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6.

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Es ist bereits dunkel, als Lydia wieder zu sich kommt. Sie knipst ihre Nachttischlampe an und setzt sich auf. Ein Teller mit belegten Brötchen steht auf dem Tisch. Daneben liegt ein Zettel.

Elfi hat ihr das Abendessen mitgebracht und eine Nachricht hinterlassen: „Hallo, Lydia. Ich hatte nach meinen Gesprächs-Schlaf-Attacken immer Hunger. Falls es dir auch so geht, dann lass es dir schmecken. Ich bin im Fernsehraum. Bis nachher. Elfi“

Lydia spürt ihren Magen grummeln und ist Elfi dankbar. Mit wenig Appetit greift sie nach einem Käsebrötchen und beißt hinein.

Als sich die Tür öffnet, ist sie froh, dass sie nicht mehr allein ist.

„Ich wollte dich vorhin nicht wecken“, sagt Elfi entschuldigend.

„Danke. Ich habe geschlafen wie … wie tot“, antwortet Lydia.

„Meine Gesprächstherapie habe ich am Anfang wie Schwerstarbeit empfunden“, erklärt Elfi ihr. „Zwar nicht körperlich, aber seelisch, und das strengt den Körper genauso an, als hätte ich eine Menge ungewohnter anstrengender Arbeiten erledigt. Sicher wird dir auch bald alles wehtun, sodass du denkst, du bist ziemlich krank. Ich habe da jahrelang so einiges durch. Starke Kreuzschmerzen haben mich zum Arzt kriechen lassen, als wäre ich hundert Jahre alt. Er untersuchte mich und stellte fest, dass alles in Ordnung ist. Wie nach einer wundersamen Heilung, hüpfte ich von der Pritsche und konnte wirklich wieder aufrecht gehen.

Bereits kurze Zeit später plagten mich heftige Kopfschmerzen. Ich war davon überzeugt, dass die nur von einem Hirntumor stammen konnten. Wieder habe ich mich beim Arzt lächerlich gemacht. Nicht mal ein Zipfelchen irgendeines Gewüchses, das da nicht hingehört, wurde gefunden.

Also verflüchtigten sich die Kopfschmerzen, und bald darauf spielte mein Magen-Darm-Trakt verrückt. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, warum ich mich ständig so mies fühlte. Jahrelang habe ich geschlafen wie eine Tote. Früh kam ich jedoch kaum aus dem Bett. Das Frühstück zu machen, war bereits eine beinahe unüberwindbare Hürde. Im Supermarkt bekam ich Herzrasen und Schweißausbrüche und konnte mir das nur damit erklären, dass ich herzkrank bin und sicher bald sterben muss … so elend war mir zumute. Mir graute es mit der Zeit davor, das Haus zu verlassen, sodass ich mich wie eine Gefangene fühlte.“

„Oh Gott, da steht mir ja noch etwas bevor. Jetzt habe ich bloß das Gefühl, eine Bowlingkugel verschluckt zu haben.“

Elfi nickt und erklärt Lydia: „Das sind nur deine verkrampften Nerven. Du solltest am autogenen Training teilnehmen. Dort lernst du, dich zu entspannen. Mit der Zeit wird aus dem harten Ding in deinem Bauch ein Gummiball und später ein Wattebällchen und irgendwann ist das Ding weg.“ Lydia schaut Elfi zweifelnd an, sodass diese weiterspricht. „Vertraue mir einfach. Ich habe das alles durch und bin eine Expertin. Hast du immer noch Angst vor den Gesprächen mit LF?“

Lydia schüttelt den Kopf. „Eigentlich nicht, bloß ein ungutes Gefühl. Ich weiß nicht, womit ich beginnen soll, weil meine Gedanken noch alle durcheinander kreisen. Sowie ich jedoch einen Anfang gefunden habe, sprudelt alles wie von selbst aus mir raus. Etwas bin ich darüber überrascht, dass der Therapieraum fast gemütlich eingerichtet ist, und der Sessel ist dermaßen bequem, dass ich hoffe, darin nicht einfach mal einzuschlafen.“

„Hattest du eine Folterkammer erwartet?“, fragt Elfi und lacht laut auf. „Lydia, du machst dir alles schwerer als nötig. Grüble nicht so viel. Das schlägt nur Falten in dein Antlitz, und das wiederum wäre schade um dein noch jugendliches Aussehen. Versuche einfach, deinen Aufenthalt positiv zu sehen und vielleicht etwas zu genießen. Umso eher kannst du wieder nach Hause.“

Lydia seufzt. „Ich werde mich bemühen. Aber jetzt muss ich schlafen.“

Elfi hat sich unterdessen fürs Bett fertig gemacht und kuschelt sich in ihre Decke.

„Gute Nacht“, sagt sie zu Lydia, „und träum was Schönes.“

„Ha, ha“, macht Lydia. „Ich kann leider nicht beeinflussen, inwieweit meine lebhaften Träume mich ruhig schlummern lassen. Hoffentlich wecke ich dich nicht.“

„Wetten, dass du das nicht schaffst“, entgegnet Elfi. „Bestimmt bin ich eher wach, als du aus deinem Gruselkabinett gekrochen kommst.“ Sie zwinkert Lydia zu. „Mach dir nicht so viele dunkle Gedanken. Schieb sie einfach weg und konzentriere dich auf die Dinge, die dir Spaß machen.“

„Das sagt sich so leicht. Ich bewundere deinen Optimismus.“

„Lydia, ich habe dir viele Monate Therapie voraus und weiß, wovon ich spreche.“

„Eben. Vor diesen vielen Monaten, die ich noch vor mir habe, graut mir.“

„Das kann bei dir doch viel schneller gehen.“ Elfi schüttelt den Kopf und überlegt, welchen Rat sie Lydia geben könnte. „Sprich mir nach: `Ich denke an schöne Dinge.´ Na los!“

Lydia verzieht ihr Gesicht, kommt jedoch der Aufforderung nach: „Ich werde versuchen, an schöne Dinge zu denken.“

„Na gut. Für den Anfang muss das reichen. Das wird jetzt dein Abendgebet.“

„Danke, Elfi“, sagt Lydia leise in die Dunkelheit und wischt sich die Tränen weg.

„Schon gut. Einer muss dir scheinbar mal den Marsch blasen. Ich fühle mich ganz gut dabei. Zumindest ist es besser, als selbst den Marsch geblasen zu bekommen.“

Elfi kichert und nimmt eine entspannte Schlafhaltung ein. Für Lydia ist das ein Zeichen, sie nun nicht weiter zu stören. Sie dreht sich zur Wand und will ihren zweiten Tag in der Klinik Revue passieren lassen. Weit kommt sie jedoch nicht, denn sie schläft ziemlich schnell erschöpft ein.

Gefühlslooping

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