Читать книгу Jemand Sticks? - Heinz Hoffmann - Страница 5

3

Оглавление

Sie nahmen die Öresundbrücke nach Kopenhagen, überquerten Seeland und Fünen und fuhren über Kolding nach Flensburg, wo sie einen Zwischenstopp einlegten. Bei ihrem Bummel durch die Stadt kamen sie am Museumshafen vorbei, wo gerade die Dagmar Aaen ablegte, mit der sich Arved Fuchs auf eine neue Polarexpedition begab. Gleich gegenüber lag das Schifffahrtsmuseum, vor dem sich Julia und Heinz am Karfreitag 1987 das erste Mal trafen, was eine kleine Messingplakette an dem vor dem Haus aufgestellten Segelmast verriet.

Nach einer geruhsamen Nacht in einem Hotel am Hafen setzten sie ihre kleine Reise fort, die sie zunächst in einen Ort namens Freienwill führte.

„Jetzt sind wir schon in Angeln“, bemerkte Sam.

„Oh, lass uns mal von der Hauptstraße abbiegen“, forderte Yvonne begeistert.

Sam steuerte den Wagen gegenüber der Kirche nach links in eine Seitenstraße, der sie folgten. An einer Bushaltestelle sahen sie einen kleinen Jungen auf dem Dach des Wartehäuschens stehen, der von einer Gruppe begeisterter Jungen dabei angefeuert wurde, wie er von oben auf die Straße pinkelte. Sam stoppte den Wagen und Yvonne rief dem Jungen zu: „Das macht man aber nicht!“

Der Junge war überraschend schlagfertig und rief zurück: „Das ist hier Tradition! Das hat mein Onkel vor vielen Jahren auch schon gemacht!“

Yvonne lachte und sagte: „Merkwürdige Bräuche haben die hier.“

Die beiden fuhren weiter, bis sie auf die Hauptstraße zurückkehrten.

„Jetzt sind wir offenbar mittendrin“, bemerkte Sam, als sie ein Ortsschild mit der Bezeichnung Mittelangeln passierten.

„Das klingt ja wie Mittelerde “, lachte Yvonne. Vor einem kleinen Strohdachhäuschen rasierte ein Mann seine Hecke so akkurat, dass die beiden anschließend sehr verwundert waren, als sie der Straße weiter folgten, deren Vorgärten eher großstädtisch anmuteten, also mehr oder weniger verwahrlost aussahen. An der einzigen Kreuzung des Ortes war Sam von der dortigen Ampelanlage leicht irritiert, da sie reihum immer dem gesamten Straßenzug grünes Licht bescherte und es somit keinen Gegenverkehr gab.

„In Angeln ist anscheinend alles irgendwie anders als anderswo“, sagte er.

In einem Ort namens Sörup versuchte eine blonde Frau aufgeregt, einige Briefe durch das leicht geöffnete Seitenfenster auf Yvonnes Seite zu werfen. „Das ist ja geradezu verrückt, was die Eingeborenen hier machen!“, rief Yvonne.

„Das mag wohl daran liegen, dass unser Wagen wie ein Postauto aussieht“, versuchte Sam das merkwürdige Verhalten der Frau zu erklären.

„Die werfen ihre Post einfach in die Postautos?“

„Offenbar ist das hier so.“

In einem kleinen Wäldchen zeigte Yvonne aufgeregt auf die rechte Seite der schmalen Fahrbahn und rief: „Dort brennt es!“

Wissend stoppte Sam das Auto. Beide stiegen aus und gingen auf das Haus zu, auf dem ein Mann das Dach mit einem Hochdruckreiniger bearbeitete. Der Mann hatte sie entdeckt, schaltete seine Höllenmaschine aus und stieg vom Dach.

„Sie kommen mir aber bekannt vor“, sagte der Mann. „Suchen Sie wieder nach einem Weg?“

„Oh nein“, antwortete Sam. „Wir machen nur eine Fahrt ins Blaue. Sind Sie mit Ihrem Dach immer noch nicht fertig?“

„Man ist nie fertig mit dem Hochdruckreinigen.“

„Ach so. Wir wundern uns heute ganz besonders über die Sitten und Gebräuche in dieser Gegend. Gerade versuchte eine Frau, Briefe in unser Auto zu werfen. Ist das hier so üblich?“

„Für gewöhnlich nicht. Aber meine Frau versucht das manchmal. Das könnte sie gewesen sein. Gelegentlich überraschte sie früher auch unseren Zeitungszusteller mit einer Oben-ohne-Vorstellung. Wir haben das Zeitungsabonnement allerdings vor Kurzem gekündigt.“

Yvonne war auf der Weiterfahrt nachdenklich geworden: „Sag mal, Sam, sind das die Leute, die die Angelsachsen hier vergessen haben, als sie nach England zogen?“

„Keine Ahnung, aber es macht ein bisschen den Anschein. Doch die Engländer sind meines Wissens auch nicht ganz frei von merkwürdigen Verhaltensweisen.“

Auf der Weiterfahrt erzählte Sam von der Tour, die er mit KR vor rund einem Jahr in dem gestohlenen Lieferwagen unternommen hatte und in der Nähe von Schleswig besuchten sie das Haithabu-Museum. Sie waren beeindruckt von dem Ort, der vom achten bis zum elften Jahrhundert einer der wichtigsten Handelsplätze der Wikinger gewesen war. Yvonne war wieder etwas ruhiger geworden, weil die Menschen hier keine besonderen Auffälligkeiten mehr zeigten.

