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Arizona 1878

Jack Gates spürt, dass er unwillkürlich den Griff seines 45er Bisbee Colts erfasst hatte. Und er merkt, wie die kalte Entschlossenheit in ihm in die Höhe schießt wie eine Flamme, die alles andere auslöscht. Sein Blick ist auf Slim gerichtet, der die lange Bullpeitsche in der Rechten hat und sie auf- und abschwingen lässt.

Slims Gesicht ist vor Grimm entstellt. Seine kalten Augen scheinen sich an der Hand des Bruders festzusaugen.

„Schlag doch, Slim“, sagt Jack Gates gedehnt. „Hast du Angst?“

Slim Gates lässt die Peitsche sinken. Er tritt zum Fenster zurück und lehnt sich gegen den Sims. Unverwandt ruht sein kalter Blick auf Jack.

„Vergiss nicht, dass die Verwaltung der Ranch von Dad mir übertragen wurde“, grollt er. „Das gilt noch vier Jahre. Ich habe die Ranch in seinem Sinne zu führen. Das heißt, ich habe sie zu vergrößern, bis uns das ganze Tal gehört!“

Jack nickt. Langsam lösen sich seine Finger vom kalten Griff der Waffe.

„Er hatte sein Ziel fast erreicht“, wirft er hin. „Da wurde er abberufen.“

„Ich weiß, du hast seinen Tod nie bedauert“, knurrt Slim. „Aber es hat sich nichts geändert!“

„Ich konnte ihn nicht bedauern, Slim. Er hat mich neunundzwanzig Jahre lang dazu erzogen, hart und brutal zu sein. Er ist immer über Leichen gegangen, und wir sollten genauso sein, es ist nicht meine Schuld, dass ich verlernte, Unterschiede zu machen.“

Slim packt die Bullpeitsche wieder fester und lässt das bleibeschwerte Ende über den Boden tanzen.

„Yeah, er hat dich viel schlagen müssen“, meint er. „Und doch hast du nicht begriffen, was du lernen solltest. – Er hat dich geliebt. Er hatte früh erkannt, dass du ein Kerl bist, der anderen Furcht und Schrecken einflößen kann. Er brachte dir bei, hart zu zuschlagen und blitzschnell zu ziehen. Alles hast du begriffen. Nur das eine nicht! Ich glaube, du wolltest es nicht begreifen! Du hast immer zu dieser Brut gehalten, die wir aus dem Tal haben wollten. – Jetzt ist nur Dykes Tochter übrig. Sie liegt am Boden. Ich habe ihre Mannschaft so gut wie aufgelöst. Ihre zwei letzten Boys werden heute so oder so verschwinden. Sie hat Schulden und wird verkaufen. Sie kann nicht anders, denn sie bringt kein Rind aus dem Tal! – Es liegt nur an dir! Abe Clevenger hat sich nicht verhört, als er gestern belauschte, wie du ihr versprochen hast, ihr zu helfen.“

Slim hebt die Peitsche etwas an, und Jack legt die Hand wieder auf den Kolben.

„Vielleicht hat er sich wirklich nicht verhört, Slim“, dehnt der jüngere der Brüder. „Und vielleicht hast du auch sonst recht. Ich konnte nie begreifen, dass die Großen immer mehr haben sollen und die Kleinen immer weniger. Alle seine Schläge waren umsonst. Ich sagte dir vorhin schon, er sei tot. Seine Zeit ist vorbei, Slim!“

„Du irrst. Seine Zeit wird nie vorbeigehen. Ich habe dich kommen lassen, weil ich dich anscheinend an die Bestimmungen seines Testamentes erinnern muss. Wer sich nicht an das hält, was er verlangt, wird enterbt.“

„Ich weiß, Slim. Er hat es mir oft genug gesagt“, meint Jack.

„Du willst dich also nicht danach richten?“

„Wenn der Vormann gehört hat, was ich versprach, was fragst du dann noch?“

Slim zeigt die Zähne und schwingt die Peitsche in die Höhe. Er sieht, wie Jack den Bisbee Colt halb aus dem Halfter bringt, und hält inne.

„O ja, du würdest schießen“, schnarrt er. „Du würdest deinen Bruder erschießen! – Warum hast du es mit Dad nie gemacht?“

„Weil ich Angst vor ihm hatte, Slim.“

„Du hast ihn also wirklich immer gehasst?“

„Wie sollte ich den Mann lieben, der mich immer geprügelt hat?“

Slim wirft die Peitsche in die Ecke des großen Wohnzimmers. Er geht zum Kamin hinüber und stützt den Ellbogen darauf.

