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Kapitel 4: Spurensuche

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Scott Palatin begrüßte Rowena herzlich, aber auch respektvoll. Er hatte blonde Haare mit einem rötlichen Schimmer und einen blonden Schnurrbart. Rowena schätzte ihn auf höchstens Mitte 30, aber er wirkte auf dem ersten Blick älter. Seine Augen schimmerten violett. Er war ein direkter Nachfahre von ihr.

„Es ist schön, dich endlich persönlich kennen zu lernen, Herrin.“ Sein Händedruck war warm und fest.

„Bitte, Scott. Nenn mich nicht Herrin. Traditionen sind ja gut und schön, aber auch ich muss mit der Zeit gehen.“

Scott Palatin hatte seine Uniform an, das Funkgerät schnarrte. Die Mütze hatte er unter seinen Arm geklemmt. Er überragte Rowena um mindestens zwanzig Zentimeter und er hatte einen weichen Gang. An dem Ringfinger der linken Hand blitzte ein goldener Ring.

„Brian sagte, dass du den Tatort sehen möchtest.“

„Ja. Ich muss mir ein Bild machen. Alles deutet auf einen verwirrten Bruder hin. Aber es kann auch ein aus einer Irrenanstalt entlaufener Patient sein. Ich will mich einfach absichern.“ Rowena blinzelte zu dem Polizisten hoch.

„Komm. Wir nehmen meinen Wagen.“

Sie gingen auf einen geländegängigen Polizeiwagen zu. Respektvoll öffnete Scott Rowena die Beifahrertür, ließ sie einsteigen. Dann setzte er sich seine Mütze auf, setzte sich hinters Lenkrad und fuhr los.

Rowena hatte ihre Sonnenbrille aufgesetzt. Kurz sah sie aus dem Fenster und entdeckte einen Mann mit kurz geschorenen Haaren und Brille, der ihr nachdenklich nachsah.

„Was weißt du über diesen deutschen Touristen?“, fragte sie und sah in den Außenspiegel Der Mann drehte sich gerade um und ging die Straße hinunter.

„Nicht viel. Er heißt Erik Schubert. Kommt aus der deutschen Stadt Berlin. Bezirk Spandau, wenn dir das was sagt.“

„Ja. Tut es. Weiter.“

„Er ist freier Journalist und Schriftsteller. Das ist das, was ich herausfinden konnte. Aber was er hier will, weiß ich nicht. Er sucht kaum Kontakt, bleibt immer für sich. Ständig durchforstet er die Stadtarchive und die Kirchenbücher, fährt auf seinem Motorrad durch die Gegend, wandert herum.“

Rowena runzelte nachdenklich die Stirn. „Als ob er etwas sucht. Ich befasse mich vielleicht noch mit ihm.“

Scott nickte nur. „Wir haben eine Warnung an die Touristen und die Bevölkerung herausgegeben. Schließlich war der gewaltsame Tod eines Menschen nichts, was man in einer Gegend wie dieser geheim halten könnte.“

Rowena schnaubte freudlos. „Wohl kaum. Wie habt ihr die Warnung gestaltet?“

„Tourist von Unbekanntem erstochen. Solange der Täter auf freiem Fuß ist bitten wir die Bevölkerung und die Touristen sowohl um Vorsicht als auch um Mithilfe. Jede noch so außergewöhnliche Begebenheit ist sofort zu melden und wird ernsthaft behandelt“ Ein bitteres Lächeln lag um Scotts Mundwinkel.

„Wohnt deine Familie in Invergarry oder außerhalb?“

„In Fort Augustus. Claire fühlt sich in der Stadt einfach wohler. Und für die Kinder ist es näher zur Schule. Ich habe ihnen strikte Anweisung gegeben, nur noch mindestens zu zweit unterwegs zu sein und keine Umwege zu gehen.“

Rowena spürte die Sorge des Mannes um seine Familie. Sie brauchte nicht einmal in seine Gedanken zu schlüpfen. „Ist die Leiche noch hier?“

„Nein. Die Exfrau hat auf die Überführung nach Glasgow bestanden, damit sie ihn beerdigen können. Unser Bestatter hat ihn weitestgehend wiederhergerichtet. Es war scheußlich.“

„Ich habe die Fotos gesehen. Glaube mir bitte, dass wir so etwas verabscheuen und verurteilen.“

Scott Palatin lächelte seine Urahnin von der Seite her an. „Das weiß ich doch. Niemand hier macht dir einen Vorwurf. Wir wissen, dass Vampire Gesetze haben und sich nach ihnen richten. Aber wie bei uns Sterblichen gibt es eben auch bei euch schwarze Schafe, nicht wahr?“

„Ay!“

Sie fuhren einen breiten Schotterweg entlang, einen Hügel hinauf und wieder hinunter Dann den nächsten Hügel und so weiter. Irgendwann verließen sie die regulären Wege und fuhren querfeldein über steinige Hänge und spröde Wiesen.

