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Startschwierigkeiten

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ES IST NICHT UNBEDINGT FÜR JEDEN LEICHT, den allgemeinen und vor allem den eigenen Anforderungen an die sexuelle Entwicklung zu entsprechen. »Du wirst jetzt bald ein Mann!«, vertraute mein Vater mir eines Tages an, und mir schwante Furchtbares, denn ich war zwar noch unerfahren, aber doch längst aufgeklärt und hatte nicht die geringste Lust, dieses delikate und verwirrende Thema ausgerechnet mit ihm zu erörtern. Den Versuch unterließ er dann aber auch dankenswerterweise und drückte mir nur eine kleine Aufklärungsfibel in die Hand, in der zwar absolut nichts Neues stand, deren nüchterne anatomische Zeichnungen mir aber dennoch eine ganze Weile als Masturbationsvorlagen dienten – es gab damals ja noch kein Internet.

Der Wunsch jedoch, das theoretische Wissen ersten Praxistests zu unterziehen, wuchs. Eine ganze Weile schon hatte ich mich in Tanja verguckt, die mit mir bei der Schülerzeitung mitmachte. AIDS war in den frühen 80er-Jahren zum Thema geworden, Schüler unserer bischöflichen Schule aber waren nach Meinung des Kollegiums wohl immun; erst spät begann so etwas wie eine Erörterung – im Religionsunterricht, mit dem Slogan des Kohlschen Gesundheitsministeriums »Treue ist der beste Schutz«. Das war uns dann doch zu realitätsfremd, und so schrieben wir einen kleinen Artikel dazu, die AIDS-Hilfe sponsorte eine Kiste Kondome, und wir konnten jedem Heft eines beilegen. Die Aktion führte zu einem raschen Ausverkauf der Zeitschrift und einer ebenso schnellen Einbestellung beim Direktor. Tanja und ich mussten uns verantworten, und Tanja argumentierte, dass die meisten Schüler heutzutage ihre ersten sexuellen Erfahrungen nun einmal viel früher machten. Ich hatte bislang erst eine Freundin gehabt, das war Tina in der vierten Klasse, und ich hatte sie einmal auf die Wange geküsst. Und nun saß meine Lieblingsfantasie Tanja neben mir, zwinkerte mir zu und sagte dann dem Direx ins Gesicht: »Wissen Sie, in unserem Alter haben doch längst alle ihre Erfahrungen. Die Jugendlichen heute sind da viel lockerer.« Ich nickte, verkrampft wie selten.

Immerhin folgte bald darauf so etwas wie ein erstes Erlebnis. Bei einer Feier, wir experimentierten damals einleitend mit der Wirkung von Alkohol, landete ich irgendwie neben ihr. Nachdem wir eine ganze Weile nebeneinander gesessen hatten, nahm ich irgendwann allen Mut zusammen und berührte sie vorsichtig und wie zufällig mit der Hand. Sie rückte nicht weg. Ich war verblüfft. Trotzdem traute ich mich nicht, sie anzusehen, und starrte angestrengt mit unbewegter Miene geradeaus, biss die Zähne zusammen und schob meine Finger Millimeter um Millimeter weiter. Sie krochen langsam, zeitlupenartig, auf ihren Rücken, bald lag dort die ganze Hand, sie krochen immer weiter, ich war wie in Trance, nichts passierte, ich meine, Tanja explodierte nicht oder so, sie schrie auch nicht auf, sie blieb einfach ruhig sitzen, während meine Finger weiter tasteten, noch ein Zentimeter und noch einer, irgendwann an der anderen Seite ihres Körpers ankamen, nicht recht weiter wussten, der Linie folgten, bis sie irgendwann irritiert innehielten. Ich bekam einen Riesenschreck, als mir schlagartig klar wurde, was passiert war: Ich hatte meinen Arm ganz um sie gelegt, und die Hand war mitten auf ihrer linken Brust zum Ruhen gekommen, ganz deutlich spürte ich jetzt die Rundung. Ich war wie gelähmt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich weitermachen sollte. Die Hand wegnehmen ging natürlich aber auch nicht, das hätte sie womöglich falsch interpretiert und mir alle Chancen versaut. Also verfiel ich einfach in Schreckstarre und traute mich kaum noch zu atmen. Keine Ahnung, wie lang wir da so saßen. Ich nahm nichts mehr wahr – mir war nicht einmal klar, was für ein merkwürdiges Bild wir für die anderen im Zimmer abgeben mussten, wie wir so dasaßen: stocksteif, bewegungslos, mein Arm um sie geschlungen, die Hand mitten auf ihrem Busen, kein Wort redend, stier und mit leeren Augen geradeaus guckend. Plötzlich bewegte sie sich, eine ungeahnte Glückswelle schwappte in mir hoch, ich wähnte mich am Ziel, als sie plötzlich ihren Kopf an meine Schulter anlehnte, bis mir klar wurde, dass die Mischung aus Untätigkeit und Alkohol sie einfach hatte einschlafen lassen. Ich wagte immer noch nicht, mich zu bewegen, und erst, als die anderen fahren wollten, raunte Jörg mir zu: »Ich glaube, du kannst jetzt loslassen«, und schüttelte sie wach. Betreten schlich ich den anderen zu unseren Fahrrädern hinterher.

