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Kapitel 5: Kommunikationsschwierigkeiten

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Rowena trank ihren Single Malt, schwatzte ausgelassen mit der Wirtin und Brian und flirtete ein wenig mit einigen Männern. Es ging ihr wieder richtig gut.

>Wahrscheinlich war das nur der Hunger vorhin. Da bin ich so alt und mache Anfängerfehler Ich habe einfach zu lange gewartet, bis ich mich nähre. Nicht noch einmal, Rowena! <

Plötzlich wurde es still im Pub. Rowena drehte sich zur Tür und sah ein junges Pärchen den Raum betreten. Die beiden passten so gut an diesem Ort wie ein Goldkettchen tragender Zuhälter mit Pomade im Haar in den Buckingham Palast.

Der Mann trug einen weißen Armani-Anzug und das schwarze Hemd war fast bis zum Bauchnabel offen. Auf der unbehaarten Brust blitzten zwei schwere Goldketten, an den Händen trug er goldene Ringe. Bei einem war sogar ein Diamant eingefasst. Obwohl es im Pub eher schummerig war nahm er seine teure Designer-Sonnenbrille nicht ab. Er hatte auf seinem glattrasierten Gesicht ein ekelhaftes Gewinnerlächeln.

Die Frau an seiner Seite sah aus, als wäre sie einem Katalog für Super-Models entsprungen Groß und schlank, beinahe magersüchtig. Die Brüste standen unnatürlich und ohne BH spitz nach vorn und der Ausschnitt ihres Tops betonte das auch noch. Ihre langen, glatten Haare waren blondiert, am Ansatz konnte man schon die ursprüngliche Farbe erkennen. Mausbraun. Die Augenbrauen waren komplett weg und mit einem Augenbrauenstift unnatürlich nach gemalt Die künstlichen Fingernägel waren in einem schreienden rot lackiert und überall hing teurer Schmuck.

Zu viel. Zu groß. Zu auffällig.

„Weniger ist mehr“, brummte ein männlicher Gast und schüttelte sich merklich. Dann grinste er zu Rowena und zwinkerte ihr zu. Rowena schmunzelte leicht, freute sich, dass ihr natürlicher, ungeschminkter Look offensichtlich besser ankam als der der Primadonna.

„Ein Bier, gute Frau“, brüllte Mr. Armani durch den Pub. „Und für mein Mäuschen einen Weißwein.“

Rowena drehte sich rasch um und schlug ihre Hand vor den Mund, um nicht laut loszubrüllen. >Mäuschen? <

Brian sah sie belustigt an. „Keine Sorge, Rowena. Du hast deutlich mehr Klasse, als das da!“, sagte er laut und deutlich.

Rowena kicherte. „Danke, Brian. Aber ich will mich gar nicht mit jemanden vergleichen Ich bin wie ich bin. Und bin damit sehr zufrieden.“

Neben Rowena stand ein weiterer Gast. Der Mann war etwa Mitte zwanzig, hatte braune Haare und braune Augen. Er beugte sich zu Rowena hinüber. „Wenn man die Frau in den Armen hält, fängt man sich nur Splitter ein, so knochig wie die ist. Du dagegen bist … einfach lecker.“

Rowena schenkte dem jungen Mann ein aufreizendes Lächeln. „Vielen Dank.“

Hoffnung schimmerte in den Augen des Mannes, aber Rowena zog ein bedauerndes Gesicht. „Ich weiß Komplimente sehr zu schätzen, mein Freund. Aber ich bin nicht zu haben. Tut mir leid.“

Der junge Mann seufzte. „Der Glückspilz. Hoffentlich weiß er das zu würdigen.“

Rowena widmete sich wieder ihrem Single Malt. Warum hatte sie das offensichtliche Interesse des jungen Mannes zurückgewiesen?

>Sex hat irgendwie seinen Reiz verloren! <, stellte sie erschüttert fest. Sie kippte ihren Whisky hinunter und drehte sich wieder zu dem Pärchen um, das jetzt an den Tresen getreten war. Vorsichtig tauchte sie in die Gedanken der beiden ein, konnte aber nur BlaBla und andere Oberflächlichkeiten feststellen. Also drang sie etwas tiefer in die Gedanken der Frau, doch da war nichts. Schlichtweg nichts. Hohlraum.

>Jetzt weiß ich, dass manche Vorurteile gegenüber schönen, aufgedonnerten Frauen absolut berechtigt sind! < Rowena verkniff sich ein gemeines Grinsen.

