Читать книгу Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere - Heinz-Dietmar Lütje - Страница 18
13. Gegenmaßnahmen
ОглавлениеAm 08. Februar 1940 herrschte in der Admiralität in London geschäftiges Treiben. In einem geräumigen Zimmer, im Westflügel des Gebäudes, stellte gerade eine junge Wren (Marinehelferin) eine Kanne Tee auf den Tisch, der von einem Ledersofa und drei wuchtigen Ledersesseln umrahmt wurde. In den ledernen Sitzmöbeln, die den Verschleißspuren nach wohl mindestens seit dem Weltkrieg diversen Offiziershinterteilen als behagliche Sitzflächen gedient haben dürften, saßen drei sehr unterschiedlich wirkende Offiziere, zwei im Kapitänsrang sowie ein großer, rotgesichtiger Admiral, dessen Ärmelstreifen ihn als Rear-Admiral auswiesen. Hierbei handelte es sich um Sir Walter Hawkens, einen großen, massigen, vornehmlich um die Körpermitte sehr zur Fülle neigenden Mann, dessen rotes, von Besenreißern (geplatzte Äderchen) durchzogenes Gesicht erkennen ließ, dass er – wie wohl die meisten Marineoffiziere der damaligen und noch länger zurückliegender Zeit – auch alkoholischen Getränken durchaus zugeneigt war. Rechts neben ihm saß im Range eines Vollkapitäns (vergleichbar mit dem deutschen Kapitän zur See) ein etwa 50jähriger, zwar fast gleich großer, aber deutlich schlankerer, dunkelhaariger Offizier, der Kommandant des schweren Kreuzers „Bristol“, der als Flaggschiff des Rear-Admiral Sir Walter Hawkens vorgesehen war. Bei der „Bristol“ handelte es sich um einen 1928 in Dienst gestellten schweren Kreuzer mit
Acht x 20,3-Zentimeter Geschützen in vier Zwillingstürmen, sechs Torpedorohren und acht x 10,2-Zentimeter Geschützen als Mittelartillerie/schwere Flak sowie vier x 4,7-Zentimeter und acht x 4-Zentimeter an leichten Flakgeschützen nebst sechs schweren Maschinengewehren im Kaliber 12,8 Millimeter. Auf der anderen Seite des Admirals saß der – an seinem roten Schnurrbart und den langen Koteletten sowie den ebenfalls roten, borstigen, Haaren unschwer als Schotte erkennbare, Kommandant des leichten Kreuzers „Watford“, der mit 7.130 Tons kaum kleiner war als die „Bristol“ und mit acht x 15,2-Zentimeter Kanonen sowie acht x 10,2-Zentimeter und vier x 4,7-Zentimeter Geschützen sowie 12 MG und acht Torpedorohren über eine mehr als respektable Bewaffnung verfügte. Diese beiden Schiffe sollten zusammen mit dem neuseeländischen leichten Kreuzer „Wellington“, der im Südatlantik zu ihnen stoßen sollte, dass von Sir Walter Hawkens befehligte Kreuzergeschwader bilden. Die „Wellington“, ähnlich bewaffnet und nur unwesentlich kleiner als die „Watford“ war ein neues Schiff, erst 1937 in Dienst gestellt, das 33 Knoten laufen konnte und damit gut 1,5 bis 2 Knoten schneller war als die beiden älteren Kreuzer. Von der Wren, die in ihrer Uniform mit dem deutlich über die Knie reichenden Rock wie eine graue Maus wirkte, wurde die Tür geöffnet und einer der Stellvertreter des ersten Seelords, Sir Lester Ferry, schob seine, Rear-Admiral Hawkens noch deutlich an Masse überbietende, Statur in den Raum, die ewig dampfende Zigarre in der Hand und ließ sich aufstöhnend in das für ihn freigehaltene Sitzmöbel fallen, das unter dieser Beanspruchung unwillig ächzte. Der massige Admiral legte die Zigarre in den, aus einer 15,2 Zentimeter Kartusche gefertigten, Aschenbecher und verschränkte die goldbetressten Arme über dem mächtigen Bauch und kam gleich zur Sache.
