Читать книгу Heißer Empfang mit Blei - Heinz Squarra - Страница 7
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ОглавлениеEs war Nachmittag geworden, aber die gnadenlose Hitze ließ immer noch nicht nach. Das intensive Flimmern lag über dem Buschland des Bluegrass Valley und über dem dörrenden Weidegras, über den Rindern und den braunen Staubschwaden, die ihre Hufe aufwirbelten.
Die Banditen hielten im Schutz eines Mischwaldgehölzes und beobachteten das Weidecamp, in dem nur ein einziger Mann auf einem Deckenbündel lag. Neben ihm brannte noch das Feuer. Die Kochgeschirre, ein Proviantsack, der geschwärzte Henkeltopf und ein Sattel lagen im Blickfeld der lauernden Schurken. An die Büsche gebunden sahen sie im Hintergrund des Camps das Pferd des offenbar schlafenden Cowboys.
»Soll ich euch mal verraten, wie lange ich schon nichts mehr gegessen habe?«, fragte Ringo leise.
»Der ist nicht allein!«, zischte Jubal sofort. »Da sind noch andere bei der Herde. Zwei Mann mindestens.«
»Ich hab' aber wirklich schon ewig nichts mehr zwischen die Zähne bekommen«, beharrte Ringo.
»Ich auch nicht«, sagte Tex. »Und wenn ich mich nicht sehr irre, werden wir noch ziemlich weit reiten, bis wir uns mal in eine Stadt wagen.«
»Warum muss es denn gleich eine Stadt sein?«, grollte Jubal finster. »Wir finden schon eine Farm, wo wir kriegen, was wir brauchen.«
»Sieht eher aus, als läge in diesem Tal eine große Ranch«, maulte nun auch Marvy. »Da kann sich doch ein kleiner Farmer gar nicht halten.«
»Eben!« Ringo nickte gleich mehrmals, um das zu unterstreichen.
»Also gut. Aber keinen Toten, verstanden? Ich will endlich vor Verfolgern Ruhe haben. Sonst kommen wir nie in eine Gegend, in der wir uns sorglos der achtzehntausend Piepen erfreuen könnten!«
Ringo schnalzte mit der Zunge und ritt als erster aus dem Schutz der Bäume, Die Bande schloss sich an. Sie bildeten eine breite Kette und ritten so auf das Camp zu.
Jimmy Threefeather, der junge Bullhead-Reiter, erwachte vom leisen Hufschlag nicht. Er hatte die ganze Nacht die Wache geritten und am Morgen nicht schlafen können. Er hörte sie noch nicht, als sie die Pferde zügelten und das Sattelleder knarrte, und er merkte auch nicht, dass Schatten auf ihn fiel.
Sie grinsten belustigt. Sogar Jubal fürchtete keine Gefahr mehr. Ringo raffte den Proviantsack auf, griff hinein und warf den anderen das reichlich vorhandene Maisbrot zu. Es war Zufall, unbeabsichtigt von ihm, dass er Jimmy zu nahe kam und sein Spornrad den Arm des jungen Cowboys aufkratzte.
Davon erwachte der Weidereiter. Mit einem Schrei fuhr er wie von einer Tarantel gestochen in die Höhe und sah sich überrascht den Halunken gegenüber.
Ringo wirbelte herum und schlug zu. Jimmy wurde voll am Kinn getroffen und flog unter dem Gelächter der Kerle über einen scheppernden Topf und seinen Sattel hinweg. Doch er sprang genauso schnell wieder auf, rannte davon, zog den Colt und feuerte hinter sich.
»Banditen!«, schrie Jimmy, so laut er konnte. »Hier sind Banditen!«
»Da haben wir den Salat!« Jubal zog den Revolver. Doch als er feuerte, hatte sich der Cowboy schon zu weit entfernt.
Chet McCoy, der Vormann, und Dwarf, der junge, drahtige Cowboy, galoppierten auf der Ostseite um die Herde herum. Sie hielten Winchester Gewehre in den Händen, sahen die Banditen, die herumfuhren und sie unter Beschuss nahmen, und feuerten zurück.
Marvy wurde von einer der ersten Kugeln getroffen. Er verlor sein Gewehr, presste die Hände auf den Leib und fiel dicht neben dem Feuer auf die Knie.
»Weg hier, da kommen uns vielleicht noch mehr über den Hals!« Jubal sprang mit einem Satz aufs Pferd und setzte ihm brutal die Sporen ein.
Das Tier wieherte schrill und stob wie von einer Sehne abgeschossen vorwärts.
Marvy fiel aufs Gesicht.
Rinder liefen zwischen Chet und Dwarf und den Banditen vorbei und verhinderten eine rasche Verfolgung. Staub stieg dichter als vorher auf. Die Banditen flohen unter Mitnahme des Proviantsackes nach Südwesten.
Mühsam bahnten Chet und Dwarf sich einen Weg zum Camp. Mit ihnen zugleich erschien auch Jimmy wieder, noch nachträglich bleich aussehend und geschockt.
Chet stieg ab, drehte die reglose Gestalt herum und sah, dass der Bursche tot war. »Hat den schon mal einer von euch gesehen?«
Dwarf und Jimmy schüttelten die Köpfe.
Chet blickte zur Herde zurück, unentschlossen, ob sie diese Bande wenigstens ein Stück weit verfolgen und versuchen sollten, sie einzuholen. Es erschien ihm zu riskant.
Dwarf drückte dem Toten die Augen zu und richtete sich auf.
