Читать книгу TENTAKEL DES HIMMELS - Heike Vullriede - Страница 13
Im Hotel
ОглавлениеGreller Sonnenschein weckte Jan Torberg am nächsten Morgen. Er kniff die Augen zusammen und drehte sich zur Seite. Aber das Licht durchstach seine Lider, bevor er sie öffnete. Blinzelnd schickte er einen Blick zum Fenster und entdeckte Kemal Akdas, der sich mit ekelhafter Lebensfreude bemühte, die Vorhänge so weit wie möglich aufzureißen.
»Gleich verpassen Sie Ihr Mittagessen.«
Kemal streckte sich ausgiebig am offenen Fenster.
»Heute Nachmittag steht ein neues Treffen mit Herrn Alonso an. Die Herrschaften waren nicht gerade begeistert von Ihrem gestrigen Auftritt, aber ich habe mich richtig für Sie ins Zeug gelegt und die Wogen haben sich geglättet.«
Nun verging Jan erst recht die Lust, aus dem Bett zu steigen. Die Sache nagte schon jetzt an seinen Nerven. Unangenehme Angelegenheiten erledigte er am liebsten knallhart sofort oder gar nicht – meistens das Letztere. Obwohl er diese Sache selbst verzögert hatte, gefiel es ihm nicht, dass es sie noch gab. Um die Nase wehte ihm der kalte Novemberwind und er war froh um die bauschige Bettdecke auf seinem Körper. Kemal überkam indes der pure Leichtsinn. Er zog mit einem Ruck an dieser Wärmequelle, um Torberg aus dem Bett zu locken. Doch der reagierte schnell. An einem Zipfel bekam er sie zu fassen und er klammerte sich daran fest. Kemal ließ nicht los. Er zog, legte sein ganzes Gewicht in sein Vorhaben, gewann, und lag schließlich mit seiner flauschigen Beute an der Tür. Blitzartig folgte ihm ein Kissen, ein unbenutzter Wecker verfehlte seine Stirn, und ein Turnschuh traf ihn schmerzhaft am Oberarm. Ohne zu zögern, hätte ihm Jan auch die Nachttischlampe nachgeworfen, wenn nicht das Hoteltelefon geläutet und ihn abgelenkt hätte.
Kemal waren die überschüssigen Reaktionen seines Chefs eine Nummer zu hart. Freund oder Feind? Für ihn war das nicht einschätzbar. Beleidigt suchte er an seinem Arm nach blauen Flecken und verließ fluchend das Zimmer. Sollte Torberg doch den gesamten Tag lang schlafen! Innerlich verklagte er ihn wegen gefährlicher Körperverletzung.
Das Telefon läutete und verstummte mehrmals. Seufzend kam Jan unter dem Bett hervor, wo er vergeblich nach seinen Socken gesucht hatte. Langsam näherte er sich dem Störenfried. Immer noch hoffte er, dass der Anrufer aufgab, doch letztlich ging er ran.
»Torberg!«
Seine Stimme klang so, wie er sich fühlte: ungeduldig und wütend. Die Anruferin war für einen Moment dermaßen irritiert, dass sie einige Sekunden brauchte, um sich zu fassen. Doch bevor sie sich mit Namen melden konnte, versiegte die Geduld ihres Zuhörers. Er wartete genau diese Sekunden ab, um krachend aufzulegen.
Sprachlos saß Anna mit ihrem Smartphone in der Hand im Büro. Zweifel stiegen in ihr hoch, ob Torberg es wirklich wert war, gewarnt zu werden. Warum ließ sie nicht den Ereignissen ihren Lauf, wie sie es immer tat? Wichtig war für sie doch nur ihre eigene Sicherheit und die hätte sie mit diesem dämlichen Anruf an Torbergs Hoteltelefon fast gefährdet. Als sie ihr Handy einsteckte, war sie längst froh über das Misslingen ihrer Aktion. Nebenbei hatte sie das beste Alibi, das ihr Gewissen brauchte: Sie hatte es versucht! Alles andere war allein Torbergs Sache und sie würde sich heraushalten. Verächtlich warf sie ein Paar muffige Socken auf den nächstbesten, ziemlich hohen Aktenschrank.