Читать книгу Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere - Heinz-Dietmar Lütje - Страница 14
9. Äquatortaufe
ОглавлениеHeiligabend und die Weihnachtstage lagen hinter der Besatzung der „Chamäleon.“ Ein neues Opfer fand sich nicht. Die Schraube drehte sich unermüdlich und trieb das Schiff Richtung Süden. Die dicken Wollsachen und Wachmäntel verschwanden nach und nach. Der Rollenschwof hatte Einzug gehalten. Eine Übung jagte die nächste. „Feuer im Schiff! Klar Schiff zum Gefecht! Gefangenenmeuterei, Kollisionsalarm“ usw. usw.
Am 15. Januar ist es endlich so weit, die „Chamäleon“ näherte sich dem Äquator und vor dem Eintritt von der nördlichen in die südliche Hälfte des Erdtrabanten müssen die Mitglieder der Besatzung vom Dreck der nördlichen Hemisphäre befreit und getauft werden, um die südliche Halbkugel der Erde betreten oder besser befahren zu dürfen. Traditionell ist bereits am Vorabend Triton in Begleitung seiner diversen Trabanten an Bord gekommen um den Besuch seiner Majestät, des Herrschers aller Meere, Seen, Ströme, Flüsse, Teiche und Tümpel, des allmächtigen Neptun, anzukündigen. Seine hochherrliche Majestät, mit kunstvoll geschnitztem Dreizack, kommt in Begleitung seiner holden Gattin Thetis und Gefolge aus Barbieren, Negern, Astronomen und Polizisten an Bord um die Linientaufe vorzunehmen.
Da von den an der über 400 Mann zählenden Besatzung nur die Sonderführer sowie einige Offiziere und wenige ältere Unteroffiziere überhaupt schon einmal den Äquator gekreuzt hatten, waren also an die 370 Mann zu taufen. Diese Taufakte konnten selbstverständlich nicht einzeln vollzogen werden, sodass eine Reihentaufe erforderlich wurde. Als Taufbecken hatte der LI mit seinen Leuten eine Stahlkonstruktion mit Segeltuch gefertigt, das dann unter Zuhilfenahme der Feuerlöschschläuche so gefüllt wurde, dass ein Wasserpegel von etwa 1,40 m erreicht wurde.
Den Täuflingen wurde schon etwas mulmig zumute, als sie nach der entsprechenden Ansprache Neptuns und seines in Phantasieuniform gekleideten Admirals Triton in Gruppen herangeführt wurden. Zunächst einmal traten die Barbiere in Tätigkeit mit einer Mischung aus Seife und Schmieröl wurden die mit Marinebadehosen bekleideten Aspiranten ordentlich eingeseift. Durchaus gewollt war dabei, dass auch einiges in Augen und Nasenlöcher drang, sodass bald ein wüstes Reiben und Schnäuzen einsetzte. Nachdem die Mixtur genügend einwirken konnte, nahmen die Barbiere ihre riesigen, hölzernen Messer, die fast an Entersäbel erinnerten und traten mit diesen Rasierwerkzeugen in Tätigkeit, wobei auch durchaus mal etwas Haut mit flöten ging und auch für manch andere Blessur und blaue Flecken sorgte diese Zeremonie. Nach der Rasur griffen dann die Polizisten unter wohlwollenden Blicken der Majestäten und des Admirals sich die Täuflinge und beförderten diese mit lautem Platschen in das übergroße Taufbecken, in dem bereits die anderen Trabanten des Meeresgottes warteten, um diese jeweils gehörig unterzutauchen. Wer ob der rüden Behandlung zu früh versuchte über den Beckenrand zu klimmen, machte mit den kurzen Tauenden der Polizisten Bekanntschaft, sodass einige Sitzflächen mit leichten Striemen verziert wurden. Aber schließlich hatten alle Täuflinge, nach gut 3 Stunden, die Zeremonie zur Gaudi aller – insbesondere der bereits Getauften – hinter sich und es gab dann die vom Kommandanten bewilligten 2 Flaschen Bier pro Nase. Dazu hatte der Schiffskoch mit seinen Gehilfen ein erlesenes Mahl aus den noch vorhandenen frischen Vorräten, Kartoffeln, Gemüse und Braten nebst Dosenfrüchten als Nachtisch, gezaubert, sodass, bis auf wenige Spaßverderber, ihre Taufe fast Allen in guter und lustiger Erinnerung bleiben sollte.
Nach dem Gelage, soweit man bei 2 Flaschen Bier pro Nase hiervon sprechen darf, verabschiedete der Kommandant Neptun nebst seiner liebreizenden Gatten Thetis, und Admiral Triton, die dann unter Pfiffen von Bord geleitet wurden. Selbstverständlich stiegen sie nicht in das wieder leicht bewegte Meer, sondern kletterten über die Reling, nahmen die Strickleiter und stiegen 2 Decks tiefer durch eine der Vorratsladeluken wieder ein.