„Hedy Dyke hat nur dann eine Chance, ihre Schulden zu bezahlen und die Ranch zu behalten“, sagt er, „wenn sie ihre zweitausend Rinder nach Tucson treibt. Du wirst wissen, dass dies unmöglich ist. Ich habe achtzehn Männer, die das verhindern können. Sie hat noch zwei Cowboys, die heute wahrscheinlich das Tal verlassen – wenn sie keine kompletten Narren sind. Auch wenn du ihr versprochen hast, die Rinder zu treiben, hilft das nichts. Ein Mann und eine Frau bringen keine zweitausend Longhorns nach Tucson! – Jetzt kannst du es dir noch überlegen!“

Jack schüttelt langsam den Kopf, während er den Revolver ins Halfter zurückstößt.

„Ich habe es mir lange genug überlegt, Slim“, erwidert er. „Und noch etwas: Hedy und ich, wir haben uns gestern verlobt. Das hat dein Vormann wohl nicht mitbekommen.“

Slim stemmt sich mit einem heftigen Ruck vom Kamin los. „Sie gehört zu unseren Feinden, und du …“

„Ich sagte dir, dass unser Vater tot ist. Seine Zeit ist zumindest für mich vorbei. Ich habe neunundzwanzig Jahre gemacht, was er wollte. Ich habe ein weiteres Jahr gemacht, was du wolltest. Jetzt mache ich, was ich will. – Du solltest aufgeben, Slim. Diese Ranch ist so groß, dass sie viele Männer ernähren könnte. Du aber bist allein. Du brauchst nicht mehr.“

Slim kommt zwei Schritte auf seinen Bruder zu und bleibt wieder stehen. Er beugt den Oberkörper weit nach vorn.

„Wenn du jetzt zu ihr gehst und versuchst, die Rinder aus dem Tal zu bringen, brauchst du hier nie mehr herzukommen!“

„Ich weiß, Slim. Du hast mir die Bestimmungen seines Testamentes oft genug heruntergeleiert.“

„Du hast auch gar keine Chance! Ich werde die ganze Mannschaft auf dich hetzen!“

„Ich weiß, Slim. Du bist genauso, wie er war. Und deshalb kenne ich dich so gut. – Adios.“

Jack schiebt die Tür des Wohnraumes hinter sich zu und geht den langen Flur nach vorn. Er hört ein abgehacktes, trockenes Husten aus der Küche dringen.

Dann taucht Slims Frau Alice vor ihm auf. Sie lehnt sich an den Türpfosten, blickt ihn prüfend an, und ihr fahles Gesicht wird noch bleicher.

„Ihr habt so laut gesprochen, dass ich jedes Wort verstehen musste“, sagt sie. „Jack … willst du wirklich gehen?“

„Yeah, Alice, es tut mir leid. Irgendwann muss jeder Mann seinen Weg gehen. Vielleicht kannst du ihn dazu bringen, von diesem unsinnigen Verlangen, alles haben zu müssen, abzulassen.“

Alice schüttelt bekümmert den Kopf. „Nein, Jack, ich kann es nicht“, sagt sie schwach. „Er ist wie Dad. Er hört auf niemanden. Du könntest dir ein Tanzmädchen nehmen, eine Mexikanerin oder ein Halbblut, das wäre ihm gleich. Nur Hedy nicht, weil sie sein letzter Feind in diesem Tal ist.“ Sie hustet wieder und hält die Hand vor den Mund.

„Dir bekommt hier unten das Klima nicht“, sagt er leise. „Wann willst du endlich dem Rat des Docs folgen?“

„Ich kann hier nicht weg, Jack. – Es geht nicht.“

Jack geht an ihr vorbei und tritt auf die Veranda hinaus. Er blickt über den großen Ranchhof, über die Scheunen, Ställe und Corrals. Er weiß plötzlich, dass ihm alles fremd ist und er es leichten Herzens verlassen kann.

„Überlege es dir noch einmal, Jack“, hört er Alice hinter sich sagen. „Slim ist doch dein Bruder!“

Er steigt die Stufen hinunter, geht um das weiß leuchtende Haus herum und nimmt ein Lasso von der Eckstange des Corrals. Er geht durch die Umzäunung und fängt seinen Falben ein.

