Читать книгу Der gnadenlose Slim: Harte Western Edition - Heinz Squarra - Страница 8
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ОглавлениеAls Jack Gates den Hof der kleinen, ärmlichen Ranch erreicht, reiten die beiden Cowboys gerade im Osten über die Höhe einer Bodenwelle und verschwinden.
Aus dem Haus kommt ein Mädchen von etwa achtundzwanzig Jahren. Sie ist schlank, blond, hat ein schmales Gesicht, feste Lippen und sehr blaue Augen. Trauer steht in diesen Augen.
Jack steigt neben der Tränke aus dem Sattel und lockert seinem Falben den Bauchgurt.
„Sie sind beide fortgeritten, Jack“, sagt das Mädchen und kommt langsam über den Hof.
Jack dreht sich um. Er lehnt sich gegen den Sattel und nickt ihr zu.
„Ich weiß, Hedy“, entgegnet er.
„Sie sagten mir, dass du dazugekommen bist. – Jack, ich will dir dein Wort gern zurückgeben. Es hat keinen Sinn. Vielleicht hatten wir gestern etwas zu viel getrunken. Du sollst dich nicht mit ihm Überwerfen.“
Jack lächelt. Er legt die Hand auf ihre Schulter. „Es ist schon geschehen“, sagt er. „Ich war gestern auch nicht betrunken. Weißt du, einmal musste ich mich entscheiden.“
„Nein! Mindestens zehn Jahre hast du es ertragen. Solange bist du schon ein erwachsener Mann. Du solltest noch vier Jahre warten. Dann bekommst du deinen Anteil vom Erbe ausgezahlt und kannst gehen, wohin du willst.“
Er schüttelt den Kopf.
„Zu spät, Hedy. Es ist schon geschehen.“
„Du hast es … wegen mir?“
„Nein, Hedy.“
Sie dreht sich um, blickt über das niedrige Haus, das sich flach an den Boden duckt, über den windschiefen Stall und die Scheune hinweg.
„Es ist alles sinnlos!“, ruft sie hart. „Diese Ranch ist kaum noch etwas wert! Lediglich die zweitausend Rinder haben ihren Preis. Ich sollte sie ihm verkaufen. Vielleicht war sein Angebot gar nicht schlecht. Er wollte mir die Schulden erlassen und noch zweitausend Dollar draufzahlen!“
„Das wären mit deinen Schulden fünftausend Dollar, Hedy. Sehr wenig. Ich schätze, dass allein die Herde sechstausend einbringen könnte.“
Sie winkt ärgerlich ab und zeigt mit der Hand zu den Apache Mountains im Osten.
„Letzte Nacht sind wieder Rinder verschwunden. Etwa zehn Stück, wie ich an der Fährte erkannte. Was dein Bruder mir nicht nimmt, holt sich Jeff Rile mit seiner Bande!“
Jack blickt zu den Bergen hinüber. Er denkt an Jeff Rile, den er schon mehrmals in Caldwell traf. Alle Leute behaupten von ihm und seinen verwahrlosten Freunden, sie wären Banditen. Doch keiner konnte sie bisher beim Viehdiebstahl erwischen. Irgendwo da oben in den schartigen, zerklüfteten Bergen sollen sie hausen.
„Wenn er erst weiß, dass ich ganz allein bin, wird er mir alle Longhorns wegholen“, fährt Hedy bitter fort. „Vielleicht legt er sich eines Tages auch mit Slim an.“
„Niemand weiß, ob er der Dieb ist“, erwidert Jack flach und schaut sie an.
Sie dreht den Kopf.
„Natürlich ist er es!“, sagt sie scharf. „Er wurde noch nie gesehen. Außerdem holen die Rustler immer nur wenige Tiere. Sie bringen sie irgendwohin und machen sie zu Geld. Ich denke, dass sie keine große Gefahr sind.“
„Ich verstehe dich nicht, Jack. Warum hältst du zu diesen Männern? Sie sind Verbrecher! Ich hörte dich schon oft so reden. Der Krieg ist lange vorbei!“
„Yeah, Hedy. Aber sie leben immer noch. Sie waren alle einmal Soldaten und wurden zu Tramps und schließlich zu Gehetzten gemacht. Sie sind nicht schuld, dass sie so geworden sind.“
Hedy geht langsam zum Haus hinüber. Jack folgt ihr. Er tritt hinter ihr in den niedrigen Wohnraum. Er findet ihn einfach, aber sauber vor. Er setzt sich ans Fenster. „Was hast du vor?“, fragt sie.
