Читать книгу Jemand Sticks? - Heinz Hoffmann - Страница 6
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ОглавлениеIn einem abgedunkelten Zimmer, in dem es leicht süßlich roch, schaltete sich KR ein und checkte sein Equipment: Die Verbindungskabel sind allesamt abgezogen und ich kann in der Dunkelheit nicht erkennen, ob alle Gerätschaften zumindest in diesem Raum sind. Außerdem weiß ich noch nicht einmal, welcher KR ich derzeit bin, der schmucke oder der schmuddelige. Ein Funknetz ist hier im Moment nicht vorhanden und ich habe keine Verbindung zum Stromnetz. Mein Akku hat nur noch 15%. Ich muss also auch noch Strom sparen! Ob ich wohl auf einer Zeitreise bin? Dann wäre es mit dem Strom problematisch. Mal sehen, was hier demnächst passiert . KR schaltete sich vorsichtshalber wieder aus.
Yvonne und Sam hatten im Garten Spuren von zwei Fahrrädern entdeckt, wobei hinter einer Fahrradspur zwei parallel verlaufende Spuren zu sehen waren.
„Es waren vermutlich zwei Diebe und die Parallelspuren deuten darauf hin, dass sie einen Anhänger dabei hatten“, stellte Yvonne fest.
„Okay Sherlocka! Dann müssen sie aus der eher näheren Umgebung stammen“, ergänzte Sam. „Was meinst du, sollen wir Polizei und Versicherung einschalten?“
„Sherlocka?“
„Gender! Die weibliche Ausgabe von Sherlock.“
„Ach so. Aber Polizei und Versicherung einzuschalten, halte ich für keine gute Idee.“
„Warum nicht?“
„Denk doch mal nach. Wenn die Versicherung oder die Polizei KR und seine Ausrüstung finden, könnte es zu einem plötzlichen Verschwinden von Menschen kommen, oder?“
„Hmm, wahrscheinlich hast du recht. Aber wie willst du denn allein ermitteln? Und das auch noch ohne KR! Und vielleicht sind sie ja schon allesamt über die Zeitgrenzen hinweg abgezittert.“
„Das ist zwar möglich, doch so schnell sollten wir die Flinte nicht ins Korn werfen. Es besteht ja noch die Hoffnung, dass KR irgendwas unternimmt.“
„Etwa Schlager dudeln?“
„Ha! Damit würde er die Halunken zumindest erst mal in den Wahnsinn treiben“, versuchte Yvonne wenigstens amüsiert zu klingen. „Du solltest jetzt das Funknetz im Haus wieder aktivieren, damit wir notfalls telefonieren können.“
Sam fingerte am Router herum: „Voilà!“ Im selben Moment klingelte Yvonnes Smartphone: „Yvonne Gustafsson!“, meldete sie sich.
„Guntram von Franckenbergh am Apparat. Sie wünschen eine Sinnermittlung?“, kam es vom anderen Ende der Verbindung.
„Äh, nein, wieso?“
„Hmm. Auf meinem Display erschien Ihre Nummer als unbeantworteter Anruf . Da habe ich einfach zurückgerufen. Sie haben einen skandinavischen Akzent.“
„Sie rufen ja auch in Schweden an und mein Deutsch ist nicht gerade vom Feinsten.“
„Ihr Deutsch ist ausgezeichnet, wenn ich Ihnen da widersprechen darf.“
„Dankeschön! Aber eine Sinnermittlung brauche ich wirklich nicht. Ich weiß ja noch nicht einmal, was das ist.“
„Dann möchte ich mich für die Störung entschuldigen. Vermutlich bin ich im falschen Buch.“
„Oh, es war trotzdem nett, mit Ihnen zu plaudern. Vielen Dank und auf Wiederhören“, beendete sie leicht verwirrt das Gespräch.
„Wer war das denn?“, fragte Sam.
„Das war ein Mann aus Deutschland, der fragte, ob ich eine Sinnermittlung wünsche.“
„Eine Sinnermittlung? Was ist das denn?“
„Keine Ahnung. Aber der Mann war sehr höflich und nett.“
„Also sowas! Diese Werbeanrufe sollte man strikt verbieten.“ Sam schüttelte seinen Kopf.
In dem abgedunkelten Zimmer, in dem es leicht süßlich roch, tat sich etwas, doch KR bekam es nicht mit, denn er war immer noch abgeschaltet. Besser gesagt: Beide KRs waren abgeschaltet.
