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Prolog Das Flusspferd

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ES WIRD VIEL ZU VIEL GESCHIMPFT über Berlin. Dabei erlaubt die Metropole jedem Menschen, der willig ist, dies anzunehmen, höhere Einsicht und Erhabenheit. Denn sie unterhält im Zoo ein Flusspferdhaus. Ein Flusspferdhaus, dessen Wasserbecken wie in einem großen Landschaftsaquarium mit einer Glasscheibe abgetrennt ist, sodass die Zuschauer direkt in das Unterwasserreich der Flusspferde blicken können. Und auf die Flusspferde selbst auch, aus nächster Nähe und ohne störende Gitter.

Es gibt wenig erfreulichere Anblicke auf der Welt als ein Flusspferd. Umso erstaunlicher ist es, dass es auch in Berlin Menschen gibt, die wertvolle Lebenszeit damit vergeuden, Computerzeitschriften oder Martin Walser zu lesen, in Boutiquen nach etwas, was sie dann schick nennen, zu suchen, oder in Cocktail-Lounges zu chillen; dabei könnten sie stattdessen doch auch die Flusspferde im Zoo anschauen. Im Regelfall liegen diese irgendwo herum und machen gar nichts, außer verdammt imposant zu sein. Verdammt imposant zu sein, ohne irgendetwas dafür zu tun, ist eine sehr schöne Eigenschaft. Wie viel Unheil entsteht, nur weil Menschen imposant wirken wollen, obschon sie es doch so gar nicht sind? Die arabischen Jugendgangs auf der Straße mit ihrem Gestammel, ihren aufgeplusterten Jacken, den lächerlichen Schiffchen-Rasur-Frisuren und dem ganzen Ghetto-Getue, und dann aber zu Hause vor Mama und Papa wegducken und das Schwesterchen verpetzen, wenn es sich mal das Kopftuch abnimmt. Ganz zu schweigen von den ostdeutschen Relikt-Jugendlichen, die sich in Bomberjacken und Springerstiefel packen, um beeindruckend zu wirken, und dann doch nur in Gruppen einzelne Schwächere verprügeln können.

Ein Flusspferd muss niemandem vormachen, dass es imposant sei, es ist einfach imposant. Dabei spielt es sich kein bisschen auf. Wenn es will, kann das Flusspferd sich durchaus durchsetzen, ganz allein, ohne Stiefel und ohne Meute – es ist das gefährlichste Großtier in Afrika. Wenn man es in Ruhe lässt, liegt es aber einfach nur herum. 4500 kg Ruhe und Überlegenheit. Und das trotz dieser kleinen Schweinsäuglein und der im Maßstab geradezu lächerlichen Öhrchen, die wie unbeholfen drangeklebt wirken – na und? Das Flusspferd wackelt hin und wieder genüsslich mit ihnen. Dafür sollen sie sein, die winzigen Öhrchen, und dafür sind sie gut. Was zählt es, dass sie viel zu klein aussehen für dieses riesige Tier, wenn es damit doch so vorzüglich zufrieden wackeln kann?

Das Flusspferd liegt auf einer Insel im Wasser, breitet einen Zentner neben dem anderen in der Sonne aus und wackelt mit den Öhrchen. Mehr Friede ist nicht möglich auf dieser Welt. Oder das Flusspferd treibt im Wasser, und ganz gelegentlich lässt es einige Knubbel seines Oberkopfes oder die Barthaare, die wie die letzten verkohlten Borsten eines explodierten Besens aussehen, über die Oberfläche ragen, schnaubt ein bisschen und sinkt dann wieder herab. Dann sieht man manchmal kleine Blasen von dort aufsteigen. Da freut das Flusspferd sich, weil es lustige Blasen machen kann, indem es Luft durch seine Nasenlöcher pustet. Und dann sieht man, wie auf der anderen Seite des Flusspferdes noch größere Blasen aufsteigen. Da freut das Flusspferd sich auch, weil es lustige Blasen machen kann, indem es die Luft auf der anderen Seite aufsteigen lässt. Nach Herzenslust blubbert es an beiden Flusspferdenden, und dazwischen herrscht Zufriedenheit und Ruhe.

Aber das Flusspferd kann auch anders. Leute, die ihre Zeit damit vergeuden, in Boutiquen nach schicken Sachen zu suchen, Computerzeitschriften oder Martin Walser zu lesen oder in Cocktail-Lounges zu chillen, nehmen an, es müsse irgendwie unbeholfen durch die Gegend torkeln. Dabei hat doch Gewicht so wenig mit Eleganz zu tun! Wenn das Flusspferd sich im Wasser bewegt, dann gleitet es elegant, wie tänzerisch, an der Scheibe und den staunenden Betrachtern vorbei. Viereinhalb Tonnen angefressene Fleischmasse, aber wie eine Elfe schwebt es dahin, berührt den Boden nur mit den Spitzen seiner Hufe, die im vollendeten Gleichklang den Untergrund streicheln, ohne irgendwo anzustoßen, in perfekt harmonischer Bewegung, voll höchster Grazilität.

Das Flusspferd ist mein Vorbild. Auch ich lege höchsten Wert auf grazile Bewegungen, behände schlängle ich mich durch die Massen, flink und geschickt, während der durchschnittliche Berliner, egal ob Ureinwohner oder zu­gezogener Medieninformatiker, sich mit der Sensibilität einer Planierraupe durch die Menge schiebt, Leute anrempelt und Ellbogen ausfährt. Dabei müssten sie doch nur in Ruhe das Flusspferd betrachten! Das würde überhaupt so vielen Menschen gut tun!

Man sollte aufhören, über Personen wie beispielsweise Kate Moss in Zeitungen zu berichten. Man sollte ihnen helfen. Indem man sie ein halbes Jahr in ein Flusspferdgehege sperrt. Salat gibt es darin genug, denn das Flusspferd lebt gesund. Und dann soll Kate Moss mal gucken, wie das Flusspferd zum Frühstück seine zwei Doppelzentner Grünzeug verputzt. Wenn man sie dann nach dem halben Jahr wieder raus lässt, ist sie entweder geheilt und erleuchtet, und wenn immer noch nicht, dann ist es letztlich auch egal.

Selbst Bild-Chefredakteur Kai Dieckmann, bei dem man ja eigentlich auf eine Verbesserung nicht mehr zu hoffen wagt, könnte vielleicht doch noch geholfen werden. Ein Jahr im Flusspferdtank würde ihn lehren, dass man ganz entspannt und glücklich ganz für sich auch in seiner eigenen Kloake leben kann, dass man gar nicht unbedingt andere ungefragt in die Kloake hineinziehen muss. Und, ganz nebenbei, vielleicht würde ein Jahr Einweichen im Flusspferdsud seine durch unsachgemäße Dauereingelung vermutlich längst verpanzerte Kopfbehaarung doch noch irgendwie wieder lösen können.

Ganz zu schweigen von den erwähnten Jugendgangs, ob türkisch, arabisch oder deutschnational: Das Flusspferd würde sie schon schnell lehren, wie weit es mit ihrer Großmäuligkeit her ist. Das Flusspferd könnte uns allen so vieles lehren!

Darum glaubt mir, Freunde, wenn ich euch sage: Und würde morgen die Welt untergehen, so würde ich mich heute noch vor ein Flusspferdgehege pflanzen.

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