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Kapitel 2: Reisevorbereitungen

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Rowena parkte ihren Smart in der Straße, in der die Tanzschule von Tobias Kerner lag. Sie hoffte, dass er es ihr nicht krummnahm, wenn sie unangemeldet erscheinen würde, aber sie musste mit ihm reden. Sie brauchte jetzt jemanden, dem sie vertrauen konnte, der ihr zuhören würde. Schließlich verband sie und Tobias sehr viel, quasi eine gemeinsame Vergangenheit.

>Warum mache ich mir eigentlich was vor? Ich möchte mit ihm reden, weil ich jemanden zum Reden brauche! Punkt. <

Rowena wollte gerade aussteigen, als die schwere Eingangstür des Hauses von innen geöffnet wurde. Eine junge, nicht besonders große Frau mit braunen Haaren und Brille verließ das Haus, Tobias stand direkt hinter ihr im Hauseingang. Sie unterhielten sich noch kurz, lächelten sich zu. Dann drehte sich die Frau um und Tobias sah ihr hinterher.

Neugierig schlüpfte Rowena in den Kopf des Mannes. >Ich mag Hanna. Aber mehr darf es einfach nie sein! <

Rowena runzelte die Stirn. Dann schüttelte sie die dunklen Gedanken beiseite und sendete Tobias eine Botschaft. >Tobi! Ich bin´s. Rona. Hast du Zeit? <

Tobias stand stocksteif da, sah sich verblüfft um. Dann sah er, wie Rowena Mc Dougall aus dem Smart stieg und ihm zuwinkte. Er lachte leicht und winkte die blonde Frau zu sich.

„Hallo, Tobi!“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dabei wurde ihr wieder schmerzhaft bewusst, wie ähnlich er und Tristan sich sahen. Die gleichen Gesichtszüge, die grünbraunen Augen, die dunkelblonden Haare mit der hohen Stirn.

Und doch waren sie so verschieden.

Tobias war meistens eher schwermütig, beinahe depressiv, während Tristan einfach nur düster wirkte. Rowena mochte Tobias von ganzem Herzen, aber sie hatte kein Interesse an ihm. Was für ihre Verhältnisse außergewöhnlich war. Nach dem gestrigen Streit mit Tristan waren ihre Interessen ohnehin in den Keller gerutscht, nach ganz tief unten.

„Was ist los, Rona?“

„Ich muss mit jemanden reden, Tobi“, gestand sie ihm. „Und du bist nach Tristan und Jan der Einzige, dem ich so ziemlich hundertprozentig vertraue.“

Tobias runzelte kurz die Augenbrauen, nickte aber. „Komm rein. Du kennst dich ja aus.“

Rowena war schon einmal hier gewesen. Damals war Jannik Cerný von den `Kriegern des Reinen Glaubens´ entführt und durch Dimítrios Kapodistrias gefoltert worden Tobias Kerner hatte im Schlaf eine Vision der Entführung und der ersten Folterungen gehabt und Tristan alarmiert. Daraufhin waren Tristan und Rowena sofort zu Tobias gefahren, hatten alles erfahren und sämtliche Vampire Berlins und Brandenburgs in Alarmbereitschaft gesetzt. Benjamin Goldstern war aus dem Ruhrpott dazu gestoßen und Adolar Cerný kam mit seiner jungen Frau Nicole und zwei Freunden, die dort gerade aus geschäftlichen Gründen im Lande waren, aus Tschechien angereist.

Rowena betrat die Wohnung des jungen Vampirs und sah sich um. Damals hatte sie aufgrund der Notlage keinen Blick für die Wohnung gehabt. Der Eingangsbereich war in einem mediterranen Stil gehalten, die Auslegeware hochwertig und flauschig. Rowena zog sich ihre Schuhe aus und folgte Tobias in das riesige Wohnzimmer, das von einer Sofalandschaft beherrscht wurde. Stuckarbeiten an den Decken der hohen Altbauwohnung waren farblich herausgearbeitet worden. Tobias hatte keine Schrankwand, sondern offene Regale mit Fernseher, Bücher, CDs und DVDs, sowie einige Accessoires.

