Читать книгу Vampire in den Highlands - Heike Möller - Страница 9

Kapitel 6: Sonnenwende

Оглавление

In einigen Kilometern Entfernung vom Loch Oich am westlichen Ufer liegt eine große, fast ebene Wiese. Dort hatten die Bewohner der Ortschaften und die Bauern und Schäfer der Umgebung einen großen Scheiterhaufen errichtet, der bei Sonnenuntergang angezündet wurde.

Sonnenwendfeier.

Rowena liebte dieses alte Fest. Fast so sehr wie die Feierlichkeiten bei Beltane, das aber heute hier nicht mehr gefeiert wurde.

>Schade eigentlich. Aber die Zeit bleibt nicht stehen. Ich bin eben ein Relikt aus vergangener Zeit. <

Heute, bei der Sonnenwendfeier, saßen Jung und Alte, Männer und Frauen, Einheimische und Touristen beisammen. Sie erzählten sich alte Geschichten. Neue Geschichten. Sie sangen alte und neue Lieder, Volkslieder, moderne Lieder. Alte Lieder auf modern getrimmt und moderne Lieder in einem alten Gewand verpackt.

Einige Männer und Frauen hatten Musikinstrumente mitgebracht: Geigen, Gitarren, Flöten und eine keltische Harfe.

Rowena ließ ihren Blick prüfend über die Gesichter gleiten. Einige Leute kannte sie, mehr oder weniger gut. Brian Conelly war hier, dessen wettergegerbtes Gesicht von über 70 Jahren eines ereignisreichen und bewegten Lebens erzählte. Scott Palatin war mit seiner Frau gekommen, die beiden Kinder waren in der Obhut einer Nanny zu Hause geblieben.

Pfarrer Carmichael, der sich gerade mit einem der Schäfer unterhielt. Der Pfarrer nickte zwischendurch, wenn der Schäfer lebhaft mit den Armen bei seiner Erzählung fuchtelte, legte ihm gelegentlich beruhigend die Hand auf die Schulter.

Die korpulente Wirtin des Gasthofes, in dem Rowena beinahe jeden Abend ein paar Stunden verbrachte, lächelte der Vampirin freundlich zu. Rowena nickte grüßend, sah sich dann aber weiter um.

Ihr Blick blieb bei Erik Schubert hängen, der heute seinen Laptop mit einem Notizblock und Kugelschreiber eingetauscht hatte. Er hörte aufmerksam einem älteren Mann zu, der ihm irgendetwas erzählte. Zwischendurch machte sich der Deutsche Notizen, stellte einige Fragen. Einmal lachte Erik, auf seiner rechten Wange bildete sich dadurch ein tiefes Grübchen. Rowena ertappte sich, dass sie auf das Grübchen starrte. Sie empfand es als ungerecht, dass ein solcher Stinkstiefel, wie sie Erik Schubert inzwischen innerlich betitelte, ein solch interessantes Körpermerkmal hatte.

>Blödian! <, dachte sie und widmete sich wieder der Begutachtung der anderen Gäste.

>Rowena Mc Dougall. <

Erik Schubert holte tief Luft, starrte sie an. Die kleine Frau faszinierte ihn. Sie war unglaublich hübsch mit ihrem immer roten Kussmund in dem herzförmigen Gesicht und den langen, leicht gewellten honigblonden Haaren.

Und dann diese violette Augenfarbe!

>Ob sie mit dem Polizisten verwandt ist? Die Augenfarbe bei den beiden ist ja beinahe identisch. Und sie ist selten. <

Eriks Blick wanderte abwärts, blieb auf den üppigen Brüsten hängen. Rowena trug heute ein violettes T-Shirt, darüber eine weiße Strickjacke. Eine dunkelblaue Jeans mit umgeschlagenen Hosenbeinen verhüllte ihre kurzen, leicht stämmigen, aber wohlgeformten Beine nicht wirklich. Und der Po war eine Augenweide, voll und rund wie ein Apfel.

>Bestimmt auch so fest<, dachte Erik.

Seine Gedanken ärgerten ihn. >Finger weg, Schubert. Die Frau ist nichts für dich. Hör´ einmal auf deinen Verstand und nicht auf den Schwanz! <

Er konzentrierte sich wieder auf die Geschichten, die um ihn herum von den Leuten erzählt wurde.

