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Noch dachten die beiden Banditen nicht daran, den Verfolgen eine neue Falle zu stellen. Innerhalb weniger Stunden war ihre Kampfkraft halbiert worden. Der Schock saß ihnen tief in den Gliedern und hatte die Sicherheit, Kalifornien erreichen und dort ein schönes, unbeschwertes Leben führen zu können, fürs erste gründlich verdrängt. Sie fühlten sich wie Wölfe auf der Flucht vor Pelztierjägern.

Jubal blieb stehen, schaute zurück und lauschte.

Ringo lief noch ein Stück, dann ließ er den Zügel fahren und kehrte zum Bruder zurück. »Hörst du sie?«

»Noch nicht.«

»Verdammt. Wir haben doch den eisenharten Marshal geschafft. Wieso sollen uns ein Kopfgeldjäger und ein Cowboy über sein, Jubal?«

»Wir schaffen es schon, Ringo.« Jubal versuchte zu lächeln, sein Gesicht verzerrte sich jedoch nur.

Eine Weile lauschten sie noch, dann setzten sie den Weg fort. Der Canyon stieg an. Seine Wände wurden kürzer. Mondschein versilberte scheinbar das oberste Stück der Abstürze und ließ bizarr geformte Grate erkennen.

Jubal und Ringo Hengston erreichten die Mesa, saßen auf und ritten im Trab weiter nach Westen. Der Mondschein bot ihnen gute Sicht.

Krüppelkiefern tauchten horstartig zusammenstehend vor ihnen auf.

»Lass uns hier warten!«, bat Ringo.

»Sie können die Spuren sehen und laufen uns dichter als je zuvor vor die Flinten!«

Jubal blickte zurück. Das kalte Mondlicht ließ noch die Kerbe im Gelände erkennen, aus der sie heraufkamen. »Und, wenn sie nicht kommen?«

»Dann haben wir sie abgehängt!« Ringo ritt zum Gehölz hinüber, rutschte aus dem Sattel und zog das scheuende Pferd mit Gewalt ins Dunkel des Waldes.

Jubal folgte dem jüngeren Bruder. Lieber wäre er weitergeritten. Die Verfolger und die Nacht waren ihm nicht geheuer. Aber auch er sagte sich, dass der Platz ideal sein konnte. Hier durften sie die Reiter so dicht an sich heranlassen, dass ein Fehlschuss ausgeschlossen werden durfte.

Zwischen den Bäumen war es stockdunkel wie in der Schlucht.

Ringo frohlockte. »Jetzt kriegt er es, dieser Kerl, der sich die Kopfprämie verdienen will.«

»Wenn es ihm nur darum geht«, schränkte Jubal ein.

»Was meinst du?«

Sie schauten sich an und sahen das Gesicht des anderen jeweils wie einen hellen Fleck.

»Du denkst...« Ringo brach ab.

»Der Marshal ist tot und Kansas weit weg.«

»Aber der Cowboy!«

»Der muss ja nicht wissen, dass der Kerl nicht der Marshal von Newman ist«, sagte Jubal.

»Und warum schreien wir ihm das nicht zu?«

»Idiot, weil wir mit der Beute entkommen wollen. Und das setzt voraus, dass wir den Verfolgern kalte Füße verschaffen. Zwischen denen und uns liegt eine ganze Welt, mein Junge! Da gibt es nichts zu reden.«

»Aber für den Cowboy muss trotzdem alles anders aussehen, wenn er weiß, dass der andere gar kein Marshal ist!«, beharrte Ringo schon regelrecht eigensinnig.

Jubal gab es auf, den Bruder eines Besseren belehren zu wollen. Er beobachtete die aus der Schlucht heraufkommende Schneise. Sie befand sich zu weit entfernt, als dass er mit Sicherheit treffen würde, wenn er auf einen dort auftauchenden Reiter schoss. Aber der Reiter würde sich weiter nähern. Beide Reiter würden das tun, da sie den Spuren folgten.

Minuten reihten sich aneinander. Stille lag über der Mesa. Kein Nachtvogel und kein streunender Wolf störten den tiefen, scheinbaren Frieden, der hier oben herrschte.

Nach längerer Zeit ging Ringo in die Hocke und legte das Gewehr neben sich. »Die werden doch nicht den Tag abwarten wollen, bevor sie sich aus dem Canyon wagen? Oder meinst du, sie haben die Spuren verloren?«

»Nein«, erwiderte Jubal entschieden. »Wir haben den Kerl von Newman bis hierher nicht abhängen können. Der reitet auf unseren Spuren, als würde er Schienen folgen.«

»Der Kopfgeldjäger.«

Das Klirren von Gestein ließ Ringo nach dem Gewehr greifen. Lautlos richtete er sich auf.

Die Geräusche wurden deutlicher. Ringos Herzschlag beschleunigte sich erheblich. Heiß und kalt lief es ihm über den Rücken. Jubal trat von einem Bein aufs andere, was ebenfalls große Nervosität verriet. Sie blickten sich wieder an.

»Achtzehntausend Bucks«, murmelte Ringo. »Alles sah so einfach aus. Musste dieser Prämienjäger ausgerechnet in Newman auftauchen?«

»Er hat in ein paar Minuten kalte Füße. Du wirst es sehen, Ringo. Und wir beide müssen dann nicht mehr mit anderen teilen. Alles Geld gehört uns!«

Ringo stieß ein warnendes Zischen aus.

Im kalten Mondlicht zwischen den letzten flachen Felszacken tauchten die Hüte der Reiter auf, ihre Köpfe, die Schultern und die scheinbar mit den Pferden verwachsenen Silhouetten der Körper. Matt schimmerte ein Gewehrschloss.

Ringo zog das Gewehr gegen die Schulter.

»Sie sind noch viel zu weit entfernt! Wir müssen sie beide erwischen, Ringo!«

Der jüngere der Brüder ließ das Mehrladegewehr wieder sinken.

Die beiden Reiter hielten am Rand der Mesa.

»Worauf warten die denn?«, stieß Ringo gepresst hervor. »Die Spuren sind deutlich zu sehen!«

Jubal repetierte sein Gewehr so langsam, dass fast kein Geräusch entstand.

Noch immer verharrten die Pferde am Ende des Canyons, rund hundert Yards von den lauernden Banditen entfernt.

»Ich werde noch verrückt!« Ringo wischte sich den Schweiß mit dem Unterarm von der Stirn. »Was haben die denn?«

»Sei still, Ringo!«, raunte Jubal.

»Sie ahnen die Falle, was?«

»Kann sein. Aber wenn sie sich überzeugen wollen, müssen sie sich schon weiterwagen.«

»Hoffentlich!«

»Es war deine Idee, hier zu warten. Wir könnten längst zwei Meilen weiter sein, vielleicht sogar drei!«

Ringo fluchte verdrossen. Nun kam ihm der Gedanke, hier zu warten, so besonders auch nicht mehr vor, obwohl er noch keinen Nachteil darin erkannte. Es war nur die Angst danebenzuschießen. Denn wenn die erste Kugel nicht traf, würden sie die zweite auf einen der Reiter kaum noch anbringen können.

Die Verfolger hielten immer noch am Rande, der Mesa. was die Banditen von Sekunde zu Sekunde mehr verunsicherte.

»Abwarten!« Jubals Stimme klang, als wollte er die eigene Aufregung besänftigen.

»Zur Hölle, die richten sich dort für den Rest der Nacht ein!«

»Langsam durchatmen, Ringo! Sonst schießt du wirklich daneben, wenn sie sich nähern.«

Heißer Empfang mit Blei

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