„Dein Stil gefällt mir. Männlich sparsam und doch wohnlich.“

Tobias lachte leise. „Vielen Dank, Rona. Kann ich dir was anbieten?“

Rowena merkte, dass sie ein wenig Hunger hatte. „Hast du zufällig AB im Haus?“

„Ich sehe mal nach.“

Tobias verschwand und Rowena betrachtete die Bücher in Tobis Regal. Dort stand eine Fantasy-Reihe und sie nahm den ersten Band heraus.

>Thure reist zwischen der hiesigen Welt und Vilgard, einem Reich voller magischer Geschöpfe hin und her. <

Verblüfft starrte Rowena auf das Buch, suchte den Namen des Autors. >Thorben Wieland. Kenne ich nicht. <

„Ich war damals genauso überrascht, als ich das Buch entdeckt habe.“

Rowena starrte Tobias mit offenem Mund an. „Wie kann das sein?“

Tobias machte eine einladende Geste auf die Sofalandschaft und reichte Rowena ein Glas mit einer dickflüssigen, dunkelroten Flüssigkeit. Er selbst hatte ebenfalls ein Glas mit Blut in der Hand. „AB Negativ. Deine Lieblingssorte.“

Rowenas Augen gingen auf Halbmast. „Du bist ein Schatz, Tobi.“

Sie stellte das Buch wieder in das Regal, nahm ihm das Glas ab und setzte sich auf das Sofa. Dabei schlug sie die Beine unter, lümmelte sich in die weichen Kissen.

„Ich habe diesen Thorben Wieland mal besucht. Er hat keine Erinnerung mehr an mich, aber ich musste wissen, warum er etwas über Vilgard weiß.“

„Und?“ Rowena nippte an dem kühlen Lebenssaft.

„Er hat ein Cottage in der Nähe von Flensburg. Schon in vierter oder fünfter Generation Das Cottage ist um ein Tor herum gebaut worden. Von Generation zu Generation wird das Geheimnis bewahrt und weitergegeben. Wieland war schon öfter in Vilgard, schreibt seine Erlebnisse stark ausgeschmückt als Romane nieder und verkauft sie sehr erfolgreich. Ein Hoch auf die Fantasy-Leseratten der Welt!“

Rowena zog ihre Brauen hoch. „Hoffentlich nimmt niemand diese Geschichten für bare Münze.“

„Ja. Hoffentlich. Inzwischen ist er verstorben und seine Tochter hat wohl sein Erbe angetreten. Soviel ich weiß kennen Jan und Adolar diese Tochter. Und Addis Frau. Aber du bist nicht deswegen hier, nicht wahr?“ Tobias sah sie durchdringend über sein Glas hinweg an.

Rowena seufzte, nahm noch einen Schluck und sah Tobias unsicher an. „Hat Tris sich bei dir gemeldet?“

Verblüfft sah der junge Vampir die Frau an. „Das letzte Mal vor etwa einer Woche. Wieso?“

„Wir … hatten gestern einen furchtbaren Streit. So schlimm, wie noch nie in den letzten 600 Jahren. Er ist dann gegangen. Ich habe gehofft, er meldet sich bei dir.“

Sie rieb sich fahrig über die Stirn. An der Geste erkannte Tobias, dass die Situation richtig ernst war. „Erzähl mir alles, Rona. Von Anfang an.“

Rowena begann langsam und zögernd zu berichten, was sich zugetragen hatte. Sie ließ nichts aus, auch nicht, dass sie Tristan gestand ihm untreu gewesen zu sein.