>Vielleicht sollte ich Barbra gegen die hier austauschen! <

Rowena empfing den Gedanken des Mannes und sah ihm direkt in die Augen. Kalt, berechnend und lieblos grinste er sie an. Dabei versuchte er charmant zu wirken.

>Eigentlich sollte mir die Frau leidtun<, dachte Rowena. >Aber sie wollte offensichtlich das Ganze. Nun muss sie auch die Konsequenzen tragen. <

Rowena wendete ihren Blick von dem Mann ab, bestellte sich noch einen Whisky. Dabei sondierte sie aber weiterhin die Gedanken des Mannes. Dieser Mann war jedoch nicht der gesuchte Vampir und stand auch in keiner Verbindung zu dem Täter. Er war einfach nur lästig.

„Ich wusste gar nicht, dass dieses Kaff eine Dorfschönheit hat.“

Rowena verschluckte sich beinahe an dem edlen Getränk, als Mr. Armani in ihr Ohr säuselte. Teures, aber aufdringliches Aftershave drang in ihre Nase.

>Ich ignoriere ihn besser. < Sie widmete sich ihrem Drink und setzte zu weiteren Gesprächen mit Brian an. Im Augenwinkel bemerkte sie den deutschen Touristen, der an einem der Tische saß und sie und die gesamte Situation zu beobachten schien. Sein Blick war nicht zu deuten und Rowena runzelte nachdenklich die Stirn.

„Ich rede mit dir. Du gefällst mir und ich erwarte, dass du mir zuhörst!“ Die Stimme von Mr. Armani war kalt und schneidend. Er war es gewohnt zu bekommen, was er wollte.

Rowena sah Brian kurz in die Augen und schüttelte unmerklich den Kopf. Dann stellte sie vorsichtig ihr Glas ab und drehte sich um.

„Wow. Du hast schöne Augen. Ich nehme dich mit nach London. An meiner Seite lernst du viele Leute kennen. Wichtige Leute. Was sagst du?“

Obwohl der Mann um einiges größer als Rowena war maß sie ihn von oben bis unten. Dann lächelte sie zuckersüß und ihr immer roter Kussmund öffnete sich verheißungsvoll. Sie sah, dass `Barbra´ sie misstrauisch, beinahe ängstlich ansah. Rowena beugte ihren Kopf zu Mr. Armani und sprach ganz leise.

„Du bist unter meinem Niveau, Kleiner. Weit darunter. Ganz weit. Nimm deine Barbie-Puppe und verschwinde von hier. Noch heute.“

Mr. Armani wurde krebsrot, seine Augen funkelten feindselig. „Ich kriege immer, was ich will!“

Rowena schüttelte den Kopf. „Mich nicht. Punkt 1: Du bist nicht mein Typ. Punkt 2: Du hast keinen Stil. Punkt 3: Du stinkst und Punkt 4 bist du ein Idiot.“

Da Rowena jetzt in normaler Lautstärke gesprochen hatte, hatte der ganze Pub ihre Aufzählung mitbekommen. Wutschnaubend griff Mr. Armani nach Rowena, hatte aber nicht mit den anderen männlichen Gästen des Pubs gerechnet. Bevor der neureiche Mann aus London Rowena auch nur berühren konnte hatte der junge Mann, der vorhin ein offenes Interesse an ihr gezeigt hatte, seinen Arm abgefangen und hielt ihn fest. Ein weiterer Gast umklammerte Mr. Armani von hinten und hielt ihn ebenfalls fest. Brian stellte sich zwischen Rowena und dem Mann. Die anderen männlichen Gäste stellten sich breitschultrig neben und hinter Rowena und funkelten den Mann böse an.

Erik Schubert saß nach wie vor an seinem Tisch, aber sein Körper stand unter Spannung und die blauen Augen funkelten etwas. Rowena ärgerte es plötzlich, dass der Mann nicht an ihre Seite sprang, obwohl es absolut unnötig gewesen wäre. Er beobachtete lediglich die Situation.

„Sie setzen sich jetzt besser in Ihr schickes Auto, packen Ihre schicke Frau mit hinein und fahren ohne Unterbrechung nach London zurück.“ Brian sprach leise, aber in seiner Stimme war ein schneidender Unterton zu vernehmen. Er duldete keinen Widerspruch. „Die Herren werden Sie zu Ihrem Auto begleiten. Ohne einen Kratzer, wenn Sie sich nicht wehren.“

Keuchend starrte Mr. Armani Brian an. „Das wird dir noch leidtun, Dorftrottel!“, zischte er.