Scott Palatin stellte Rowena seiner Frau vor. Die junge Mutter, eine hübsche, leicht rundliche Frau mit einigen Sommersprossen im Gesicht, sah Rowena misstrauisch an. Rowena konnte sich denken, warum das so war. Ihr Mann verbrachte schließlich in letzter Zeit viel Zeit mit ihr, der unbekannten Frau, die offensichtlich einen gewaltigen Einfluss in Invergarry und Umgebung hatte.

„Claire, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin“, sagte Rowena und lächelte die Frau herzlich an.

„Wofür?“ Claires braune Augen blickten die kleinwüchsige Blondine fragend an.

„Ihr Mann hilft mir in einigen Angelegenheiten und ich weiß, dass er Sie und die Kinder dafür etwas vernachlässigt. Das tut mir leid, Claire. Ehrlich. Ich hoffe, ich kann mich mal revanchieren.“

Claire ließ ihre Schultern entspannte sinken. „Oh! Ich ähm … ist schon gut, Miss Mc Dougall.“

„Rowena, bitte.“ Die Vampirin lächelte Claire gewinnbringend an. „Wussten Sie, dass Scott und ich über einige Ecken miteinander verwandt sind?“

Claire lächelte jetzt ebenfalls. „Ja. Er sagte mir, dass Sie wohl einen gemeinsamen Vorfahren hätten.“

Rowena nickte. „Ja. So ist es. Ich bin nur einige Kilometer von hier geboren und aufgewachsen. Loch Oich und die ganze Umgebung sind meine Heimat. Auch wenn ich jetzt in Deutschland, in Berlin lebe.“

Claire wurde neugierig, Scott lächelte erleichtert. Offensichtlich hatte seine Frau ihm in letzter Zeit Fragen gestellt, die er nicht beantworten konnte. „Was machen Sie in Berlin?“

„Ich habe eine kleine Galerie. Ich verkaufe Bilder und Skulpturen unbekannter Künstler. Im Oktober habe ich eine Vernissage. Der Bruder einer Freundin, ein griechisch stämmiger Deutscher, veröffentlicht zum ersten Mal seine Arbeiten. Und ich finde sie großartig, fördere ihn ein wenig. Mit etwas Glück werden die richtigen Leute auf ihn aufmerksam.“

Rowena drang, während sie sprach, sanft in die Gedanken von Claire und Scott Palatin ein. Sie entdeckte die Eifersucht von Claire ihr gegenüber, die sich allmählich aber legte. Scott hatte ausschließlich positive Gedanken, was seine Frau betraf. Sie waren erfüllt mit Liebe, Zärtlichkeit und Wärme. Vertrauen.

Aber Scott machte sich auch Gedanken wegen des ermordeten Touristen und der gerissenen Schafe. Inzwischen waren noch drei weitere Tiere gerissen worden, an weit auseinanderliegenden Punkten. Und er machte sich Gedanken darüber, ob er seine Frau und die Kinder für eine gewisse Zeit nach Edinburgh zu ihren Eltern schicken sollte.

>Ich muss mich beeilen und diesen Vampir finden! < Rowena seufzte innerlich.

„Ist Deutschland denn ein schönes Land?“, wollte Claire wissen.

„Oh ja. Deutschland ist ein sehr vielfältiges und vielgesichtiges Land. Keine Großstadt gleicht der anderen, und die einzelnen Regionen und Landschaften sind sehr reizvoll. Einige Landschaften sind beinahe so schön wie unsere Highlands. Aber eben nur beinahe.“

„Hast du nicht dann öfter Heimweh?“, fragte Scott.

„Manchmal. Aber ich kann ja herkommen, wann immer ich will. Ich bin inzwischen überall irgendwie zu Hause, Scott. Aber hier sind meine Wurzeln. Und das vergesse ich nicht.“

Scott lächelte die kleine Frau an. „Das sind die Worte einer wahren Schottin.“

Rowena grinste die beiden an, verabschiedete sich und ging weiter. Inzwischen hatten Musiker angefangen, ihre Instrumente zu spielen und Gesänge erklangen. Lieder wie „Maids when you´re young“, „Loch Lomond“ und „Dumbarton´s Drum“ hallten durch die Nacht. Als dann die Weise „Auld Lang Syne“ gesungen wurde, stimmten auch viele Gäste und Touristen ein, denn dieses Lied ist auf der ganzen Welt bekannt. Kaum einer weiß, dass es ein schottisches Volkslied ist.