„Das Ding ist einfach, dass ich es bisher nicht als Untreue empfunden habe, Tobi. Ich meine, ich liebe Tristan wirklich, auch heute noch. Es war doch nur Sex. Sex, der meine Spender locker machen sollte. Und er war immer einvernehmlich. Und ich dachte, dass er, wenn er auf dem Schlachtfeld war, sich ebenfalls vergnügte.“

Tobias ließ ein ungläubiges Schnauben hören. „Ihr habt nie darüber gesprochen, was der eine ohne den anderen gemacht hatte? Niemals?“

„Nein.“ Rowena ertappte sich dabei, dass sie kleinlaut klang. Das ärgerte sie etwas.

„Wow. Heutzutage findet das glatte Gegenteil statt.“

Irritiert sah sie in das grinsende Gesicht des Mannes. „Wie meinst du das?“

„Na ja, heute wird doch alles zerredet. Jedes Staubkorn wird ausdiskutiert. Das heißt nicht, dass ich euer Schweigen gutheiße. Das ist schon extrem, wie ihr beide euch verhalten habt. Und die Betonung liegt auf beide!“

„Du … verurteilst mich nicht?“, fragte sie vorsichtig.

„Gott bewahre!“ Tobias stellte sein leeres Glas auf dem Tisch. Er löste seinen Zopf und wuschelte kurz die verschwitzen Haare durch. „Rona, Tristan ist mein ältester und bester Freund. Er war der erste Vampir, der mir nach meiner Wandlung begegnet ist. Wir haben festgestellt, dass wir über einige Ecken tatsächlich miteinander verwandt sind. Er ist mir wichtig.

Und du bist mir auch wichtig. Ich habe mich dir gegenüber geöffnet, wie niemand anderem gegenüber. Du weißt Dinge, die nicht einmal Tristan weiß. Das liegt vielleicht auch an unserer gemeinsamen, wenn auch zeitlich getrennten Erfahrung in Vilgard. Du verurteilst mich auch nicht, nach allem, was ich getan habe. Und im Vergleich zu dem, was ich getan habe, ist euer Vergehen eher … missverständlich, nicht tödlich.“

Rowena musste kurz auflachen. „Du hast manchmal eine merkwürdige Sicht der Dinge, Tobi.“

Er grinste breit. „Danke.“

Rowena trank ihr Glas auch aus, stellte es neben das Glas von Tobias. „Kannst du in nächster Zeit bitte ein Auge auf Tris haben? Ich muss dringend nach Schottland und ich möchte nicht, dass er Trübsal bläst oder so.“

„Meinst du nicht, ihr solltet das Ganze klären?“

Sie druckste ein wenig herum. „Schon, aber nicht jetzt. Es ist noch zu früh, er ist noch sehr verletzt.“

„Ja. Tristan ist ein sehr stolzer Mann. Sehr ehrenhaft. Ein wahrer Ritter des Mittelalters.“

Rowena lachte kurz auf, dann fiel ihr etwas ein. „Sag mal, ihr beide seid doch seit etwa 150 Jahren fast immer zusammen gewesen, nicht wahr?“

„Ja. Vielleicht mal drei oder vier Jahre nicht. Warum?“

„Hat er jemals …?“ Sie schluckte, wusste nicht so Recht, wie sie es formulieren sollte. „Hat Tristan in der Zeit jemals mit einer anderen Frau geschlafen?“

Tobias sah der Frau überrascht ins Gesicht. Dann holte er sich seine Begegnung mit Tristan Kadian ins Gedächtnis, ging ihren gemeinsamen Weg der letzten 150 Jahre durch. Verblüfft fiel ihm die Kinnlade hinunter. „Nein! Obwohl ich immer gedacht hatte, er hätte. Ich habe nur am Anfang gesehen, wie er Frauen zwar becirct hatte, sich dann aber lediglich von ihnen nährte. Geschlafen hat er mit keiner von denen.“

„Verdammt.“ Sie rieb sich wieder über die Stirn. „Er liebt mich wirklich immer noch so intensiv.“

Er streichelte sanft über ihren Rücken. „Mach’ dir keine Vorwürfe. Irgendwann wird er auch über dich hinwegkommen. Und du über ihn. Und dann werdet ihr Freunde und lacht über den gestrigen Tag.“

Rowena sah in die ihr so vertrauten grünbraunen Augen und seufzte. Dann kuschelte sie sich in die Arme des Freundes und genoss einen Moment der Stille.