Brian schüttelte den Kopf. „Nein. Glaub´ ich nicht. Gibt genug Zeugen, wenn mir was passieren sollte. Oder unserer Freundin hier. Fahren Sie einfach weg, vergessen Sie uns und genießen Ihr Leben in London.“ Er gab den beiden Männern, die Mr. Armani festhielten, ein Zeichen. Sie ließen ihn langsam los, waren aber jederzeit bereit, wieder einzugreifen.

Mr. Armani glättete seinen Anzug und die Haare. „Komm, Barbra. Wir gehen in die Zivilisation zurück!“

Einige Gäste ließen ein paar Unmutsäußerungen hören, johlten auch. Das war es dann aber auch schon. Mehrere Männer begleiteten den ungebetenen Gast und seine Freundin hinaus. Der warf Rowena noch einmal einen vernichtenden Blick zu, den sie mit einem zynischen Lächeln erwiderte.

„Danke, Leute!“, rief sie in die Runde, als die Tür sich geschlossen hatte. „Die nächste Runde geht auf mich!“

Ein begeistertes und zustimmendes Johlen war die Antwort und Molly hatte alle Hände voll zu tun. Nach einigen Minuten kamen die Männer wieder, die Mr. Armani und dessen Freundin zum Auto gebracht hatten zurück. Auch sie bekamen selbstverständlich einen Drink ihrer Wahl von Rowena und prosteten ihr zu.

Erik Schubert hatte sich lässig auf seinem Stuhl zurückgelehnt und trank sein Bier, beobachtete weiterhin Rowena.

Rowena tätschelte Brians Schulter. „Vielen Dank, Brian. Aber das wäre nicht nötig gewesen. Das weißt du auch.“

Der alte Mann lächelte sie sanft an. „Du beschützt uns. Wir beschützen dich. So ist das nun mal.“

>Sie kommen eigentlich ganz gut ohne mich zurecht. < Rowena fühlte sich plötzlich wieder müde und einsam, wobei letzteres kompletter Blödsinn war. Sie war schließlich von Freunden umgeben, von ihrer Familie.

>Mach dir nichts vor, Rowena! <

Sie schüttelte die finsteren Gedanken von sich. „Ich geh dann mal nach Hause. Wir sehen uns morgen.“

„Soll dich jemand begleiten?“, fragte Brian und stand auf.

Rowena lächelte den alten Mann liebevoll an. „Nein danke, Brian. Ich glaube, ich bin hier vollkommen sicher.“

Sie winkte der Wirtin noch einmal zu, verabschiedete sich von den anderen Gästen, die ihr zuprosteten und ging hinaus.

Der Wind war stärker geworden und die Temperaturen rapide gefallen. Rowena machte das nichts aus, denn als Vampir konnte sie extreme Temperaturschwankungen locker wegstecken. Trotzdem schlug sie den Kragen ihrer Jacke hoch und machte sich auf den Weg zu ihrem kleinen gemütlichen Häuschen.

„Eine Frau sollte in der Nacht nicht alleine gehen.“

Rowena drehte sich um und sah in zwei hellblaue, leicht spöttisch dreinschauende Augen. Sie verspürte Ärger, der langsam in ihr hochkroch. „Warum nicht?“

Der Deutsche hatte seine Hände in den Hosentaschen. Mit schief gelegtem Kopf studierte er sie regelrecht vom Scheitel bis zur Sohle. Dabei blieb sein Blick auf ihrem Busen eine Weile hängen. „Legen Sie es darauf an?“

Verdattert verzog sie ihr Gesicht. „Wie bitte?“ Dabei ärgerte es sie, dass der Mann sie so unverhohlen abmaß.

„Locken Sie absichtlich Männer an, machen denen Versprechungen und halten sie dann nicht?“

Rowena fiel die Kinnlade herunter. „Spinnen Sie? Sie kennen mich doch gar nicht! Wie kommen Sie darauf, ein solches Urteil über mich zu fällen?“

Erik Schubert zuckte mit den Schultern. Dann drehte er sich um und ging in die andere Richtung davon. Rowena stand noch einige Minuten da und starrte dem Mann hinterher, obwohl er schon längst verschwunden war.