In einiger Entfernung sah Rowena das Absperrband der Polizei im Wind flattern. In etwa hundert Metern Abstand hielt Scott, legte seine Mütze auf das Armaturenbrett und stieg aus. Rowena folgte ihm, sah sich dabei ausgiebig um. Sie ließ ihren scharfen Blick über die Berghänge wandern, fixierte hier und da einen Felsspalt, eine Gesteinsformation, einen Schatten. Aber sie konnte nichts Ungewöhnliches erkennen.

„Hier, Rowena.“ Scott hielt das Absperrband hoch und sie ging geschmeidig unter durch.

Fels und loses Geröll bildeten den hauptsächlichen Untergrund, durchsetzt mit einigen Grasnaben. In einem Radius von etwa fünf Metern waren Blutflecke und Blutspritzer zu erkennen, die schon getrocknet und in den Untergrund gesickert waren. Rowena roch das Blut, diesen typischen Kupfergeruch, der sich auch auf ihrer Zunge als Nachgeschmack legte.

„Bleib´ bitte hier, Scott“, sagte sie leise ohne sich umzudrehen. Der Polizist verstand und blieb außerhalb des Bandes.

Rowena ging in das Zentrum der Blutlache, richtete ihre Augen auf den dunkel gefärbten Boden. Ihre Augen wurden schwarz, sogar das Weiß verschwand. Sie fuhr ihre Fänge aus, nicht nur die Eckzähne, sondern auch die beiden Schneidezähne direkt daneben. Dann hockte sie sich hin und presste ihre Hände auf das getrocknete Blut.

>Mutter Erde, zeige mir, was geschehen ist! <

Sie schloss die Augen, atmete tief durch die Nase ein und nahm so die Gerüche dieses Ortes tief in sich auf. Das wiederholte sie mehrmals, während ihre Finger sich in die Erde, in das Gestein gruben. Sie konzentrierte sich auf die Konsistenz des Bodens, auf dessen Beschaffenheit, die Zusammensetzung.

Fühlte das träge Leben, das jedem Boden der Welt innewohnte.

Den Herzschlag der Großen Mutter.

Dann sah sie die Bilder.

Ein Mann, der von einem anderen Mann angesprochen wurde.

Ein kurzer Kampf, bei dem das Opfer von Anfang an keine Chance gehabt hatte.

Reißzähne, die sich in Fleisch gruben und tiefe Wunden verursachten.

Blut. Schmerz. Tod.

Keuchend riss Rowena sich los, zwang sich ihre Augen zu öffnen.

„Rowena?“

Abwehrend streckte sie ihre Hand nach hinten. Scott Palatin sollte sie so nicht sehen. Bei all dem Verständnis für das, was sie war, würde sie es vermeiden, dass ein Sterblicher ihre wahre Natur, ihr wahres Gesicht zu sehen bekam.

„Gib´ mir ein paar Minuten, Scott“, krächzte sie. „Ich muss nur zu mir kommen.“ Sie setzte sich, umfasste ihre Knie und legte ihre Stirn darauf ab. Dann konzentrierte sie sich auf ihre Atmung, spürte, wie sie langsam wieder zu Ruhe kam. Nach einigen Minuten hob sie wieder ihr Gesicht und blickte sich erneut um. Sie sah die Highlands wieder so wie vor ihrer Verbindung mit der Erde.

Das Flimmern der unterschiedlichen Luftschichten.

Die Auren um einige Bäume.

Die winzigen Insekten, die durch die Luft schwirrten oder am Boden krabbelten.

Sie hörte weit entfernt einen Hütehund bellen und Schafe blöken.

Die Wasser des Flusses Garry rauschten sanft. Vom Atlantik wehte ein leiser Wind.

>Es riecht nach Gewitter. Spätestens morgen wird es hier ordentlich runterkommen. Soll mir Recht sein. <

Rowena stand auf, klopfte sich Erde und Staub von ihrer Jeans. „Alles klar, Scott. Es war wirklich ein Vampir. Tut mir leid.“ Sie sah dem Mann in die violetten Augen.

Er lächelte sanft. „Ist schon gut. Du kannst schließlich nichts dafür. Wir werden den Kerl kriegen. Es ist doch ein Mann, nicht wahr?“

Rowena nickte grimmig. „Ich konnte aber weder sein Gesicht noch irgendetwas Außergewöhnliches erkennen. Das Opfer hat sehr gelitten, bevor es starb.“

Scott nickte. „Das hat der Pathologe auch gesagt. Doghnaty muss wahnsinnige Schmerzen gehabt haben.“

„Ich sehe mich noch ein wenig hier um. Spätestens morgen wird es heftig regnen und die restlichen Spuren, sofern es noch welche gibt, beseitigen.“

„Ich warte gern hier.“

Rowena lächelte den großen Mann an. „Ich weiß nicht, wie lange es dauert. Ich komme zurecht. Danke, Scott.“

Der Polizist sah Rowena grübelnd an. „Du bist blasser als vorhin.“

Rowena schluckte. „Es … war anstrengend, die Verbindung mit der Erde herzustellen“

Scott atmete tief durch und raffte seine Schultern. „Trink von mir.“

Eigentlich hätte Rowena nicht überrascht sein sollen. Schon immer boten sich die Eingeweihten als Nahrungsquelle an, das war Tradition. Aber seltsamerweise berührte es Rowena heute unangenehm. Und das verwirrte sie.

