Читать книгу Eine echte königliche Affäre - Helen Juliet - Страница 9
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Theo schämte sich nicht, dass er weinte. Er war so überwältigt, als seine Oma vorsichtig den Gang im Zeremoniensaal des St. James-Palastes entlangging. Sie stand aufrecht, damit Prinz James höchstpersönlich den Orden an ihre Jacke heften konnte.
Zum Glück gab ihm eine nette Dame, die neben ihm saß, ein Taschentuch und ein warmes Lächeln. »Ich werde auch anfangen müssen zu weinen, wenn mein Mann nach oben geht«, vertraute sie Theo an.
Seine Oma hatte ihr ganzes Leben lang unermüdlich gearbeitet und alles getan, was sie konnte, um den Menschen in ihrer Umgebung zu helfen. Es hatte als Hobby begonnen, als Theos Großvater noch gelebt und in der Ford-Fabrik gearbeitet hatte. Aber jetzt war daraus ein Leben voller Wohltätigkeit geworden. Sie betrieb Suppenküchen im Gemeindezentrum und half freiwillig dabei, Kindern das Lesen beizubringen. Sie organisierte Trödelverkäufe und Backwettbewerbe, um Geld für Kliniken zu sammeln. Sie sorgte dafür, dass die Treffen der Anonymen Alkoholiker immer einen Raum hatten, und organisierte Spielzeugspenden vor Weihnachten für Kinder, die unter der Armutsgrenze lebten. Aber in letzter Zeit leitete sie die Rainbow Houses, mehrere Resozialisierungszentren für LGBT-Jugendliche, die sonst nirgendwo hin konnten. Der Stadtrat war zwar immer noch Eigentümer der Grundstücke, aber sie sorgte dafür, dass sie mit den grundsätzlichen Dingen ausgestattet waren, und brachte die Kinder dazu, sich mit den Beratern ihrer Schulen zu treffen und mit ihnen zu reden, um ihre Möglichkeiten zu besprechen, nachdem ihre Familien sie verlassen hatten. Sie verbrachte eine halbe Woche damit, diesen Jugendlichen das Kochen beizubringen, und half ihnen bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz. Sie konnte selbst kaum einen Computer einschalten, aber sie war mit unaufhörlicher Zuversicht dabei, um die Kinder dazu zu bringen, an ihren Lebensläufen zu arbeiten oder sich an ihren örtlichen Colleges zu bewerben.
Theo wünschte, er wüsste nicht aus erster Hand, wie es sich anfühlte, in dieser Position zu sein. Wenn er nicht seine eigenen Schwierigkeiten gehabt hätte, würde seine Oma dieser bestimmten Minderheit nicht helfen. Also sagte er sich, er sollte stolz und dankbar dafür sein, wie sich sein Schicksal entwickelt hatte. Jetzt half er seiner Oma bei allen Dingen, die sie begonnen hatte, und bemühte sich, damit niemand allein war und jeder die Hilfe bekam, die er brauchte. Es war nie leicht, mit dem Nichts an Budget zu haushalten und Spenden zu sammeln, aber Theo wusste, dass er ein Händchen dafür hatte. Immer wenn er an sich zweifelte oder an seinen Möglichkeiten verzweifelte, erinnerte er sich daran, dass diese Kinder außer ihn und Oma niemanden hatten, auf den sie sich verlassen konnten. Es war erstaunlich, was man mit einer Facebook-Seite und Knochenarbeit erreichen konnte, wenn man es für jemand anderes tat.
Theo klatschte kräftig Beifall, als eine weitere Frau ihren Orden des Britischen Empires erhielt, die Auszeichnung für jene, die sich in herausragender Weise für ihre Gemeinde eingesetzt hatten. Zu sehen, wie so viele anständige Menschen für ihre harte Arbeit anerkannt wurden, reichte aus, um den Glauben an die Menschheit wiederherzustellen. Es war leicht, das Schlimmste von seinen Mitmenschen zu erwarten. Aber da er von so vielen anderen wie seiner Oma umgeben war, musste er seinen Zynismus beiseiteschieben.