Auch Rowena sang mit. Sie fühlte sich leicht, befreit. Ihre Lebensfreude kehrte zurück, etwas, dass in den letzten Wochen abhanden gekommen zu sein schien. Seit zwei Tagen hatte sie kaum noch an Tristan gedacht, ihn kaum vermisst. Und in diesem Moment traten all ihre Probleme in den Hintergrund.

Ihr Unterbewusstsein reagierte und Rowena begann rhythmisch im Takt mitzu­klatschen, ihr Fuß wippte.

Erik Schubert unterhielt sich schon längst nicht mehr mit den Einheimischen, sondern beobachtete Rowena mit brennenden Augen. Sein Körper lieferte sich ein Duell mit seinem Verstand. Der Körper fühlte sich zu Rowena hingezogen, wollte sie in die Arme nehmen, sie besitzen. Aber sein Verstand ging auf Abwehrposition.

Er schwitzte, atmete heftig. >Ich brauche ´ne kalte Dusche! < Er beschloss, so schnell wie möglich in sein Zimmer in der Pension zurückzukehren und den Abend mit Fernsehen ausklingen zu lassen.

„Sie ist schon eine Augenweide, nicht wahr?“

Erik sah den Mann, der sich neben ihn in das karge Gras gesetzt hatte, träge an. „Wie bitte?“

„Rowena Mc Dougall. Jedenfalls nennt sie sich heute so.“ Blassblaue Augen sahen den Deutschen merkwürdig an.

Erik runzelte die Stirn. „Wie meinen Sie das?“

Der Mann lächelte leicht. Dunkelbraunes Haar hing ihm halblang und in leichten Wellen auf den Schultern. Sein Gesicht war sehr schmal, die Wangenknochen ungewöhnlich hoch.

„Manches ist nicht so, wie es scheint, Herr Schubert.“

Erik sog zischend die Luft ein. Der Mann kannte nicht nur seinen Namen, er redete auch Deutsch mit ihm. „Hören Sie, Mister. Ich weiß nicht, was Sie …“

„Was ich von Ihnen will?“, unterbrach der Fremde Erik. „Eigentlich nichts. Jedenfalls nicht im Moment. Ich bin nur neugierig, auf was für Männer Rowena heutzutage steht. So sagt man doch, nicht wahr?“

Erik schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, worauf Sie hinaus wollen. Aber ich denke, dass Sie das nichts angeht.“

Der Fremde lachte heiser auf, legte seine Hand auf Eriks Schulter. „Doch. Es geht mich was an. Sie wollen sie, habe ich Recht?“

Die vertrauliche Geste war zu viel für Erik. Er schüttelte die Hand mit einem Knurren ab, fletschte sogar ein wenig die Zähne.

Der fremde Mann sah Erik erst verblüfft, dann erfreut an. „Das kann interessant werden, Schubert.“

Erik sprang auf. „Das reicht jetzt. Lassen Sie mich in Ruhe, Freak!“, zischte er.

Der fremde Mann stand ebenfalls auf, langsam. Als er vor Erik stand überragte er den Deutschen um einen ganzen Kopf. „Merkwürdig. Rowena hatte bisher nur große Männer. Was ist an Ihnen so Besonders?“

Erik hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, dem Mann vor ihm die Faust ins Gesicht zu rammen. Er ballte die Hand, nahm die Schulter ein wenig zurück. Dann blinzelte er.

>Was …? <

Erik stand da, einfach nur da und sah, wie Männer und Frauen in einem uralten Reigen um den großen Scheiterhaufen herum tanzten. Rowena Mc Dougall war unter ihnen.

Brian Conelly, der mit einigen Damen aus Invergarry ausgelassen getanzt hatte, ging jetzt lachend auf Rowena zu, griff ihre Hand und zog sie mit. Rowena lachte albern auf.

Die Geige wurde jetzt schnell gespielt und der Sänger mit der Gitarre heizte sein Publikum immer mehr an. Das große Feuer in der Mitte wurde von den Tänzern in zwei Kreisen umrundet. Die Männer tanzten rechts herum, die Frauen linksherum. Man reichte sich lachend und johlend die Hände, reichte den Partner im Reigen tanzend an den nächsten weiter. So ging es Runde um Runde und Rowena fühlte sich so wohl wie schon seit Jahren nicht mehr.

Vergessen war ihr Kummer wegen Tristan, ihre Sorgen wegen dem wilden Vampir.