„Ich glaube das jetzt nicht!“

Rowena starrte in das Feuer des offenen Kamins und grübelte. Sie hatte ihr Handy in der einen Hand und ein Glas Wein in der anderen. >Warum meldet er sich nicht? <

Es tat ihr weh, nichts von Tristan zu hören. Wie jedes Mal, wenn sie sich wieder trennten. Doch dieses Mal war der Bruch endgültig, das wusste sie.

>Aber es wäre schön, wenn wir Freunde bleiben könnten. <

Plötzlich gähnte sie. Verwundert sah sie auf den Wein.

>Nanu! Was ist denn jetzt mit mir los? Ich werde doch sonst nicht so schnell müde. <

Wenn Rowena ehrlich mit sich selbst war, war sie schon seit Tagen ständig müde und abgeschlagen. Und das war ein Zustand, der ihr seit Langem unbekannt war. Sicher, es gab Zeiten, da hatte sie sich öfter körperlich anstrengen müssen. Und als im Frühjahr Tristan schwer verletzt wurde und sie dann Tage später zusammen mit einigen anderen Vampiren Dimítrios Kapodistrias unschädlich gemacht hatten, war das auch eine Belastung.

Doch jetzt? Sie war ausgeruht, eigentlich ausgeglichen. Woher dann diese ständige Müdigkeit?

>Ich gehe besser ins Bett! <

Sie trank den Rest Wein aus, sicherte den Kamin und ging in ihr Schlafzimmer in das obere Stockwerk. Träge zog sie sich aus, ließ ihre Kleidung einfach zu Boden fallen. Nackt, wie sie immer schlief, krabbelte sie in ihr Bett und wickelte sich in ihre Zudecke.

Am nächsten Vormittag – es hatte zu regnen begonnen – wanderte Rowena durch die Highlands, versuchte einen Geruch aufzunehmen, eine Spur zu finden. Doch es war wie verhext. Es gab nicht einen Hinweis auf die Existenz eines anderen Vampirs.

>Wohl doch kein Neuling. Hat seine Spuren gut verwischt. Dann muss ich mich in Geduld üben und auf einen Zufallstreffer warten. Hoffentlich reißt er nicht wieder einen Menschen! <

Sie kam an eine alte Begräbnisstätte vorbei. Die inzwischen mit Gras zugewachsenen Erdhügel konnte man auf den ersten Blick für zufällige Erhebungen halten. Doch ein halbwegs kundiger Mensch erkannte, dass diese Hügel künstlich angelegt waren.

Diese Gräber waren um die 2000 Jahre alt, wie die Archäologen herausgefunden hatten. Man hatte ein einziges geöffnet, die Skelette mehrerer Männer, Frauen und Kinder gefunden. Sie waren mit einfachen Grabbeigaben bestattet worden, Gebrauchs­gegenstände des Alltags, der Jagd. Ein paar persönliche Dinge wie Kämme, Puppen aus Holz und Stroh, ein kunstvoll gewebter Gürtel.

Die Archäologen hatten herausgefunden, dass diese Menschen in einem Zeitraum von etwa einhundert Jahren gestorben und beerdigt worden waren. Die meisten Skelette wiesen keine Verletzungen auf, also waren diese Menschen vermutlich eines normalen Todes, an einer Krankheit oder Kindbett gestorben.

Rowena blieb am Rande der künstlichen Hügel stehen. Wehmütig gedachte sie der Toten, die sie kannte. Teilweise sogar eigenhändig beerdigt hatte. Die Gesichter und Stimmen, die im Laufe der Zeit in ihrer Erinnerung verblasst waren, traten urplötzlich mit einer solchen Klarheit vor ihr inneres Auge, dass sie aufstöhnte.

>Das ist nicht gut! < Rowena fröstelte, schlang die Arme um ihren Körper. >Gar nicht gut! <

„Sie sehen blass aus.“

Erschrocken wirbelte Rowena herum und blickte in hellblaue Augen.

>Himmel! Ich achte doch sonst auf meine Umgebung. Wie konnte ich so nachlässig sein? <

„Ich äh... war in Gedanken.“ Sie ärgerte sich sofort darüber, dass sie Erik Schubert einen kleinen Einblick in ihre Privatsphäre gegönnt hatte.

„Das erklärt, warum Sie eben erschrocken zusammengezuckt sind, nicht aber ihre Blässe.“ Mit einem ruhigen und zugleich forschenden Blick fixierte der deutsche Tourist Rowena.

„Sagen Sie mal, verfolgen Sie mich?“ Sie spürte, wie sich Wut in ihrem Magen sammelte und an die Oberfläche gelangen wollte.