Nun war die Zeremonie fast vorbei, Theo entspannte sich ein wenig. Er saß mit den anderen Begleitpersonen im Zeremoniensaal. Die Geehrten wurden einer nach dem anderen nach der Preisverleihung nach hinten begleitet, wo er sich wieder mit seiner Oma treffen konnte. Er musste gestehen, dass das Innere des St. James-Palastes viel schöner war als das Äußere. Mitten im Zentrum von London sah es eher wie ein Gefängnis als wie ein Palast aus. Sein dunkles Mauerwerk, die eckigen Zinnen und die schwarz gestrichenen Türen, die alle von einem Meer aus Beton umgeben waren, wirkten, gelinde gesagt, ein wenig einschüchternd. Aber innen war alles von bunter Opulenz und Theo war völlig verzaubert. Normalerweise würde es ihn ärgern, so viel Reichtum auf einem Fleck zu sehen, wo er doch wusste, wie manche Menschen sich die Finger wund arbeiteten und trotzdem Probleme hatten. Aber er hatte seine zynische Seite vorerst abgestellt, sodass er sich an den unglaublich hohen, bemalten Decken erfreuen konnte. Jede Säule, jede Treppe, jeder Balkon war mit glänzendem Gold und poliertem Mahagoni verziert. Die Eingangshalle war in satten Lavendel-, hellen Rosa- und kräftigen Gelbtönen gehalten, aber alles im Zeremonienraum war rot, golden und cremefarben. Theo genoss es, seinen Blick schweifen zu lassen, bis sich die Zeremonie dem Ende neigte und er alle Kunstwerke der ehemaligen Monarchen und die Beefeaters betrachtet hatte, die seit anderthalb Stunden in ihren schicken Uniformen stillstanden, ohne auch nur einen Muskel zu rühren.
Er bemühte sich nach Kräften, nicht auch Prinz James zu bewundern. Theo fand, dass James in den Zeitungen ein bisschen wie ein Idiot rüberkam. Er schien seinen Job in der Armee nicht halten zu können und konnte nicht aufhören, sich fotografieren zu lassen, wenn er betrunken war und in Springbrunnen hüpfte. Eine Ausbildung in Eton, der besten Jungenschule des Landes, und er hatte trotzdem nicht viel aus seinem Leben gemacht, oder? Aber als Theo ihm leibhaftig gegenübersaß, nur sechs Meter entfernt, musste er zugeben, dass der Adelige etwas absolut Faszinierendes an sich hatte. Er strahlte Charme aus und behandelte jede einzelne Person, der er eine Auszeichnung überreichte, mit Sorgfalt und Augenmerk. Es schadete auch nicht, dass er über 1,80 m groß war, einen straffen, breiten Körper hatte, der unter seinem maßgeschneiderten Anzug deutlich sichtbar war, dunkles Haar und Stoppeln sowie ein Lächeln hatte, das Theo den Atem raubte. Theo achtete jedoch darauf, nicht zu offenkundig zu gaffen. Er wäre gedemütigt, wenn ein echter Prinz ihn dabei erwischen würde, wie er schmachtete. Der Kerl sah auch nicht so aus, als ob er es gut verkraften würde, von einem anderen Kerl angemacht zu werden. Mit diesem markanten Kiefer und den stählernen Augen schrie er förmlich nach heterosexuell. Dennoch war er eine Verbesserung gegenüber den üblichen Jungs, die Theo an seinen Wochenenden in Dagenham bei Fix aufriss. Nicht, dass mit den Jungs aus Essex etwas nicht in Ordnung wäre. Theo war stolz darauf, selbst einer von ihnen zu sein. Aber selten konnte er ein so schickes männliches Exemplar bewundern.
Als James hinüberblickte, konzentrierte sich Theo sofort auf die Frau, die von dem leicht erhöhten Sockel hinunterstieg. Er hoffte, dass sein Starren nicht aufgefallen war, und ermahnte sich streng, sich für den Rest der Veranstaltung zusammenzureißen. Ein Typ wie Prinz James brauchte es nicht, dass sein Ego von einem Bürgerlichen geschmeichelt wurde. Und wenn er sich nicht geschmeichelt fühlte, brauchte Theo keinen Ärger mit den verschiedenen Militärangehörigen und dem Sicherheitspersonal, die überall herumstanden.