„Erstens sind wir nicht mehr mitten in Angeln und zweitens sehen wir hier nicht unbedingt die Eingeborenen, sondern die Besucher, die aus allen Teilen der Welt kommen“, erläuterte Sam.

Und tatsächlich: Solche Erlebnisse wie in Angeln hatten sie während der ganzen Reise durch Schleswig-Holstein nicht mehr gehabt.

„Irgendwie vermisse ich KR schon jetzt.“

„Er wird in Ruhe rechnen“, sagte Sam, dem KR ebenfalls fehlte. „Und eine Zeitreise hast du nun eigentlich auch schon gehabt. Reicht dir das nicht schon?“

„Nun, wir selbst blieben ja in der Gegenwart. Nur, was wir gesehen haben, war zeitlich manchmal etwas zurückgeblieben. Eine richtig echte Zeitreise war das in meinen Augen noch nicht.“

In Husum machten sie einen kleinen Spaziergang am Hafen und Sam bemerkte, dass Husum der Geburtsort eines sehr berühmten Schriftstellers ist.

„Du meinst Theodor Storm“, sagte Yvonne.

„Nein“, korrigierte Sam. „Ich meine Heinz Hoffmann.“

„Der mit den Chips?“

„Genau.“

Nach einer guten Woche traten sie die Heimreise an und kehrten erholt und guter Dinge in den Vorort eines Vorortes von Malmö zurück, in dem Yvonnes Haus lag. Mit ihrem Reisegepäck eilten sie zum Haus.

„KR ist weg!“, rief Yvonne aufgeregt.

„Und mit ihm das ganze Equipment!“, staunte Sam fassungslos.

„Wir hätten ihn nicht alleinlassen dürfen!“

„Vielleicht ist er auf einer Zeitreise und taucht gleich wieder auf“, hoffte Sam.

Yvonnes Blick verfinsterte sich, aber das sah nur so aus. In Wirklichkeit dachte sie konzentriert nach und murmelte: „Die roten Sticks führen den Benutzer in die Gegenwart zurück, allerdings für den Bruchteil einer Sekunde vor dem Start ...“

Sam hielt Yvonnes Gemurmel für eine nostalgische Reminiszenz, bis sie ausrief: „Er kann nicht auf einer Zeitreise sein!“

„Warum nicht?“

„Er wäre einen Sekundenbruchteil vor seiner Abreise wieder hier.“

„Ja, wenn er einen der roten Sticks aktivierte. Aber vielleicht ist er momentan daran gehindert“, warf Sam ein.

„Und warum ist er denn mit dem gesamten Elektrofirlefanz verschwunden?“

„Weil eine Zeitreise mit den verdammten Sticks die gesamte Verbindung mit sich reißt. Erinnerst du dich? Dieser Kerl im Flughafenterminal war mitsamt dem Laptop verschwunden, und ich musste mit KR in den Dreißigjährigen Krieg ziehen, weil ich den blauen Stick noch an den Fingern hatte, als ich ihn in KRs USB-Port steckte.“

„Das ist wohl richtig, aber warum liegt denn das Verbindungskabel zum Router noch auf dem Fußboden? KR hat bekanntlich keine Hände.“

„Vielleicht war der Zug in die Vergangenheit so heftig, dass er die Kabelverbindung aus KRs Port gerissen hat …“, versuchte sich Sam noch ein letztes Mal.

Yvonne war bei klarem Verstand: „Das halte ich für sehr unwahrscheinlich, geradezu unwahrscheinlich unwahrscheinlich, wenn die Zeitreise die gesamte Verbindung mit sich reißt.“

„Wahrscheinlich hast du recht“, gab Sam resignierend zu. „Aber was ist denn nach deiner Meinung geschehen?“

„Er wurde geklaut!“

„Dann kann es eine gefährliche Sache werden. Sowohl für den Dieb als auch für KR.“

„Wir müssen nach Spuren suchen, nachdenken und einen Plan entwickeln.“

„Und das alles ohne KR …“, sinnierte Sam, dessen Miene so etwas ähnliches wie Hoffnungslosigkeit wiederspiegelte.

Jemand Sticks?

Подняться наверх