Und Hunger!

Rowena hatte seit Tagen kein frisches, menschliches Blut mehr zu sich genommen und sie brauchte es dringend, da ihr Körper ein bestimmtes Enzym nicht selbst produzieren konnte. Und in Blutkonserven ging dieses Enzym merkwürdigerweise bald verloren. Nur in AB positiv und negativ blieb es erhalten. Doch das Problem war, dass diese Blutgruppe auf der Welt die seltenste war.

Und der Sterbliche vor ihr roch sehr einladend.

>Lieber sauge ich ein Schaf leer als diesen Blödian zu beißen! <

Erik Schubert legte seinen Kopf schief und lächelte spöttisch. „Nein. Tu ich nicht. Aber falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, Invergarry ist nicht besonders groß. Also ist die Wahrsch…“

Rowena knurrte, verdrehte die Augen und stapfte an den Deutschen vorbei. Sie hatte weder Lust noch den Nerv, mit diesem Mann zu diskutieren.

Er lachte leise. Ein trockenes, leicht triumphierendes Gelächter. Verwundert drehte sich Rowena um. Schubert grinste breit, hatte sein Gesicht auf den Boden gerichtet und die Augen geschlossen, während er lachte. Seine Schultern unter der Regenjacke, die bis zum Kinn geschlossen war, bebten verdächtig.

„Lachen Sie mich etwa aus?“ Rowena war völlig konsterniert.

„Allerdings. Sie sind immer noch sauer auf mich wegen der Abfuhr am ersten Abend, nicht wahr?“

Rowena schnappte nach Luft. „Sie bilden sich eine ganze Menge ein, Kollege!“, zischte sie und kniff die Augen zusammen.

„Kollege? Sie sind Schriftstellerin? Oder Journalistin?“

Verdattert klappte ihr Mund mehrmals auf und zu. >Verdammt, ist der schlagfertig! <

„Die Fischnummer steht Ihnen nicht, Missie!“

>Missie? <

„Haben Sie eben `Missie´ gesagt? Sind Sie noch zu retten?“

Erik Schubert lachte sie jetzt offen an. Dabei bildeten sich reizvolle Krähenfüße neben den Augen und er blickte sie beinahe schamlos an. Dann drehte er sich um und ging den Weg weiter in Richtung Invergarry.

Rowena starrte dem Mann noch einige Minuten hinterher, vernahm sein leises, spöttisches Lachen. Dann schaffte sie es, einen wütenden Laut von sich zu geben, drehte sich ebenfalls um und lief in die entgegengesetzte Richtung.

Ihr Handy klingelte.

>Hoffentlich ist es Tris! <

Hastig holte sie es aus ihrer Jackentasche, klappte die kleine Satellitenantenne aus. „Tristan?“

„Nein. Scott.“

Rowena biss sich auf die Unterlippe. Die Enttäuschung saß tief, aber sie riss sich schnell zusammen. „Entschuldige, Scott. Ich erwarte den Anruf eines Freundes. Gibt’s was Neues?“

„Ja. Leider.“

Rowena verdrehte die Augen. Scott war ein typischer Highlander, wortkarg und minimalistisch. „Was ist passiert?“, fragte sie ruhig.

„Es wurden letzte Nacht zwei Schafe gerissen.“

Rowena schluckte. Bären und Wölfe gab es nicht in Schottland, es sei denn, sie wären aus einem Zoo ausgebrochen. „Könnten es Füchse oder streunende Hunde gewesen sein?“

„Nein. Die Kadaver sind nahezu blutleer. Haben nur Bissstellen am Hals.“

Rowena schloss kurz die Augen. „Na ja. Ist zwar ein wirtschaftlicher Verlust für den Schäfer, aber wenigstens hat es dieses Mal keinen Menschen erwischt.“

„Sehe ich auch so. Willst du dir die Kadaver ansehen, bevor sie verbrannt werden?“

„Ja. Vielleicht erkenne ich die Signatur des Vampirs.“

Scott Palatin sagte Rowena, wo sie hinkommen müsste. Sie beendeten das Gespräch und Rowena steckte das Handy wieder ein. Dann machte sie sich auf den Weg zu der Weide, wo die Schafe gerissen worden waren.

