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3.

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Am Vormittag des nächsten Tages hat Elfi zwei Therapien. Lydia kommt sich im Zimmer etwas verloren vor und beschließt, einen Spaziergang zu machen.

Als sie sich draußen umschaut, sieht sie, dass mehrere Frauen auf dem Weg zum See sind. Sich ihnen spontan anzuschließen, wagt sie nicht, denn sie hat bisher noch keinen Kontakt zu ihnen aufnehmen können. Eigentlich ist sie ganz froh, in Elfi eine verständnisvolle Frau gefunden zu haben und sich mit ihrer Hilfe langsam an den Klinikalltag zu gewöhnen. Sie ist auch etwas erleichtert darüber, dass ihre Gedanken nicht mehr ununterbrochen durcheinander schwirren.

Sie will den Weg, der von der Frauengruppe in die entgegengesetzte Richtung führt, einschlagen. Karin fordert sie jedoch mit einem Wink auf, zu ihnen zu kommen. Lydia stöhnt innerlich auf, setzt sich jedoch in Bewegung und geht auf sie zu.

„Hallo“, sagt sie zur Begrüßung, denn etwas anderes fällt ihr nicht ein.

Die Frau, die ihr als Hexe Ingrid beschrieben wurde, strahlt sie an.

„Hast du dich schon etwas eingelebt?“, fragt Karin.

„Na ja“, antwortet Lydia. „Was man so einleben nennen kann.“

Ihr ist es peinlich, etwas sagen zu müssen. Sie wartet ab, dass sich die anderen weiter miteinander unterhalten und sie von einem peinlichen Frage- und Antwortspiel verschont bleibt.

„Diese Elfi lässt dir ja überhaupt keinen Freiraum“, sagt Ingrid bedauernd.

„Mir ist ihre Gesellschaft eigentlich ausreichend“, antwortet Lydia. Als sie die seltsamen Blicke der anderen bemerkt, ergänzt sie schnell, „ich meine … na ja, die ersten Tage in dieser Einrichtung waren für euch doch bestimmt auch nicht gerade angenehm. Man ist doch erst mal froh, seine Ruhe zu haben. Bekanntschaften kann man später knüpfen, wenn es einem etwas besser geht.“

Sie hofft, die Frauen mit dieser Erklärung beschwichtigt zu haben, denn nichts liegt ihr ferner, als den Eindruck zu erwecken, eingebildet oder verklemmt zu sein.

Ingrid strahlt Lydia wieder an. „Also ich fühle mich sehr wohl in Gesellschaft.“

„Ja, Ingrid“, sagt Karin und verdreht die Augen. „Davon hast du uns alle bereits mehrfach überzeugt.“

„Was kann ich dafür, dass es mir hier gut gefällt?“, fragt Ingrid. „Ich verstehe gar nicht, dass ihr immer so unzufrieden seid. Komm, Lydia. Wir gehen. Ich muss dir nämlich unbedingt …“

„Äh, ich wollte eigentlich …“, sagt Lydia und sucht nach einer glaubhaften Begründung, um nicht mit Ingrid allein sein zu müssen.

Karin grinst und ergänzt: „Ja, genau. Wir wollten doch mit Lydia schwimmen gehen. Bis nachher, Ingrid.“

Karin greift nach Lydias Arm und zieht sie einfach mit sich. Ingrid bleibt enttäuscht zurück.

Nachdem sie ein Stück gegangen sind, sagt Karin zu Lydia: „Entschuldige, aber Babajaga wird man nicht anders los. Zum Glück ist sie wasserscheu, und das ist ein guter Trick, ihrer Nähe entfliehen zu können, ohne dass sie allzu sehr beleidigt ist.“

„Wo kann man denn schwimmen?“, fragt Lydia.

„Im Anbau ist der sogenannte Wellness-Bereich“, antwortet Karin. „Hinter dem Entspannungs- und Fitnessraum befindet sich ein kleines Schwimmbad.“

„Toll. Darf man da einfach so schwimmen?“

„Ja. Wenn dir dein Therapieplan Zeit dazu lässt. Hast du dich schon entschieden, an welchen Therapien du teilnehmen wirst?“

„Ich weiß nicht“, antwortet Lydia. „Ergotherapie ist nichts für mich. Ich habe noch nie gern gebastelt.“

„Das ist nicht nur eine Bastelstunde“, wirft Sonja erstaunt ein.

„Töpfern ist auch nichts für mich“, erwidert Lydia kopfschüttelnd, „und Körbe flechten schon gar nicht.“

„Du kannst dir auch während der Musiktherapie deinen Frust von der Seele trällern“, schlägt Karin schmunzelnd vor.

„Ja, und tanzend durch die Räume schweben“, lacht Lydia. „Das ist auch nichts für mich.“

Karin, die bei der Vorstellung auch lächeln muss, sagt: „Du wirst mit der Zeit schon etwas Passendes finden. Ich schreibe Kurzgeschichten und hätte nie gedacht, dass ich das so gut hinbekomme.“

„Du hast es gut“, sagt Lydia wehmütig.

Sonja und Karin sehen sie verwundert an.

„Wieso?“, fragt Karin.

„Ich darf nicht schreiben“, klärt Lydia sie auf, „weil ich das zu Hause den ganzen Tag mache.“

„Dann solltest du vorläufig wirklich etwas anderes tun“, sagt Sonja. „Ich male. Meine Bilder sehen zwar nicht professionell aus, aber in der Kunst ist ja eigentlich alles erlaubt. Hauptsache, es macht Spaß und lenkt mich ab.“

Als es Zeit für das Mittagessen wird, machen sie sich auf den Weg ins Hauptgebäude. Die Köchin Hermine erwartet sie bereits.

„Gut, dass wenigstens ihr kommt. Ich dachte schon, ich bleibe auf dem Essen sitzen. Heute ist wieder mal der Wurm drin, und alle haben anderes zu tun. Was habt ihr denn mit Ingrid gemacht? Die sitzt schmollend in ihrem Zimmer.“

Karin grinst. „Wir wollten eigentlich schwimmen gehen, haben es uns dann aber anders überlegt.“

Hermines Augen funkeln schelmisch. „Da hätte Ingrid euch wohl doch nicht so voreilig ihr Geheimnis verraten sollen. Das hat sie nun davon. Lydia, lass dir das eine Warnung sein.“

„Ich werde mir immer genau überlegen, was ich sage“, verspricht Lydia augenzwinkernd und ist froh, einen lockeren Anschluss gefunden zu haben.

Da Elfi weit und breit nicht zu sehen ist, setzt sie sich mit Karin und Sonja an einen Tisch. Hermine hat in der Zwischenzeit Ingrid Bescheid gegeben, dass die Frauen zurück sind. Schnellen Schrittes kommt sie angelaufen und setzt sich neben Lydia.

„Schön, dass du endlich wieder da bist“, sagt sie zu ihr und strahlt übers ganze Gesicht. „Weißt du, Lydia, bereits bei deiner Ankunft habe ich gefühlt, dass du ein ganz besonderer Mensch bist.“

Lydia wird unter dem Tisch leicht angestoßen. Als sie hochschaut, zwinkert Karin ihr zu, sodass sie errötet.

Das fehlt mir gerade noch“, denkt sie. „In der Psychiatrie von einer Hexe angehimmelt zu werden … Worauf habe ich mich nur eingelassen? Zumindest werde ich mich erst mal aufklären lassen, wie ich mit den anderen Verrückten umgehen soll. Nicht, dass ich die unwissentlich mehr aufrege, als gut für sie ist.“

Gefühlslooping

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