Erik starrte Rowena mit offenem Mund an. Die blonden langen Haare flogen und wippten aufreizend um ihren Kopf und die Schultern. Die Augen, ohnehin mit dem ungewöhnlichen violetten Farbton gesegnet, leuchteten jetzt wie heller Flieder im Frühjahr bei der Blüte, kurz nach einem milden Regenschauer. Die roten Lippen, für die sie keinen Lippenstift benötigte, waren leicht geöffnet, die Wangen gerötet.

Ihre Beine wurden plötzlich buchstäblich weggezogen. Mit einem erschrockenen Aufschrei verlor sie die Balance, geriet ins Straucheln und kippte nach außen weg. Sie ruderte mit den Armen, um wieder ihr Gleichgewicht zu finden, aber sie bekam einen heftigen Stoß in den Rücken.

Erik sah, wie Rowena stolperte, aus dem Gleichgewicht kam und verzweifelt versuchte nicht hinzufallen. Sie stolperte genau in seine Richtung. Er überlegte nicht, handelte nur. Mit einem Satz war er bei ihr, fing sie auf. Durch die Wucht wurde er jedoch nach hinten gerissen, fiel auf seinen Rücken. Dabei hatte er seine Arme schützend um den Körper der kleinen Frau gelegt, sodass sie nicht nur mit ihm fiel, sondern auch weich und sicher auf seiner Brust lag.

„Uff!“, entfuhr es Erik, als er auf dem Rücken landete. Die Frau in seinem Armen war nicht schwer, trotzdem hatte er das Gefühl, das ihm die Luft abgequetscht wurde, als sein Rücken den Boden unsanft berührte.

„Ach herrje! Sind Sie verletzt?“ Rowena merkte nur, dass sie jemand in den Armen hielt, ihren Sturz abgefangen hatte. Sie stützte sich vorsichtig auf der Brust des unbekannten Retters ab und hob den Kopf. Zwei hellblaue Augen blinzelten sie an. Eriks relativ kurze, aber starke Arme hielten sie fest, eine Hand auf dem Rücken, die andere auf ihrem Po. Ihre Hände ertasteten Muskeln unter fester Haut unter dem weißen T-Shirt, dass der Deutsche trug.

„Hoppla“, sagte er leise und starrte sie an. Von seinen Schläfen aus bildeten sich rote Flecken, die an seinen Ohren entlang abwärts bis über den Hals liefen.

Rowena vergaß einen Moment lang zu atmen, zu denken.

>Fühlt sich irgendwie gut an! <, schoss es ihr durch den Kopf. Dann riss sie sich zusammen. „Danke. Aber ich glaube, Sie können mich wieder loslassen.“

Zu ihrer Verwunderung schüttelte Erik den Kopf, nur ein wenig. „Geht nicht.“

Rowena schnappte nach Luft, dann zogen sich Ihre Augenbrauen zusammen. „Sind Sie verletzt?“

„Nein.“ Seine Stimme war rau.

Rowena schluckte. Der Blick, mit dem Erik sie ansah, ließ sie hektischer Atmen. >Verdammt, Rona! Du bist doch kein Backfisch mehr! <

„Ich möchte aber, dass Sie mich loslassen“, beharrte sie.

Wieder schüttelte er den Kopf. „Geht nicht.“

Rowena presste die Lippen zusammen. Verärgert verlagerte sie ihr Gewicht, wollte sich hochstemmen. Ihr Bein rutschte ein wenig zur Seite und streifte Eriks Hüfte. Er gab einen zischenden Laut von sich und seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen hinter der leicht schief sitzenden Brille.

Rowena brauchte einen Moment um zu verstehen, was sie gerade entdeckt hatte. Ihr Oberschenkel traf auf etwas Längliches. Hartes. Sie schluckte, ihre Augen wurden unnatürlich groß. „Oh!“, hauchte sie und starrte in die hellblauen Augen.

„Ich sagte ja, es geht nicht“, knurrte er leise. Seine Hand auf ihrem Po griff fester zu, drückte sie noch dichter an sich.

„Aber … Sie können mich nicht leiden!“, warf sie flüsternd ein.

„Sagen Sie das mal meinem Anhängsel.“ Die andere Hand des Mannes wanderte Rowenas Rücken hinauf, erreichte ihren Nacken. Auffordernd massierten zwei Finger ihre Halswirbel.

Ihr Blick glitt auf den leicht geöffneten Mund des Mannes. Sein Atem kam stoßweise, ihr Atem passte sich seinem an.

>Nein! <

Rowena kramte den Rest Verstand, den sie noch hatte, zusammen und holte durch die Nase tief Luft.