Schließlich neigte sich die Veranstaltung dem Ende zu. Es kam zu einem langsamen Aufbruch, als alle in einen anderen Raum gingen, um dort dem Getränkeempfang beizuwohnen. Sehr zu Theos Enttäuschung, gab es nur Wasser oder Apfelsaft im Angebot. Aber er vermutete, dass sie nicht wollten, dass die Leute randalierten und den Ort verwüsteten.
Er wusste, dass er sich unter die Leute mischen sollte, aber seine Oma hielt im Moment mit mehreren Personen Hof. Zweifellos verwöhnte sie sie mit einer ihrer vielen Geschichten und bat das Personal wahrscheinlich um eine Tasse Tee. Theo würde das nachher mit ihr beim Mittagessen besprechen. Nach einer schnellen Onlinesuche hatte er eine gute Lokalität gefunden. Die Art mit großen, fettigen, salzigen Pommes und richtigem Kuchen.
Da er einen Moment für sich hatte, beschloss er, sich in den Korridor hinauszuschleichen. Niemand hielt ihn auf, obwohl er sich nicht ganz sicher war, ob er allein draußen sein durfte. Aber er wollte nicht, dass jemand sah, was er tat. Man sollte sein Handy an der Tür bei dem sehr netten, aber strengen Einsatzteam abgeben. Theo hatte ihnen auch sein Handy gegeben, es war allerdings nur sein altes gewesen. Er hatte wirklich nicht vor, etwas Verbotenes zu tun. Er war erstaunt über seine Selbstbeherrschung, weil er nicht sofort mehrere Selfies machte. Die Wahrheit war, dass er alle Arten von E-Mails hatte, die er nicht stundenlang unbeantwortet lassen konnte, während er höflich mit Leuten plauderte, die er nie wieder in seinem Leben sehen würde. Seine Oma mochte das Herzstück aller Projekte sein, aber Theo hatte vor einigen Jahren erkannt, dass sie auch jemanden mit Geschäftssinn brauchte, der alles am Laufen hielt. Als er die Schule mit achtzehn Jahren verlassen hatte, war er erstaunt gewesen, dass sie noch nicht bankrottgegangen waren, nachdem er sich die Bücher angesehen hatte. Das wenige Geld, das Oma mit ihrer Rente erhielt, gab sie normalerweise für die Versorgung der Resozialisierungszentren aus, und ohne Theos Veranstaltungskalender für die Spendensammlungen wären sie in echte Schwierigkeiten geraten. Aber er hatte nichts, mit dem er arbeiten konnte. Nur Facebook-Seiten und andere Verbindungen, die er im Internet herstellen konnte. Es gab kein Budget, um richtige Wohltätigkeitsabende zu veranstalten, also musste sie mit dem vorliebnehmen, was die Öffentlichkeit hier und da geben konnte. Im vergangenen Jahr hatte er es geschafft, Leute dazu zu bringen, Marathonläufe für sie zu veranstalten; und sein größter Erfolg war eine Auktion gewesen, für die er sich allerlei brillante Preise hatte erschnorren können. Aber die alltägliche Realität war weniger glamourös. Er hatte Vereinbarungen mit örtlichen Bäckereien, um deren alte Ware zu übernehmen, und mit Bekleidungsgeschäften, um ihnen das, was sie am Ende der Saison nicht hatten verkaufen können, mit einem großzügigen Rabatt zu bekommen. Aber es gab immer wieder kleine Probleme mit den Resozialisierungszentren, wie ein kaputter Boiler oder undichte Wasserhähne. Als alleiniger Verwalter der Wohltätigkeitsorganisation hatte Theo das Gefühl, dass er an den meisten Tagen nie aufhörte.
Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn zusammenzucken und er drückte sofort die Taste, um sein Handy zu sperren, und ließ es in seine Brusttasche gleiten. Aber als er sich umdrehte, sah er keinen gereizten Wächter vor sich. Stattdessen blinzelte er, als ein kleiner, flauschiger Yorkshire-Terrier mit rotem Halsband zu ihm aufblickte und mit dem Schwanz wedelte. Theos Magen zog sich zusammen. Das musste einer der königlichen Hunde sein. Jeder wusste, dass die Queen immer ein Rudel Yorkies hatte. Der Hund wackelte mit dem Hintern, lief im Kreis und huschte dann den Korridor entlang, weg vom Zeremoniensaal.
