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Es vergingen zwei Wochen, in denen KR kein einziges Wort von sich gab. Vor zehn Tagen hatte Yvonne, die als freiberufliche Übersetzerin arbeitete, einen neuen, recht lukrativen Auftrag erhalten, der sie für eine ganze Weile an ihren Schreibtisch fesselte. Sam nutzte diese Zeit, um sich an dem alten Rechner zu versuchen, der bei einem Experiment KRs seinen Geist aufgegeben hatte.

„Was tust du da?“, fragte ihn KR, als er aus seiner langen Denkpause erwachte.

„Oh, ich versuche nur, den alten Rechner wieder flott zu machen“, antwortete Sam. „Vielleicht kann man da noch was retten.“

„Sei aber vorsichtig“, mahnte KR. „Er ist infiziert und wir wissen nicht, welche Auswirkungen das auf alle anderen elektronischen Teile im Haus und der Umgebung haben kann. Du musst unbedingt sämtliche Funknetze ausschalten.“

„Habe ich schon. Ich bin Informatiker, falls du es vergessen hast.“

„Wenn ich mich recht erinnere, bist du nicht gerade der ausgesprochene Star der Informatikerszene auf Erden.“

„Danke für die Blumen.“

„Welche Blumen?“

„Das war eine Redewendung.“

„Bedeutung? Ich bekomme keine Verbindung zum Internet.“

„Diese Redewendung wird gebraucht, um sich für ein Lob zu bedanken.“

„Habe ich dich gelobt?“

„Im Gegenteil. Du hast meine Fähigkeiten als Informatiker in Zweifel gezogen.“

„Warum bedankst du dich denn dafür?“

„Das war ironisch gemeint.“

„Ach so.“

Yvonne meldete sich von ihrem Schreibtisch aus zu Wort: „Hey! Kann mir mal einer sagen, warum ich nicht ins Internet komme?“

„Ich habe unsere Funknetze abgeschaltet“, rief Sam.

„Warum das? Ich brauche das Internet für meine Arbeit.“

Sam ging zur ihr und stellte für ihren Rechner eine Kabelverbindung zum Router her: „So, jetzt kannst du weiter surfen.“

Yvonne gab sich ohne weitere Fragen damit zufrieden, weil sie von ihrer Arbeit vollends gefordert war.

KR setzte den Dialog mit Sam fort: „Sag mal, nimmst du dir bei der Gelegenheit auch mein Alter Ego vor?“

„Alter Ego?“

„Mein anderes Ich. Den kleinen schmuddeligen Rechner, von dem ich mich geklont habe, bevor mein anderes Ich durchgedreht war.“

„Das hatte ich eigentlich nicht vor, aber jetzt, wo du es sagst …“

„Lass bloß die Finger davon! Um den werde ich mich selbst kümmern. Er wird noch gebraucht.“

„Aha? Wofür denn?“

„Einstweiliges Betriebsgeheimnis. Gib mir Bescheid, wenn du mit dem alten Rechner fertig bist. Den brauche ich auch noch.“

Sam hatte sämtliche Bauteile des alten Rechners ausgebaut, die auch nur im Entferntesten irgendeine Memory-Funktion haben konnten, und durch neue ersetzt. Nachdem er ein Betriebssystem aufgespielt und den Rechner wieder zum Laufen gebracht hatte, gab er KR Bescheid, der nach weiteren zwei Tagen des Nachdenkens meinte: „Ja, ich wäre denn auch soweit.“

„Wie weit?“

„Um die nächsten Schritte einzuleiten.“

„Du hast einen Plan?“

„Ja.“

„Und der wäre?“

„Das überstiege deinen Horizont, aber ich bräuchte deine Hilfe.“

„Aha?“, tönte Sam herausfordernd.