Und erstarrte.

Aprikosenduft strömte ihr entgegen.

Von Schuberts Schulter.

„Verflucht!“, zischte sie und grub ihre Nase an die Schulter. Ein Hauch von Lavendel hing noch mit darunter. Und Süßholz.

„Holla! Langsam, Mädchen.“ Erik war überrascht, aber irgendwie gefiel ihm die Initiative Doch dann irritierte es ihn, dass sie an seiner Schulter schnupperte.

„Mit wem haben Sie sich gerade unterhalten?“, fragte Rowena auf Deutsch.

Erik sah sie verdutzt an. Nicht nur, weil sie auf Deutsch mit ihm sprach, sondern weil Rowena eine Frage stellte, die ihn schlichtweg ernüchterte. „Ähm …. Ich verstehe nicht ganz.“

„Sie haben sich vor wenigen Minuten mit jemanden unterhalten. Er hat Sie an der Schulter berührt. Wer war das?“

Verärgert runzelte Erik die Stirn. „Ich weiß nicht, was Sie das angeht, aber …“

„Verdammt, Erik! Das ist ernst. Antworten Sie mir bitte!“ Sie sprach leise, doch ihre Stimme vibrierte vor Anspannung.

>Ihre violetten Augen haben sich verdunkelt. Seltsam. < Erik holte tief Luft.

„Ein Mann setzte sich neben mich. Wir haben uns unterhalten. Es wurde mir … zu persönlich und ich stand auf, ging von ihm weg.“

„Wie sah er aus?“ Rowena versuchte, sanft in Eriks Gedanken zu gelangen, aber irgendetwas blockierte sie. Ein Teil der Blockade kam von Erik selbst. Er hatte einen unglaublich starken Willen und sein Unterbewusstsein schützte ihn. Aber da war noch etwas Anderes.

>Der andere Vampir hat eine Barriere in seine Erinnerung gepflanzt! <, stellte Rowena fest.

Erik versuchte sich an das Gesicht des Mannes zu erinnern. An die Haarfarbe, die Augen, der Klang der Stimme, die Kleidung.

„Ich … ich kann mich nicht erinnern“, flüsterte er geschockt und wurde käseweiß.

Rowena tätschelte Erik die Schulter. „Schon in Ordnung, Erik. Nicht weiter schlimm.“ Sie rutschte vorsichtig von ihm runter, stand umständlich auf.

>Vielleicht sollte ich ein wenig Sport in Zukunft machen. Ich bin so ungelenk! <

„Warum kann ich mich nicht erinnern, Mc Dougall?“

Verwundert sah Rowena Erik an. Seine Stimme klang wütend, misstrauisch. Eigentlich hätte sie Angst oder Verunsicherung erwartet. „Wissen Sie vielleicht noch, worüber Sie gesprochen haben?“, fragte sie, um ihn abzulenken.

Erik setzte sich auf, zog ein Bein an. „Ja. Das weiß ich noch. Warum kann ich mich nicht an sein Gesicht erinnern?“ Seine Stimme war jetzt hart und die Augen funkelten so wütend, wie seine Stimme klang.

„Vielleicht … hat er Ihnen irgendetwas gegeben.“ Etwas Besseres fiel Rowena jetzt nicht ein. „Eine Art … bewusstseinsverändernde Droge.“

„Ach. Und wie?“ Sein Blick und seine Stimme sagten ihr deutlich, dass er nicht daran glaubte.

„Keine Ahnung, Schubert!“, fauchte sie. Sie hatte genug von seinen Anfeindungen, denn schließlich konnte sie nichts für den Gedächtnisverlust. „Beantworten Sie meine Frage. Worum ging es bei dem Gespräch?“

Ein spöttisches Lächeln umspielte Eriks Lippen, eine Augenbraue zuckte fast unmerklich „War der Mann Ihr Liebhaber?“

Rowenas Augen wurden zuerst riesengroß, dann zu schmalen Schlitzen. „Sie impertinenter Sack!“

Erik sah sie verblüfft an, dann verzog sich sein Gesicht und er begann zu Lachen. Erst nur ganz leise, doch dann hielt er sich nicht mehr zurück und lachte offen heraus. Dabei blinzelte er immer wieder zu Rowena hoch.