„Wie lange wirst du in Schottland bleiben?“

„Hhm. Das hängt davon ab, ob ich den Wilden finde und in welchem Zustand er ist.“

Tobias zuckte zusammen. „Den Wilden? Verstehe ich das richtig?“

Rowena rückte ein wenig von ihm ab und sah ihm fest in die Augen. „Tobi, was ich dir jetzt erzähle, weiß wirklich niemand. Nicht einmal Tristan. Kein einziger Vampir auf dieser Welt weiß davon. Kann ich auf deine Verschwiegenheit zählen?“

Die Ernsthaftigkeit, mit der Rowena zu ihm sprach, verursachte bei Tobias eine leichte Gänsehaut. „Selbstverständlich, Rowena. Du hast mein Wort.“

Das reichte ihr. Sie wusste, dass Tobias verschwiegen war und ein sehr verlässlicher Freund.

„Das wird eine lange Geschichte, Tobias. Du siehst eigentlich ziemlich müde und abgespannt aus, also wenn …“

„Nein, Rona. Alles ist in Ordnung. Mach´ dir mal um mich keine Sorgen.“

Rowena setzte sich in den Schneidersitz und nahm eines der Sofakissen, legte es auf ihre Knie und stützte sich leicht darauf.

„Ich bin im Jahr 63 vor Christi geboren. Im heutigen Schottland. Als Angehörige eines Piktenstammes. Die Pikten waren zu dieser Zeit ein Volk mit mehreren Gemeinschaften, aber ohne eine zentrale Macht, wenn du so willst. Mein Stamm lebte am Loch Oich. Damals hieß der See noch anders, aber die Topografie hat sich nicht sehr verändert.

Wie du weißt, wurde ich ausgewählt und zur Schamanin ausgebildet. Dann nach Vilgard geschickt und dort von Druiden weitergebildet.

Was du nicht weißt ist, dass ich, bevor ich Vampirin wurde, drei Kinder geboren habe.“

Tobias sah Rowena mit großen Augen an. „Drei Kinder? Wann? Was wurde aus ihnen?“

„Ich war 15, als mein ältester Sohn geboren wurde. Mit 18 bekam ich meine Tochter und mit 23 meinen zweiten Sohn. Die Lebenserwartungen waren damals nicht sehr hoch, das Durchschnittsalter lag bei etwa 40 Jahren. Also war es nur natürlich, dass man als Frau früh Kinder bekam.

Als ich aus Vilgard zurückkehrte kam ein Fremder in unser Dorf. Er lebte eine Zeitlang bei uns, beschützte uns, als wir zweimal von einem benachbarten Stamm angegriffen wurden. Er war ein Vampir. Sein Name war Leander. Er wanderte schon seit einigen Jahrhunderten durch das damalige Europa, kam ursprünglich aus Griechenland.

Wir freundeten uns an, verliebten uns. Ich hatte keine Angst vor ihm und das imponierte ihm offensichtlich. Als ich dreißig Jahre alt wurde sagte er, dass er bald weiterziehen werde. Aber er mochte mein Dorf, meinen Stamm und wollte uns nicht schutzlos zurücklassen. Ich schlug ihm vor mich zu wandeln, damit ich meinen Stamm beschützen konnte. Und er wandelte mich, nachdem wir den Segen der Ältesten eingeholt hatten. Nach der Wandlung blieb Leander noch etwa vier Monate bei uns, dann verschwand er. Ich habe ihn nie wiedergesehen.