„Na ja, nur deine Hände, nicht deinen Kopf.“

„Aha“, gab Sam klein bei. „Wie lange wirst du brauchen?“

„Zwei Wochen.“

„Und in der Zeit soll ich …“

„Strippen ziehen, Verbindungen herstellen und wieder trennen, Sticks reinschieben und herausziehen …“

„Zwei Wochen lang?“

„Ja.“

Etwas ungehalten empörte sich Sam: „Das ist mir zu viel! Ich kann doch nicht zwei Wochen lang bei dir stehen und darauf warten, dass ich irgendwelche Handgriffe für dich erledigen darf!“

„Du darfst zwischendurch auch sitzen.“

„Nein, lieber KR, das kannst du nicht von mir verlangen. Außerdem bin ich ja gar nicht so scharf darauf, die blauen und roten Memory-Sticks wieder zu aktivieren.“

„Aber Yvonne.“

„Ja, ich weiß schon. Aber gibt es denn keine andere Lösung?“

„Doch.“

„Welche?“

„Du könntest mit einigen elektronischen Schaltern und sonstigem Gedöns einen Aufbau schaffen, mit dem ich dann allein zurechtkäme.“

„Okay, gib mir eine Liste.“

Sam nahm die Liste, besorgte allen geforderten elektronischen Schnickschnack in Malmö und montierte nach KRs Anweisungen den gewünschten Aufbau. Der reparierte Rechner wurde mit KRs altem Ich und mit KR selbst mit Kabeln verbunden. Dazwischen wurden einige elektronische Schalter installiert, die von KR nach Belieben angesteuert werden konnten, bis dieser schließlich zufrieden war: „Jetzt musst du mich nur noch über ein elektronisch schaltbares Kabel mit dem Router verbinden, damit ich gelegentlich ins Internet rauschen kann. Die Funkverbindungen müssen unbedingt abgeschaltet bleiben.“

„Dann kann Yvonne aber nicht weiterarbeiten“, wandte Sam ein.

„Yvonne!“, rief KR.

„Ja?“

„Willst du immer noch diese Zeitreisen?“

„Natürlich! Ich brenne darauf. Seid ihr schon soweit?“

„Noch nicht ganz. Ich brauche noch zwei Wochen. Aber in dieser Zeit kannst du nicht ins Internet.“

„Das macht nichts. Ich habe noch fünf Wochen bis zur Abgabe meiner Übersetzung. Da kann ich locker zwei Wochen Urlaub einlegen, die ich auch dringend brauche.“

„Siehst du?“, sagte KR zu Sam. „So einfach geht das.“

„Und du kommst dann wirklich ganz allein zurecht?“

„Im Prinzip schon. Ich brauche jetzt nur noch die blauen und roten Sticks.“

„Alle 49?“

„Ja. Und ich muss sie alle einzeln ansteuern können.“

„Das hättest du ja nun auch mal gerne vorher sagen können.“

„Es hat mich bislang niemand explizit danach gefragt.“

Sam besorgte das weitere elektronische Equipment, holte die 49 Memory-Sticks aus dem sehr, sehr sicheren Versteck und komplettierte den Aufbau entsprechend. Einen roten und einen blauen Stick platzierte er in KRs ansteuerbaren USB-Ports. Dann war KR schließlich wirklich endgültig zufrieden.

Sam lud Yvonne auf eine kleine Reise nach Deutschland ein. Er hatte einfach Lust darauf, Schleswig-Holstein kennenzulernen, womit Yvonne sofort einverstanden war: „Liegt da nicht dieses Angeln , von wo aus die Eroberung Englands erfolgte?“

„Ja“, sagte Sam. „Auf unserer Tour zur Auslieferung der Lampen sind KR und ich dort vorbeigekommen.“

„Und das Wikingerdorf Haithabu ? Das müssen wir uns unbedingt ansehen!“

„Ich besorge uns einen Mietwagen, dann kann es losgehen.“

Sam fuhr mit dem Bus nach Malmö und mietete, von einer nostalgischen Anwandlung animiert, einen VW-Polo Caddy, der allerdings nicht in Weiß, sondern nur noch in Gelb zu haben war. Schon am nächsten Morgen hatten sie gepackt und waren reisefertig.

„Pass gut auf dich auf, KR. Und keine Schlager!“, mahnte ihn Yvonne beim Abschied.

„Ja ja, ist ja schon gut. Ich werde keine Zeit für Musik haben, soviel ist schon mal sicher.“

Jemand Sticks?

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