Schon von Weitem sah sie den Geländewagen des Polizisten. Zwei mit grünen Plastikplanen bedeckten Körper lagen unmittelbar daneben. Rowenas scharfe Augen sahen, dass Scott im Inneren des Wagen Schutz vor dem inzwischen heftigen Regen gesucht hatte. Sie winkte ihm zu, als sie noch etwa 20 Meter entfernt war. Scott stieg aus und hatte einen großen Regenschirm in der Hand, den er aufspannte, während er ihr entgegenlief.

„Ist der Schäfer ein Eingeweihter?“, fragte Rowena, als sie unter dem Schirm stand.

„Nein. Ich habe ihm gesagt, dass in der Gegend zwei große streunende Hunde gesehen worden sind. Ich hoffe, dass ihm die Erklärung reicht.“ Der Polizist hielt den Schirm über Rowena, als sie sich niederkniete und die Plane zurückschlug.

Der Blutgeruch stieg ihr sofort in die Nase, ließ sie augenblicklich hungrig werden. Ihre Eckzähne verlängerten sich schlagartig und Rowena merkte, dass ihre optische Wahrnehmung sich ebenfalls veränderte. Eine Art Tunnelblick, sie fokussierte den Kadaver, die Bissstelle.

>Ruhig, Rona. Ganz ruhig<, ermahnte sie sich. Sie atmete ein paar Mal durch den Mund tief ein und aus und kämpfte gegen ihren Blutdurst an. Dann filterte sie den verlockenden Geruch einfach weg, blendete ihn aus und konzentrierte sich auf die anderen Gerüche, die von dem Kadaver ausgingen.

Rowena roch den strengen Eigengeruch des Schafes. Die Wolle. Die nicht gemolkene Milch, die langsam in dem Euter des toten Körpers versauerte. Sie roch den Hütehund und einen Sterblichen, offenbar den Schäfer. Sie beugte sich über die Bissstelle und schnupperte vorsichtig.

Da war etwas! Eine Note, ein Aroma, eine kleine Spur.

Sie nahm den Geruch ein wenig stärker in sich auf, presste wie ein Pferd beim Flehmen die Zunge gegen den Gaumen und hielt inne. Der Geruch breitete sich in ihr aus, sie nahm ihn auf, konservierte und speicherte ihn.

Es roch männlich, aber auch weich. Ein wenig nach Aprikosen, aber auch nach einem Gewürz, das sie schon einmal im Mittelmeerraum gerochen hatte. Sie kam nur nicht darauf, welches es sein könnte.

Da war noch etwas. Wie bei einem Wein hatte dieser Geruch etwas … Altes! Sehr Altes.

Rowena öffnete die Augen und holte durch den Mund wieder Luft.

„Alles in Ordnung?“ Scott Palatin klang ein wenig besorgt.

„Ja. Ich möchte noch den zweiten Kadaver sehen.“ Ihre Stimme klang rau.

Rowena wiederholte die Prozedur an dem zweiten toten Schaf und kam zu dem gleichen Ergebnis. Langsam stand sie auf. Die Hosenbeine der Jeans waren nass und mit Erde beschmutzt, aber das machte ihr nichts aus. Langsam drehte sie sich zu Scott um, der bei ihrem Anblick erschrocken zurückwich.

„Entschuldige, Herrin. Ich wollte n....“

Rowena winkte ab. Ihr war klar, dass ihre Augen tiefschwarz waren und die Eckzähne immer noch ein wenig aus ihrem Mund hervorlugten. „Ich muss mich entschuldigen, Scott. Ich wollte dich nicht erschrecken. Verzeih bitte.“

Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie merkte, wie ihr Adrenalinspiegel absank, die Zähne wieder einfuhren und die Augen sich veränderten.

„So besser?“, fragte sie vorsichtig und sah den Polizisten an.

„Ja, Herrin.“ Scotts Stimme klang deutlich erleichtert.

Genervt rollte Rowena mit den Augen. „Nenn´ mich nicht so, Scott. Ich heiße Rowena. Oder Rona. Alles andere will ich nicht hören. Wir leben im 21. Jahrhundert!“

Der große Mann wurde tatsächlich rot, dann nickte er stumm.

„Also, es ist definitiv ein Vampir und es ist nur einer. Ein Mann. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Geruch schon einmal wahrgenommen habe, aber es könnte sein.“

Scott sah ihr jetzt wieder gefasst in die Augen. „Wie gefährlich ist er?“

„Ich habe keine Ahnung“, gestand sie ihm. „Vielleicht reißt er sonst nur Tiere und Doghnaty war eine traurige Ausnahme. Ich werde aber weitersuchen. Das ist ein Versprechen.“

Vampire in den Highlands

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