Von da an beschützte ich meinen Stamm, mein Dorf bei jeder sich bietenden Gelegenheit Andere Stämme fielen über uns her, Römer, Skoten, Kelten, später die Engländer Ich vertrieb sie jedes Mal über Jahrhunderte hinweg.

Irgendwann erkannte ich aber, dass mein Stamm sich zu sehr auf mich verließ und ich begann, die Welt zu erforschen. Alle paar Jahrzehnte kehrte ich für eine Weile zurück, sah die Veränderungen, war stolz. Und das bin ich heute noch, Tobias.“

Rowena lächelte den jungen Vampir wehmütig an. „Meine Kinder haben Kinder bekommen, die dann auch Kinder bekommen haben. Ihre Nachfahren, meine Nachfahren, leben heute noch am Loch Oich in verschiedenen Dörfern und Gemeinden. Das ist meine Familie, mein Clan!“

Tobias keuchte etwas. „Das ist … unglaublich. Ich weiß ja durch Adolar und Jannik, dass manche Vampire ihre Nachkommen, die sie zur Zeit ihrer Sterblichkeit gezeugt haben, im Auge behalten. Aber wir reden jetzt hier über 2000 Jahre!“

„Ich weiß.“ Rowena lächelte warm und ihre violetten Augen schimmerten hell. „Ich bin vom Glück gesegnet. Weißt du jetzt, warum ich sage, dass unser Dasein nichts mit einem wie auch immer gearteten Fluch zu tun hat?“

Tobias nickte. „Und Tristan weiß von all dem nichts?“

„Doch. Bis dahin weiß er Bescheid. Aber er weiß nicht, dass etwa ein Dutzend der Anwohner des Loch Oich über meine Existenz Bescheid wissen. Unsere … Existenz“

Tobias starrte Rowena an. „Sterbliche?“

Sie nickte. „Ja. Sterbliche. Von Generation zu Generation wird es immer etwa ein Dutzend von ihnen geben. Früher habe ich, wenn ich durch Europa reiste, meinen Leuten immer eine Nachricht zukommen lassen, wo ich mich gerade aufhielt. Heute ist es einfacher. Telefon, Mails und so weiter. Und ich kann innerhalb weniger Tage, sogar Stunden da sein, wenn sie mich brauchen.“

Tobias schüttelte den Kopf. „Großer Schöpfer. Und es kam nie zu … Spannungen?“

Rowena lachte leise. „Nein. Ich bin für sie … eine Heilige, wenn du so willst. Eine Ikone. Sie nennen mich immer noch `Herrin´, obwohl ich das gar nicht will.“

Tobias stand auf und ging zu einem Regal, dass in einer Nische im Wohnzimmer stand. Dort standen einige Flaschen Whisky, Bourbon, Scotch und andere hochprozentige Alkoholika. „Willst du auch einen?“ er hielt eine Whiskyflasche hoch.

„Single Malt?“

„Selbstverständlich!“

„Dann gern.“

Nachdem Rowena ihr Glas entgegengenommen hatte und vorsichtig an dem teuren Tropfen genippt hatte, lehnte sie sich wieder entspannt zurück.

„Gestern, nachdem Tristan weg war, bekam ich einen Anruf. Brian, einer der ältesten Vertrauten zurzeit, unterrichtete mich von einem Toten. Allem Anschein nach hat ein Vampir dort zugeschlagen. Bestialisch.“

Tobias zog zischend die Luft zwischen den Zähnen ein. „Und du glaubst, dass das ein `Wilder´ war, wie du es nennst?“

„Ja. Entweder ein desorientierter und frisch gewandelter unserer Art oder ein Abtrünniger“

„Und du willst diesen Vampir suchen. Und wenn du ihn gefunden hast?“ Tobias sah ihr aufmerksam in die Augen.