»Nein, warte«, flüsterte Theo instinktiv und schnipste mit den Fingern. »Hierher, Hündchen. Nein, lauf nicht weg!«
Aber der kleine Schlingel hatte seinen Spaß. Er trabte los, mit dem Schwanz in der Luft, auf der Suche nach einem Abenteuer. Mit einem Blick über die Schulter, mit dem er Theo absichtlich zu ärgern schien, verschwand er um die Ecke.
»Scheiße«, zischte Theo.
Er stellte sein leeres Glas auf einen Tisch und eilte dem Kleinen hinterher. Er würde wahrscheinlich Ärger bekommen, weil er einen ringförmigen Abdruck hinterließ. Alle Möbel hier waren bestimmt Hunderte Jahre alt. Aber er machte sich mehr Sorgen darüber, dass der Yorkie irgendwo stecken bleiben oder sich aus einem Fenster winden könnte. Es war so heiß, dass sicher mehr als ein Fenster offen war. Er machte Kussgeräusche und pfiff leise, als er dem kleinen Teufel nachjagte, aber als er um die Ecke kam, war er nicht zu sehen. Theo kaute auf seiner Lippe herum und ging den Flur hinunter, seine Augen huschten nach links und rechts.
»Hierher, Hündchen«, rief er so laut, wie er sich traute. Er wollte wirklich nicht herumschnüffeln. Aber er wäre glücklicher, wenn er wüsste, wo der Kleine hingegangen war. Glücklicherweise waren die meisten Türen entlang des Korridors geschlossen.
Als Theo die nächste Kurve nahm, hatte er sein Ziel gefunden. Seine Erleichterung war jedoch nur von kurzer Dauer. Der Yorkie hatte sich in einer Tischdecke verbissen und machte kleine Grunzlaute, als er daran zupfte und versuchte, das verdammte Ding runterzuziehen. Die blau-weiße Porzellanvase, die in der Mitte des kleinen, aber hohen Tisches stand, wackelte gefährlich.
»Nein!«, rief Theo und stürzte nach vorn, als die Vase über den Rand kippte. Er schnappte sie aus der Luft und drückte sie an sich, während sein Herz aus seiner Brust zu springen drohte. »Scheiße«, flüsterte er schockiert, schaute auf die noch intakte Vase und fragte sich, wie viel sie wert war. Die Antwort war vermutlich: verdammt viel.
Der flauschige Hund schien keine Ahnung zu haben, wie viel Schaden er beinahe angerichtet hätte. Stattdessen riss er das Tuch vom Tisch und trottete schwanzwedelnd und stolz mit dem verdammten Ding weg, das wie die Schleppe eines Hochzeitskleides hinter ihm her flatterte.
»Nein, Hündchen!«, zischte Theo und hetzte dem frechen Kerl hinterher. »Komm zurück!« Er trat mit dem Fuß auf das Ende der Tischdecke, wodurch der Hund überrascht stehen blieb. Theo nutzte seinen Vorteil, um zu ihm zu stürzen. Die Vase sicher in einem Arm haltend, beugte Theo sich vor und nahm den Hund mit dem anderen, bevor er wieder weglaufen konnte. »Böser Junge«, sagte er und stellte ziemlich schnell fest, dass er ein Rüde war. Der Hund zappelte in Theos Armen und leckte seine Nase. Theo kam nicht umhin, zu lächeln. Aber jetzt hatte er das Dilemma: Zu wem sollte er gehen? Hatte er überreagiert? Waren die Yorkies die ganze Zeit frei im Palast herumgelaufen?
Als hätte jemand seine Vermutungen gehört, erklang eine Stimme hinter ihm, und Theos Herz setzte aus.
»Was glaubst du, was du da machst?«
Theo drehte sich um, als ein starkes Paar Hände nach ihm langte und den Hund aus seinem Arm riss, sodass Theo nur noch mit der Vase dastand. Dann schaute er auf und Theo erkannte, dass er mit keinem Geringeren als Prinz James des Vereinigten Königreichs von Angesicht zu Angesicht stand. Theos Mund öffnete sich, aber es kam kein Ton heraus. Prinz James blickte mit großen Augen auf ihn herab. Theo brachte etwas hervor, das als Glucksen durchgehen könnte.