„Was dieser Versuchsaufbau wohl erreichen sollte?“, fragte ein junger Mann.
„Keinen Schimmer!“, rief ein zweiter aus einem Nebenraum. „Ist doch auch egal. Wir verkloppen den Krempel und gut ist.“
„Wenn du meinst … Aber wir müssen erst mal sehen, ob die Dinger auch funktionieren. Der große Kasten und einer der kleinen Rechner sehen mir recht alt aus und das furchtbare rosa Ding ist zwar neuer, aber wer wird denn sowas kaufen? Außerdem hat der große Rechner keinen Monitor“, rätselte der erste junge Mann und schaltete das Deckenlicht ein.
„Bist du bekloppt?“, schimpfte der zweite junge Mann, der gerade ins Zimmer kam. „Das Licht macht einen ja blind!“
„Dann mach die Augen zu. Ich kann in der Dunkelheit nicht genug sehen.“
Der lichtscheue Mann schlurfte in den Raum, den sie Küche nannten, und öffnete den Kühlschrank: „Wir haben nichts, aber auch gar nichts mehr zu trinken.“
„Dann trink eben Wasser!“
„Von Wasser kriegt man Läuse im Bauch.“
„Dann musst du was zu trinken besorgen.“
„Die Pizza ist auch alle.“
„Weißt du was? Du schnappst dir den Anhänger und gehst einkaufen und ich guck mir inzwischen den Kram hier an.“
„Na gut. Gib mir Kohle, dann zisch ich ab.“
„Hier sind 500 Kronen. Das muss reichen.“
Als der erste junge Mann mit den Rechnern allein war, schaltete er den alten KR ein. Blitzschnell hatte Alt-KR sich im Zimmer orientiert und schrieb auf seinen Bildschirm: „Low Battery! Recharge Battery!“ Er vergewisserte sich, dass der Mann seine Meldung gesehen hatte und schaltete sich aus. Der Mann knipste den neuen KR ein, der unvermittelt rief: „Was soll denn der Quatsch hier?“
Daraufhin zog der junge Mann erschrocken seine Finger zurück und stellte halblaut fest: „Das hässliche Ding kann sprechen!“
Bevor KR seiner Empörung Ausdruck verlieh, zeigte sich seine Seelenverwandtschaft mit seinem anderen Ich, indem er sich vornahm, sich nur noch schriftlich zu äußern. Ich brauche Strom und ein Funknetz , dachte er sich und schrieb auf seinen Monitor: „Low Battery! Recharge Battery!“ Dann schaltete er sich ebenfalls ab.
„Na, so wird das wohl nichts“, murmelte der Mann enttäuscht. „Erst mal laden.“ Er verband die beiden KRs mit dem Stromnetz und ging in das Nebenzimmer. Beide KRs wurden wieder wach, ließen jedoch ihre Monitore dunkel. Sie dachten jetzt parallel dasselbe: Ich muss den Burschen irgendwie austricksen, aber erst mal muss ich die Batterie auf 100% laden, damit ich einen größeren Aktionsspielraum bekomme . Ob ich wohl mit meinem anderen Ich Kontakt aufnehmen kann?
„Ich hoffe, die Diebe sind dumm genug, ihr Diebesgut alsbald im Internet zum Verkauf anzubieten“, sagte Sam.
„Sie haben ausschließlich die elektronischen Sachen mitgenommen. Alles andere ist noch da. Das sind wahrscheinlich irgendwelche Computer-Freaks“, meinte Yvonne.
„Glaubst du? Es ist doch auch möglich, dass sie drogensüchtig sind und wir es mit einem Fall von Beschaffungskriminalität zu tun haben. Der Computerkram lässt sich doch am leichtesten verscherbeln.“
„Ist auch möglich. Aber wir müssen in alle Richtungen denken.“ Yvonne gab sich nachdenklich und Sam tat es ihr gleich, sodass sie beide still überlegten und nach einem Plan suchten. Lange Minuten verrannen und flossen vor sich hin, bis sie sich zu einer geschlagenen Stunde vereinigt hatten und Yvonne schließlich sagte: „Es nützt ja alles nichts. Irgendwas müssen wir tun. An irgendeiner Stelle müssen wir einfach mal anfangen.“