„Danke, Scott. Aber danke Nein. Ich werde heute in der Dämmerung ein Wild jagen. Ich weiß dein Angebot zu schätzen.“

Rowena spürte, wie die Anspannung in dem Mann nachließ. Obwohl er bereit gewesen war, sein Blut seiner Ahnin zur Verfügung zu stellen, war Scott Palatin doch erleichtert, dass es nicht dazu kommen würde.

„Fahr nach Hause, Scott. Deine Familie ist bestimmt froh, wenn du heute Abend bei ihnen bist.“

Der Polizist verneigte sich leicht vor der Vampirin und ging zu seinem Auto zurück. Rowena sah ihm hinterher, bis der Geländewagen hinter einem Hügel verschwunden war.

Die Stille lastete plötzlich auf ihren Schultern, die Einsamkeit. Ihr Magen krampfte und sie brach zusammen.

>Was ist denn jetzt los? Großer Schöpfer, bin ich etwa krank? <

Rowena starrte auf ihre zitternden Hände. Sie zwang sich, tief durchzuatmen und sich zu beruhigen. Die Krämpfe ließen nach, sie stand auf und ging zu Fuß in Richtung Loch Oich und ihrem kleinen Haus zurück. Ein Wäldchen lag auf ihrem Weg und sie konzentrierte sich auf die Gerüche, die aus dem Wäldchen drangen. Eine kleine Gruppe Rehe durchstreiften das Gebiet und Rowena entschied sich, jagen zu gehen. Sie pirschte sich an die vierbeinige Familie an und betrachtete die Tiere. Eine Mutter war mit ihrem Kitz zurückgeblieben und Rowena sah schnell warum. Das Kitz lahmte stark, sein rechter Vorderlauf war gebrochen.

Rowena schnupperte. In der Nähe waren Füchse. Sie würde den Kadaver dann den Füchsen überlassen, aber zuerst brauchte sie Nahrung.

>Vielleicht geht es mir dann besser. <

Langsam und leise verringerte sie den Abstand zu den Tieren. Der Rehbock zuckte einmal zusammen, richtete seinen Kopf in ihre Richtung. Rowena blieb ganz ruhig, wartete ab, bis der Bock sich wieder auf etwas Anderes konzentrierte.

Die Ricke zuckte nervös mit den Ohren, während ihr Kitz versuchte, humpelnd in ihrer Nähe zu bleiben. Vor Schmerz schrie es gelegentlich.

>Große Mutter Erde. Ich werde es schnell von seinem Leiden erlösen. Fleisch und Knochen gehen in deinem Schoß zurück. <

Rowena vergewisserte sich, dass kein Mensch in der Nähe war, der hätte Zeuge werden können. Dann sprang sie aus ihrer Deckung, packte das Kitz, hielt ihm das Maul zu und biss ihm in die Kehle. Einige Augenblicke zuckte das arme Tier noch vor Schmerz und Schock, dann erschlaffte es.

Rowena blinzelte kurz zur Seite und registrierte, dass das Rudel geflohen war. Auch die Ricke. Sie packte das Kitz und trug es in das Unterholz. Dort saugte sie dem Tier langsam und genüsslich das Blut aus der Halsvene, bis sie satt war.

„Danke, Mutter Erde. Nun sollen auch die anderen Bewohner des Waldes noch teilhaben an deinen Gaben.“

Behutsam legte sie den Kadaver nieder, streichelte dem toten Kitz noch einmal über die Stirn und ging dann fort. Dabei nahm sie ein Halstuch aus der Jackentasche und wischte sich sorgfältig den Mund ab.

Der Vampir beobachtete lächelnd aus seinem sicheren Versteck, wie die blonde Vampirfrau ein Rehkitz schlug, es ins Gebüsch trug und sich daran labte. Er sah, wie sie nach zehn Minuten das Gebüsch wieder verließ und mit festen Schritten in Richtung Invergarry lief. Ihre Gesichtsfarbe war jetzt wieder normal, nicht mehr so blass wie vor ihrer Mahlzeit.

Er hatte gesehen, wie sich die Frau mit einem Sterblichen, einem Polizisten an dem Ort umgesehen hatte, wo er drei Tage vorher einen Menschen getötet hatte.

Sie arbeitete mit dem Mann zusammen. Eine Vampirin und ein Sterblicher. Sie hatte nicht von ihm getrunken, dabei wäre es doch so einfach gewesen. Der Sterbliche hätte kaum eine Chance gehabt.

Der Vampir knurrte leicht. Ihm gefiel die Frau. In ihm wuchs ein Verlangen, dass nichts mit seinem wachsenden Hunger zu tun hatte.

>Du wirst bald mir gehören, Frau! <

Vampire in den Highlands

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