„Sie, Sir Walter, werden beschleunigt auslaufen und sich in der Nähe der Falklands (Falklandinseln im Südatlantik) mit dem neuseeländischen Kreuzer „Wellington“ vereinigen. Hauptaufgabe ist, den von uns in diesem Bereich vermuteten deutschen Kreuzer aufzuspüren. In den letzten zwei Wochen melden sich einige unserer Handelsschiffe nicht mehr und die letzten Standorte lassen vermuten, dass es einem Deutschen gelungen ist unsere Blockade zu überwinden und in den freien Atlantik durchzubrechen, der im Nordatlantik sein Unwesen begonnen hat und jetzt offenbar auf stetigem Südkurs befindlich ist. Leider sind ja die „Exeter“, die von der „Graf Spree“ ziemlich in Klump geschossen worden ist, wie wir natürlich nicht offiziell zugeben werden, auf lange Sicht nicht einsatzfähig und auch „Ajax“ und „Achilles“ werden erst in frühestens zwei Monaten wieder vollkommen gefechtsklar sein.“
Sir Walter Hawkens schaute die beiden, ihm unterstellten, Kommandanten mit einem prüfenden Blick an und wandte sich dann an den stellvertretenden ersten Seelord: „Sir, mit welchem Gegner habe ich voraussichtlich zu rechnen? Mit einem weiteren dieser verdammten Pocket Battle Ships?“
„Das glaube ich weniger, obwohl auch die „Admiral Scheer“ nach Auskunft unseres Nachrichtendienstes derzeit nicht im Kieler Hafen an ihrem üblichen Liegeplatz liegt. Ich vermute aber eher, dass die verdammten Nazis uns wieder Probleme mit Hilfskreuzern bereiten und bereits jetzt ein entsprechendes Schiff ausgerüstet und ausgesandt haben. Denken Sie nur an „Wolf“ und „Möwe“ im Weltkrieg. Also, ich erwarte das Sie in 48 Stunden auslaufklar sind und auf dem schnellsten Weg Port Stanley (Hafen der Falklandinsel) anlaufen, dort nachbunkern und sich mit „Wellington“ vereinigen.“ Damit wollte – nach einem Blick auf die Uhr – der stellvertretende erste Seelord das Gespräch beenden und sich einem reichhaltigen Mittagsmahl widmen, wurde aber nochmals von Rear-Admiral Hawkens aufgehalten, der durch Heben des rechten Armes zu erkennen gab, dass er noch etwas fragen wollte.
„Was ist denn noch, Sir Walter“, grunzte etwas unwillig der in Gedanken schon beim Essen befindliche 2. Mann der Admiralität. Sir Walter hingegen ließ sich hiervon nicht beeindrucken, kannte er doch seit langem den von Kommandanten wenig geschätzten 2. Seelord als meist im Dienst übellaunigen Menschen, der weit mehr weltlichen Genüssen als seinen dienstlichen Obliegenheiten zugeneigt war.
„Sir, ich wollte nur noch fragen, wie viel Schiffe denn überfällig sind? Auf dieser Route ist nämlich auch mein Neffe unterwegs, der eigentlich in den nächsten Tagen hier eintreffen sollte und den ich gern nach Übernahme in die Royal-Navy unter meinem Kommando hätte.“
„Na, das wird ja, zumindest für diese Reise, ohnehin nichts mehr, wenn er noch nicht hier ist.“
„Die bisher offenbar dem Gegner zum Opfer gefallenen Schiffe sind,“ hier unterbrach sich seine Lordschaft, schrie nach der Wren, die sofort herbeieilte, und ihm einen mit Maschine beschriebenen Bogen reichte. Nach einem unwilligen Blick hierauf, erfuhr Sir Walter Hawkens dann, dass sich unter den verschollenen und mutmaßlich versenkten Frachtern auch die „Jolante“ befand, auf der sein Neffe auf der Heimreise nach England als Funkoffizier Dienst tat. Ein Grund mehr für den Rear-Admiral beschleunigt in See zu gehen.