Kurze Zeit später nahm die Sache einen rasanteren Verlauf. Ich stand mit Ines vor dem Hiltruper Kaufhaus, mehr zufällig. Ines war eine, die Freunde aus höheren Klassen hatte. Ich hätte erst gar nicht daran gedacht, mit ihr etwas anfangen zu können; daher ging ich recht unbefangen mit ihr um. Bis sie dort zu mir sagte: »Hey, willst du heute Abend mal bei mir vorbeikommen und meine Titten sehen?« Ich war völlig konsterniert, aber mein Leidensdruck war doch inzwischen groß genug, um mich sofort »ja« sagen zu lassen. »Gut«, sagte sie in siegesgewohnter, dezenter Langeweile, »dann geh da mal rein und klau einen Walkman für mich.« Ich war noch konsternierter.

»Was? Aber das geht doch nicht!«

»Was denn? Biste zu feige?«

»Nein, nein, natürlich nicht!« – natürlich war ich zu feige – »Nein, das ... das wäre nicht richtig.«

Jetzt schaute sie mich konsterniert an. Sie war es offenbar nicht gewohnt, Absagen zu erhalten, wenn sie derartige Angebote machte: »Hey, du kannst sie sogar anfassen!«, legte sie nach. Das konnte ich einerseits unmöglich ausschlagen, traute mich andererseits aber trotzdem nicht. Im Kopf rekapitulierte ich meine Taschengeldreserven und meine bisherigen Erfahrungen – die Abwägung ergab ein klares Bild: »Gut, ich kauf dir einen«, bot ich an. Es blitzte auf in ihren Augen. Sie nahm meine Hand, legte sie auf ihre Brüste, drückte sich ein wenig dagegen und fragte mich: »Und? Gefallen sie dir?«

»Äh, also, ich meine, ja, ja, sicher«, stotterte ich.

Sie stieß mich weg und klebte mir eine dabei: »Was glaubst du? Dass ich käuflich bin?«, schwang sich auf ihr Fahrrad und verschwand. Irgendwie ging die Sache nicht so recht voran.

Bis kurze Zeit darauf ein Kurstreffen in Ottmarsbocholt anstand. Der Mathelehrer hatte geladen, es gab reichlich Bier, und einige machten von dem Angebot Gebrauch, an dem entlegenen Ort in seinem Partykeller zu übernachten. Es war schon dunkel und wir lagen in unseren Schlafsäcken, als Wencke aus dem Bad in den Keller kam, die Tür hinter sich schloss, sich vorsichtig zu mir vortastete und sich neben mich legte. Diese Wendung überraschte mich etwas, nachdem sie den ganzen Abend mit Bernhard herumgeknutscht hatte. Nach einer Weile, als um uns herum die ruhigen Atemgeräusche vermuten ließen, dass die anderen schliefen, rückte sie plötzlich näher heran, ergriff meine Hand, führte sie in ihren Schlafsack und schob sie unter ihr T-Shirt. Zwar war ich wieder sehr erschrocken, aber ich hatte mir geschworen, mich bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit nicht wieder derart bescheuert anzustellen. Also begann ich, sie vorsichtig zu streicheln. Ich konnte es kaum glauben – es klappte. Sie zögerte nicht, sondern schob prompt ihre Hand in meinen Schlafsack, um sich dort recht umstandslos und sehr zielgerichtet ans Werk zu machen. Sie gab ordentlich Stoff, und mir entfleuchte ein Stöhnen. »Psst...« flüsterte sie mir kichernd ins Ohr: »Direkt neben uns liegt Heiko, der merkt sonst noch was.« In dem Moment kam ich. »Hab schon was gemerkt«, flüsterte ich zurück. Schlagartig zog sie ihre Hand zurück, rückte von mir weg und drehte sich auf die Seite. Es war nicht ganz das, was ich mir erhofft hatte, aber das war jetzt auch gleichgültig. Ich lehnte mich noch einmal zu ihr rüber, flüsterte ihr leise ins Ohr: »Mir hat’s Spaß gemacht«, und während sie irgendwas Unverständliches in ihre Isomatte grummelte, wischte ich mich unauffällig an ihrem Schlafsack trocken. Sollte sie doch sehen, wie sie das ihrer Mutter bei der nächsten Wäsche erklären würde.

In Bed with Buddha

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