„Wir haben doch alles besprochen, Hedy. Wir werden die Rinder aus dem Tal bringen. In Tucson bekommst du bestimmt sechstausend Dollar dafür. Davon bezahlst du deine Schulden. Wir werden Slim zwingen, in diesem Tal die Existenz einer zweiten Ranch anzuerkennen.“
Er blickt sie an und sieht, wie die Linien in ihrem Gesicht tiefer werden.
„Davon haben wir gesprochen, Jack. Aber du weißt doch so gut wie ich, dass wir keine Chance haben, mit den Tieren nach Tucson zu kommen. Slim kämpft nun nicht nur gegen mich.“
„Ich weiß.“
„Was hat es gegeben?“
„Nicht viel, Hedy. Er hatte die Peitsche in der Hand; wie früher unser Vater. Er ist genau fünf Jahre älter als ich – und nimmt die Peitsche!“
„Und weiter?“
Jack zuckt die Schultern. „Ich hatte den Colt in der Hand.“
„Aber du hättest nicht auf ihn geschossen?“
„Ich weiß nicht, Hedy. Ich glaube, wenn er zugeschlagen hätte, wäre ich sehr zornig geworden. Ein zorniger Mann kann vieles vergessen.“
Hedy geht zum Fenster und blickt nach Westen.
„Dieses Land sieht so friedlich aus“, sagt sie über die Schulter. „Dabei kann es kaum ein Tal in Arizona geben, in dem es schlimmer ist. – Jack, willst du wirklich …“
„Ich werde nach Caldwell reiten. Vielleicht kann ich eine Mannschaft anwerben.“
Sie dreht sich um und lehnt die Schulterblätter gegen die Scheibe.
„Er wird schneller sein als du“, sagt sie.
„Ich würde viel Geld anbieten, Hedy. Dein Geld!“
„Wie viel?“
„Mindestens das Doppelte von dem, was ein Cowboy verdient.“
„Dann würden uns vielleicht nur fünftausend Dollar übrigbleiben.“
„Es wäre genug.“
„Du wirst trotzdem niemanden bekommen. Sie werden alle Angst vor ihm haben.“
„Wir müssen ihnen eben soviel anbieten, dass sie ihre Angst überwinden“, entgegnet er rau. „Hedy, ich verlange von dir nur eines: Du darfst die Ranch nicht aufgeben! Ich werde das Geld beschaffen – irgendwie!“
„Was willst du damit beweisen?“
„Nichts.“
„Doch, Jack. Du willst ihm damit etwas beweisen. Du willst zeigen, dass du stärker bist. Aber du wirst Pech haben. Gegen ihn kommt niemand an. Auch du hast keine Chance!“
Sie dreht sich auf dem Absatz um und schaut wieder hinaus.
„Reiter!“, ruft sie plötzlich und wirbelt wieder herum. Sie sieht grau im Gesicht aus.
Jack ist mit zwei langen Schritten neben ihr. Er sieht den aufgewirbelten Staub, vor dem sich fünf Reiter herschieben. Sie kommen aus westlicher Richtung und halten genau auf die kleine Ranch zu.
„Es wird dein Bruder sein“, sagt sie flach. „Jack, jetzt wollen sie es ganz rau mit dir machen. Jetzt zwingen sie dich in die Knie! – Du solltest fliehen!“
Jack tritt noch näher ans Fenster und lehnt die Stirn gegen die heiße Scheibe.
„Wenn ich einmal fliehe, muss ich immer fliehen, Hedy“, sagt er durch die Zähne. „Und dann war alles umsonst. Dann hätte ich bei ihm bleiben können, um seinen Befehlen zu gehorchen. Dann würde ich mit seiner Mannschaft auf deine Rinder aufpassen. – Nein, ich bleibe!“