Rowena stand da und wusste nicht, was passiert war. Es war eine Ewigkeit her, dass es jemand gewagt hatte sie auszulachen. Und dieser Mann hatte hinterher mit hohem Blutverlust und geschwollenen Genitalien zu tun gehabt. Dieser Mann hatte sie nicht nur als Flittchen beleidigt, sondern in einem Anfall von Größenwahn versucht, sie zu vergewaltigen, ihre Abwehrversuche nicht ernst genommen und sie deswegen ausgelacht. Danach hatte der Mann nie wieder eine Frau gegen ihren Willen genommen.

Doch Erik Schuberts Lachanfall hatte andere Gründe.

„Verraten Sie mir, warum Sie mich auslachen?“, fragte sie wütend. Ihre Augen blitzten dunkel auf und sie knurrte.

Erik grinste breit und das Grübchen bildete sich auf der linken Wange. „Das wurmt Sie. Interessant.“

Rowena glotzte auf eine Lücke zwischen den mittleren Schneidezähnen im Oberkiefer

„Alles in Ordnung, Rowena?“ Brians sanfte Stimme riss sie in die Realität zurück. Er hatte mitbekommen, wie Rowena gefallen war und von dem Deutschen aufgefangen worden war. Am Anfang sah es so aus, als ob es den beiden nicht unbedingt unangenehm wäre, doch jetzt gifteten sich Rowena und Erik Schubert an. Das war offensichtlich.

„Ja, Brian“, würgte Rowena hervor. „Alles Bestens.“

Sie ging vor Erik in die Hocke und sah ihm fest in die Augen. Der Mann hielt überrascht die Luft an, die Augen wurden wieder zu schmalen Schlitzen.

„Ein kleiner Tipp, Herr Schubert.“ Rowena wählte absichtlich die distanzierte deutsche Form der Anrede, betonte das `Herr´ sogar überdeutlich. „Wenn Sie an Ihrem Leben hängen, verlassen Sie Invergarry. Schottland. Die Britischen Inseln. Kehren Sie nach Deutschland zurück und vergessen Sie diesen Ort.“

Eriks Lippen waren zwei schmale Striche. „Nennen Sie mir einen triftigen Grund.“

Rowena fletschte ihre Zähne ein wenig, achtete dabei aber darauf, dass die Eckzähne normal blieben. Ihre Augen hingegen waren jetzt von einem dunklen Violett, beinahe Schwarz.

„Wenn es hart auf hart kommt, Schubert, wenn ich mich zwischen dem Leben meiner Leute und Ihrem entscheiden muss, wähle ich meine Leute.“

Sie hatte erwartet, dass der Deutsche zumindest blass werden würde oder sich sein Pulsschlag änderte. Doch nichts dergleichen geschah. Er sah nur einige Sekunden auf ihren Mund, dann in die dunklen Augen.

„Ich lasse es darauf ankommen, Missie“, raunte er.

Rowena verstand es nicht. Wieder versuchte sie in seinen Geist einzutauchen, fand aber nur Barrieren. Sie erhöhte den Druck auf die Barrieren, versuchte sich den Einlass zu erzwingen.

„Lassen Sie das!“, zischte Erik und zog seinen Kopf ein wenig zurück. Dabei fletschte er seine Zähne und die Augen sendeten hellblaue Blitze nach ihr aus. Blitze aus Wut und Misstrauen.

Rowena erstarrte wieder einmal. Der Deutsche hatte gemerkt, was sie vorhatte, dass sie in seinen Geist eindringen wollte. Aber wie hatte er es gemerkt? Kein normaler Sterblicher würde es merken. Mehr noch, er hatte ihr quasi eine mentale Ohrfeige verpasst, indem sie von ihm einen Impuls empfing, der bei ihr einen kleinen stechenden Schmerz in der Stirn verursachte. Schwer atmend stand sie auf, fasste sich wieder. Trotzig schob sie ihr Kinn nach vorn. „Gehen Sie mir einfach aus dem Weg!“, fauchte sie.

Rowena drehte sich um und ging davon, verließ den Festplatz.

Brian sah der Vampirin grübelnd nach. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den deutschen Touristen. Erik Schubert sah Rowena ebenfalls nach, allerdings mit einer Mischung verschiedener Gefühle, die sich auf seinem Gesicht widerspiegelten.

Wut.

Misstrauen.

Verletzlichkeit.

Begehren und Leidenschaft.

>Dich behalte ich im Auge, Germany! <, dachte Brian und wendete sich wieder dem bunten Treiben um das große Feuer zu.

Vampire in den Highlands

Подняться наверх