Als er ihn gesattelt in den Hof führt, steht Alice oben in der Tür.

„Jack …“

„Es tut mir leid, Alice. Doch ich weiß schon lange, dass der Tag kommen musste. Nun ist er da. Wenn du ihn zur Vernunft bringen kannst, werden wir gute Nachbarn sein.“

„Du willst wirklich auf alles verzichten?“, fragt sie ungläubig.

Er lächelt sie bitter an. „Was habe ich hier zu verlieren? Alice, hier ist, solange ich denken kann, Geld zusammengescharrt worden. Menschen wurden vertrieben oder umgebracht. Und warum? Nur aus Ehrgeiz. Nein, ich habe hier nichts zu verlieren.“

Er wendet sein Pferd und reitet vom Hof.

Alice blickt ihm nach, bis er hinter den Sagebüschen verschwindet. Dann wendet sie sich schwer um und geht ins Haus zurück. Sie durchquert den langen Flur und tritt ins Wohnzimmer.

Alice sieht ihren Mann am Kamin stehen. Er hat den Kopf auf den Unterarm gelegt und starrt auf den schwarz-verbrannten Rost.

„Was willst du, Alice?“, fragt er, ohne sie anzuschauen.

„Er ist fort, Slim.“

„Ich weiß. – Und?“

„Slim, er wird nie zurückkommen!“

Der Mann dreht den Kopf und blickt sie an.

„Yeah, ich weiß. Er ist von der harten Art, wie wir alle. Was er einmal sagt, wird er machen, egal, was kommen mag.“

„Es hat aber an dir gelegen, Slim.“

„An mir?“, fragt er heftig und macht einen Schritt vorwärts.

„Yeah, Slim. An dir! Du und dein Vater, ihr habt ihn immer wie einen kleinen, dummen Jungen behandelt. Dabei ist er dreißig Jahre, und er ist ein Kerl, der alles mögliche kann und sich vor nichts fürchtet.“

„Sprich weiter“, dehnt er, als Alice schweigt und sich auf die Unterlippe beißt.

„Du solltest ihn zurückrufen lassen, Slim. Es liegt jetzt an dir.“

„Er würde nicht kommen. Er hat sich mit Hedy Dyke verlobt. Vielleicht hat er es nur getan, um mich zu ärgern.“ Er blickt seine Frau an und sieht, dass sie nicht verwundert ist. „Hast du es gewusst?“

„Ich habe es geahnt, Slim. Und wenn du jetzt nicht sofort Frieden mit ihm schließt, wird hier im Tal viel Blut fließen. – Yeah, er ist wie ihr alle. Er ist hart! Aber er ist gerecht. Solange ich hier bin, hat er dafür gesprochen, die Kleinen auch leben zu lassen. Ihr aber habt sie vertrieben. Einen nach dem anderen!“

Slim Gates lacht schrill und abgehackt. „Stimmt! Wir haben sie vertrieben. Wir haben sie alle in die Flucht geschlagen. Und jetzt vertreiben wir ihn zusammen mit dem Girl. – Ah, er soll seine Freude an seinem Entschluss haben.“

Alice hustet trocken. Sie schüttelt den Kopf. „Er ist doch dein Bruder!“, ruft sie beschwörend und muss wieder husten.

„Und wenn schon. Er wollte es so. Und von dem Erbe bekommt er keinen Cent!“

„Das weiß er, Slim.– Denkst du, dass die Männer gegen ihn kämpfen werden?“

„Natürlich. Sie werden von mir bezahlt. Außerdem wird es ganz leicht sein. Er bringt die Herde niemals aus dem Tal. Allein mit ihr kann er gar nicht treiben. Die Tiere würden überall hinlaufen, nur nicht nach Tucson.“ Slim lacht wieder, es klingt gefährlich und gemein.

Alice hustet.

„Du solltest vielleicht zu der Kur fahren, von der der Doc sprach“, sagt er. „Wenn du in einem halben Jahr wiederkommst, spricht niemand mehr davon.“

Alice geht bis zum Tisch und stützt die Hände darauf. Sie sieht ihn zwingend an.

„Slim, ich fürchte, du unterschätzt ihn“, sagt sie herb.

Sie wendet sich hart um und verlässt das Zimmer.

Slim schüttelt den Kopf.

Der gnadenlose Slim: Harte Western Edition

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