»Ich bin aus allen Wolken gefallen«, gestand Jimmy. »Mann, als ich gerade von den schönen Mädchen in Hotdog City träumte, kratzte etwas über meinen Arm. Ich dachte nichts anderes, als ein Rind wollte mich aufspießen.«
»War wenigstens einer darunter, der dir bekannt vorkommt?«, wollte Chet wissen.
»Um ehrlich zu sein: Ich kann mich an die Gesichter schon nicht mehr erinnern. Vielleicht sah ich sie auch nicht alle.«
»Los, hinterher!«, drängte Dwarf. Er kehrte zu seiner hässlichen Rosinante zurück und schwang sich in den Sattel.
»Die Rinder laufen uns ins Buschland«, sagte Chet. Er wandte sich um, weil der Hufschlag wieder lauter wurde, aber von der anderen Seite zu kommen schien.
Staub wehte über den Büschen. Ein Reiter tauchte auf und ließ seinen Rappen langsam gehen. Im Sonnenlicht blitzte ein silberner Stern an der verstaubten schwarzen Jacke des Mannes, der eher wie ein Spieler, als wie ein Marshal aussah.
Es handelte sich um einen großen, hageren Mann von schätzungsweise fünfunddreißig Jahren. Schwarzes Haar fiel unter dem Hutrand hervor. Aus dunklen, kalten Augen unter buschigen Brauen musterte der Fremde die Bullhead-Leute, denen er sich näherte. Er verließ das Buschgebiet und musste den Toten sehen können. Sein an der Hüfte angeschlagenes Gewehr senkte sich.
Chet trat dem Mann entgegen und griff nach dem Zügel des Rappen. »Ich bin Chet McCoy von der Bullhead-Ranch, Marshal.«
»Dale Howard«, murmelte der finster wirkende Mann.
Chet stellte die Cowboys vor.
»Wo liegt Ihre Ranch?«
»Westlich von hier, Marshal.«
Howard saß ab, kniete bei dem Toten nieder und durchsuchte ihn. Er fand ein paar Dollars, ein Messer, ein schmutziges Tuch, Tabak und Zigarettenpapier. Howard richtete sich auf.
»Ist es weit zur Ranch?«
»Ein paar Meilen.«
»Dann hat man die Schüsse dort nicht gehört?«
»Kaum.«
»Erzählen Sie!«
Chet deutete auf Jimmy. »Er war hier, als die Kerle kamen. Jimmy, sag dem Marshal, was los war.«
Jimmy berichtete mit ein paar Worten, und Howard nickte mehrmals, schaute aber nach Westen und nicht dahin, wo noch der Staub verriet, wohin die Bande floh. Zu hören war nichts mehr.
»Woher sind Sie denn?«
Howards Blick kehrte zu Chet zurück. »Was sagten Sie?«, fragte er weltentrückt.
»Es würde uns interessieren, woher Sie kommen, Marshal.«
»Und wieso Sie diese Höllenhunde verfolgen!«, setzte Dwarf hinzu.
»Ach so.« Der Mann lächelte, was sein hartes Gesicht aber nur wenig freundlicher aussehen ließ. »Ich komme von Newman in Kansas. Die Kerle haben einen Salooner nachts beim Geldzählen überrascht. Der Narr saß vor seinem offenen Tresor. Und obwohl sich die Bank exakt gegenüber seiner Fuselbude befindet, hatte er sage und schreibe achtzehntausend Bucks vor sich liegen. Wie finden Sie denn das?«
»Ziemlich dämlich«, gestand Chet.
»Ich auch. Nun soll ich das Geld wiederbeschaffen. Hat der Narr doch nicht verdient, oder?«
»Als Marshal geht es für Sie sicher nicht darum.«
»Eben.« Howard schaute nach Südwesten. »Es sind noch drei. Und ich kenne die Gegend hier überhaupt nicht. Haben Sie Lust, sich dreihundert Dollar zu verdienen?«
Chet schaute den Marshal weiterhin abwartend an.
»Soviel ist Jubal Hengston wert, der Anführer der Bande. Die gehören Ihnen, wenn Sie mir helfen, die Kerle zur Strecke zu bringen.«
Chet blickte wieder unentschlossen über die Herde hinweg.
»Hilf dem Marshal«, sagte Dwarf.
»Allein hat einer keine große Chance gegen eine solche Bande. Jimmy und ich sammeln die Rinder. Dann reitet einer von uns zur Ranch und holt Verstärkung.«
Howard kehrte sofort zu seinem Rappen zurück und saß auf.
»Wollen Sie den Toten auf dem Rückweg mitnehmen?«, erkundigte sich Dwarf.
»Um Himmels willen, ich bringe doch eine Mumie in Kansas an.« Howard gab dem Rappen die Sporen und sprengte in die Staubwolke hinein. »Beeilen Sie sich!«
»Unfreundlicher Patron«, brummte Jimmy. »Um den Job beneide ich dich nicht.«
»Wenn er mir dumm kommt, lasse ich ihn stehen.« Chet zog den Sattelgurt des Fuchshengstes nach, saß auf und galoppierte hinter dem Mann her.
Dwarf und Jimmy blickten den im Staub entschwindenden Reitern nach.
»Komischer Kerl«, sagte Jimmy finster. »Der scheint sich selbst nicht ausstehen zu können.«
Alle Marshals sind nun mal nicht wie Rockwell in Golden City. In den Eisenbahnstädten von Kansas muss ein Marshal ein verdammt harter Kerl sein.«