Sie lächelte verständnisvoll. „Wenn er gewaltsam gewandelt worden ist und aus einem Nichtwissen heraus getötet hat, soll er eine Chance bekommen. Niemand von uns hat das Recht, jemanden zu verurteilen, wenn man ihn nicht angehört hat.“

Tobias nickte. „Ich hoffe, dass der Vampir nur desorientiert ist. Was tust du, wenn er mit Absicht getötet hat?“

Rowenas violette Augen verfärbten sich schwarz. „Dann tue ich, was getan werden muss, Tobias. So wie immer.“

Er bekam eine Gänsehaut, die sich vom Nacken über seine Wirbelsäule bis in die Kniekehlen ausbreitete. „Ich vergesse manchmal, wie mächtig du bist, Rona“, gestand er leise.

„Glaube mir, ich wünsche mir nichts sehnlicher, als das sich dieser Zwischenfall in Wohlgefallen auflöst. Aber ich weiß nicht, wie lange ich dafür brauche. Zu Stavros´ Vernissage bin ich aber wieder hier.“

Tobias runzelte die Stirn. „Und die Hochzeit von Jan und Helena? Du bist doch auch eingeladen!“

Rowena verzog ihr Gesicht. „Ich habe schon abgesagt. Ich gehe nicht mehr auf Hochzeiten, schon lange nicht mehr. Aber ich wünsche den beiden von Herzen alles Gute.“

Tobias seufzte. „Ich sehe schon. Es gibt viele Facetten deines Lebens, die kaum jemand kennt, die aber vermutlich extrem spannend sind.“

Jetzt grinste sie ihn frech an. „Was ist mit deinen Facetten, Tobi? Wer war die junge Frau vorhin?“

Er lief schlagartig hochrot an und geriet ins Stottern. „Das war Hanna. Ähm … Helenas Trauzeugin. Ich äh... bringe ihr das Tanzen bei. Tango. Hochzeitstanz. Du weißt schon. Tradition und so. Ich bin Janniks Trauzeuge und …“

Rowena lachte offen und herzlich, ihre Augen leuchteten hellviolett. „Du bist ja total verliebt!“

„Nein, bin ich nicht!“, nuschelte Tobias.

„Du kannst mich nicht beschwindeln, Tobi!“, ermahnte sie ihn leise.

Er sackte etwas zusammen. „Sie ist eine allein erziehende Mutter. Und Helenas beste Freundin. Ich mag sie. Punkt.“

Rowena spürte, wie der alte Widerstreit in dem jungen Vampir wieder hochkam. Sie lächelte verständnisvoll.

„Ich bin alles andere als ein Beziehungsexperte, Tobi. Aber ich bitte dich, eine mögliche Liebe nicht von der Hand zu weisen. Geh´ mit dem Herz ran, nicht mit dem Verstand. Auch du hast Glück mehr als verdient.“

Er lächelte gequält. „Vielleicht treffe ich ja mal eine nette Vampirin, die es mit mir eine Weile aushält.“

„Warum keine Sterbliche?“

Er kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.

„Gut. Belassen wir es dabei.“ Rowena streckte sich und stand auf. Tobias folgte ihr, brachte sie noch hinunter zur Haustür.

„Ich hätte dich gern nach Schottland begleitet, Rona“, sagte er, als er die schwere Tür aufschloss. „Aber die ganzen Hochzeitsvorbereitungen und so …“

„Ich weiß, Tobi. Ich wollte dich auch nicht fragen, ob du mitkommst. Ich wollte dich nur bitten, ein Auge auf Tris zu haben. Und ich wollte dich einweihen.“

Tobias nahm Rowena in seine Arme. „Ich danke dir, dass du mir vertraust. Versprich mir, dass du mich anrufst, wenn du Hilfe brauchst.“

Rowena stellte sich auf ihre Zehenspitzen und küsste ihn leicht auf die Wange. „Ich verspreche es dir, Tobias.“

Vampire in den Highlands

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