winken zurück, auch die Touristen in Travemünde, die am Kai spazierengehen, grüßen bzw. erwidern den Gruß der Passagiere auf dem auslaufenden Fährschiff, das von Lotsenschiffen durch die Trave begleitet wird.
Unten im Schiff bei den Bussen und Autos
In Höhe der Mole hupt das große, weiße Fährschiff zum Abschied.
Weiter und weiter entfernt sich die Gedser vom Ufer und vom Strand. Die Möwen haben noch eine Zeitlang Vergnügen, in dem aufgewirbelten Fahrwasser nach Fischen zu schnappen. Dann fliegen sie zurück. Immer kleiner werdend verschwindet auch langsam die Silhouette des Maritims am Horizont. Nun sind sie mitten auf der Ostsee und lassen sich an Deck den Wind um ihre Nasen wehen, was die beiden Freundinnen jedenfalls sehr genießen.
Dann »Land in Sicht«, allgemeine Aufregung. Wir sind in Dänemark.
Nach einer Weile enttäuschte Gesichter, denn Rodby auf Lolland in Dänemark hört sich zwar gewaltig an, aber zeigt nichts her. Eine öde und langweilige Anlegestelle mit einer mittelmäßigen Marina, wo Segelboote liegen.
Die Mädels steigen aus und suchen das Segelboot von Laras Vater.
»Ach, das liegt aber weit hinten«, verkündet Lara und Stine fragt: »Weißt du denn wie es heißt?«
»Ja, Seewind.«
Da ist es endlich, und alle Taue sind zum Glück fest. Auch sonst scheint alles in Ordnung zu sein.
»Wo ist denn nun das Schiff, mit dem wir von Rodby nach Puttgarden wollen?«, fragt Stine, da sie es nicht sehen kann.
Okay, Lara weiß den Weg, und die Mädels schlendern zum Kai … und siehe da, da liegt es schon erwartungsvoll. Die Mädels gehen an Deck und suchen sich einen schönen Platz am Fenster, denn inzwischen ist es kühler geworden. Endlich »Leinen los« und volle Fahrt auf Puttgarden, einem kleinen Ort im Norden der Ostseeinsel Fehmarn, die durch eine Brücke mit dem Festland verbunden zu einer Halbinsel wurde. Die Mädels freuen sich mächtig auf das nordische Büfett, das es jetzt gibt. Der leckere Anblick des mächtigen Büfetts sorgt dafür, dass sich bei den Freundinnen mehr und mehr der Hunger einstellt. Lara belehrt ihre Freundin, dass es nicht erlaubt ist, sofort darauf loszustürzen. Erst muss es eröffnet werden. Mit weiteren duftenden Speisen werden die vielen Tische des Büfetts bestückt. H’m, und wie köstlich alles aussieht.
Endlich ist es soweit und ein Stuart verkündet: »Das Büfett ist eröffnet.«
Das wird aber auch höchste Zeit, denn lange hätten die knurrenden Mägen es nicht mehr ausgehalten.
Lara gibt Stine nun Anweisungen, wie es geht mit dem Essen vom Büfett. »Stine, du kannst so oft gehen wie du willst. Deshalb packe dir nicht den Teller so voll; außerdem sieht es nicht gut aus und schmeckt dann durcheinander, weil zu viel übereinander liegt.«
»Okay, muss ja ‘nen Dummen erst einmal gesagt werden«, bedankt sich Stine.
Dann pirschen sich beide an das Büfett heran. Zunächst einmal bestaunen die Mädels all die feinen Köstlichkeiten. Ganze Fische mit großem Maul thronen über dem langen Tisch. So viele leckere Salate, Fisch und Fleisch in allen Variationen, gar nicht so einfach, etwas auszuwählen. Natürlich wollen die Mädels das essen, was es zu Hause nicht gibt, besonders die leckeren Fische. H’m, lecker, lecker, lecker … Immer wieder gehen die »jungen Damen« in Richtung Büfett und suchen sich weitere Leckereien aus bis aber auch wirklich nichts mehr hineinpasst … auch, wenn die Augen noch so viel gerne hätten.
Stine, als Fan von Wilhelm Busch, denkt dabei an Max und Moritz, die alle Hühner der armen Witwe Bolte vertilgt haben bis oben durch den Hals aus dem Munde noch jeweils ein Bein herausschaute.
So vergeht die Zeit auf hoher See nach Puttgarden schnell. Runter vom Schiff und den Bahnhof suchen, denn von hier wollen sie den Zug nach Lübeck nehmen. Die Fahrt hatten sie schon von zu Hause aus gebucht.
»Ach, da ist er ja schon, der Bahnhof … welcher Zug … wo fährt er ab?«
Lara kennt sich aus und findet schnell das richtige Gleis mit dem entsprechenden Zug.
»Supi, nun kann ja nicht mehr viel schief gehen«, freut sich Stine und setzt sich zu ihrer Freundin Lara in ein Eisenbahn-Abteil.
Beide schwärmen während der ganzen Fahrt von dem wunderbaren und ereignisreichen Tag.
In Lübeck müssen sie noch einmal umsteigen in den Bus, der sie in Richtung Travemünde bringt. Die letzten zwei Kilometer ist wieder Fußmarsch angesagt, was gerade noch so zu mit fast letzter Kraft schaffen ist.
Die gemeinsamen Tage vergehen wie im Fluge.
Der Tag der Abreise von Stine ist gekommen. Im Auto von Laras Mutter geht es zum Bahnhof.
»Ja, echt schade, dass du schon wieder weg musst«, sagt Lara traurig.
Stine entgegnet: »Wir schreiben uns doch wieder; und telefonieren können wir auch ab und zu. Und im nächsten Urlaub, liebe Lara, kommst du mich in Hardegsen besuchen.« Mit diesem Lichtblick verabschieden sich die Freundinnen.
Stine steht noch im Abteil des Zuges am Fenster und winkt bis Lara und ihre Mutter sich scheinbar aufgelöst haben.
Die Rückfahrt ist wesentlich entspannter für Stine, denn durch das viele Umsteigen auf der Hinreise hatte sie Übung bekommen.
Nach stundenlanger Fahrt mit x-maligem Umstiegen hält der Zug endlich in Hardegsen, wo Stine von ihrer Mutter auf dem Bahnsteig schon erwartet wird.
Noch tagelang erzählt Stine von den ereignisreichen Tagen bei Lara.
Nichts desto trotz hat der Alltag mit all seinen Pflichten sie wieder voll im Griff.
Lara wird von ihren Eltern ins gesellschaftliche Leben eingeführt und besucht einen Presseball, wie aus einem ihrer Briefe zu entnehmen ist.
Von einem Bernhard hat sie sich getrennt und wieder dem Werben ihres Kollegen Bert nachgegeben, der nun in die Sparkassen-Filiale zurückgekommen ist.
In einem Brief schreibt Lara ihrer Freundin Stine, dass sie ihn immer noch sehr nett findet. Sie hätten sich ausgesprochen und nun wieder versöhnt. Auch liest Stine, dass Lara schon einige Male im Kino gewesen sei und immer denselben Film angeschaut hat: »Vom Winde verweht«. Stine sollte ihn sich unbedingt anschauen und auch das Buch lesen. Lara schreibt, dass es der beste Film sei, den sie in ihrem Leben gesehen hat.
Endlich ist es wieder die Zeit, dass beide Freundinnen ihren Urlaub planen. Dieses Mal kommt Lara zu Stine.