James schien zur Besinnung zu kommen. Er schüttelte den Kopf und hielt den zappelnden Hund schützend in der Nähe seiner beeindruckenden Brustmuskeln. »Du warst gerade bei der Zeremonie.«
Theos erster Instinkt war es, auszuplaudern: Ihr habt mich bemerkt? Aber darum ging es nicht. »Äh, ja«, sagte er, seine Stimme war quietschend und seltsam.
James schaute finster drein. »Was machst du hier draußen mit Bertie?«, fragte er. »Oder der Vase, wenn wir schon dabei sind?«
»Bertie?«, wiederholte Theo; der Ton des Prinzen ließ ihn angespannt werden. Der kleine Hund wand sich stolz in seinen Armen. »Oh! Ich bin einfach rausgegangen und habe ihn herumlaufen sehen.«
»Und da dachtest du, du nimmst ihn und die Vase einfach auf den Arm?«
Theo runzelte die Stirn. »Er hätte die hier fast zerstört«, erwiderte er, drückte die Vase neben dem Hund in James’ Arme und nickte dem kleinen Kerl zu. »Außerdem wollte ich nicht, dass er sich verirrt«, fügte er hinzu und versuchte, sich nicht verletzt zu fühlen. »Aber wenn Ihr Euch gleich in die Hose macht, weil ich Eure Sachen anfasse, anstatt Euch bei mir zu bedanken, lasse ich Euch einfach in Ruhe.«
James schaute verdutzt. »Ich … Du solltest nicht hier draußen herumlaufen«, meinte er. »Das ist Vorschrift.«
»Richtig«, sagte Theo irritiert. »Also hätte ich einfach eine unbezahlbare Vase über seinem Kopf zerschlagen lassen sollen? Euch ist es vielleicht egal, ob er verletzt wird, aber mir nicht.«
»Das habe ich nie gesagt«, antwortete James gereizt. »Aber was soll ich denn denken, wenn du mit einer unbezahlbaren Vase und einem geliebten Haustier herumläufst?«
»Dass ich sie stehle offensichtlich.« Theo lachte und schüttelte den Kopf. »Wisst Ihr, Ihr tut so, als ob Ihr Euch um Leute wie meine Oma schert. Aber das ist alles nur Show, nicht wahr? Ihr wollt nur, dass das Publikum wie Schafe blökt und sagt, wie nett Ihr seid. Aber nach all dem seid ihr immer noch hier oben auf Eurem glänzenden, goldenen Thron. Wir helfen den Menschen. Was genau tut Ihr?«
James machte den Mund zu. War es Theos Einbildung oder sah er ein bisschen verletzt aus?
Theo fühlte sich schlecht, aber er war immer noch nicht begeistert davon, des Diebstahls beschuldigt zu werden.
»Du, ähm, arbeitest für die gleiche Wohltätigkeitsorganisation wie Mabel Smith?«, fragte James.
Theo hob eine Augenbraue. »Ja«, sagte er langsam. »Sie ist meine Oma. Woher wisst Ihr das?«
James verlagerte sein Gewicht. Er musste doppelt so groß wie er sein und hatte definierte Muskeln. Jetzt war nicht die Zeit, über all die Last nachzudenken, die auf Theo ruhte …
Er räusperte sich und warf James einen erwartungsvollen Blick zu.
»Ich habe gesehen, wie du dich für sie gefreut hast«, sagte James einfach. »Als sie ihren Orden erhielt. Du sahst sehr stolz aus.«
Seine Aussprache war der vornehmste Akzent, den Theo jemals im wirklichen Leben gehört hatte. Nicht wie er und sein Essex-Mundwerk. »Oh«, sagte er ein wenig ernüchtert. »Nun, ja, ich bin verdammt stolz auf sie. Sie hat jeden Tag ihres Lebens gearbeitet, wisst Ihr? Wurde mit nicht viel geboren. Hat immer noch nicht viel. Sie verschenkt alles«, erzählte er und schüttelte reumütig den Kopf.
James stellte die Vase auf ein nahe stehendes Sideboard und streichelte abwesend Berties Kopf. Der Hund schien sich in seiner Gegenwart beruhigt zu haben. »Sie klingt nach einer außergewöhnlichen Frau.«
Theo zuckte mit den Schultern. »Deshalb ist sie doch hier, oder nicht?«
James sah aus, als wollte er etwas anderes sagen. Doch dann fiel sein Blick auf Theos Brust und sein Gesichtsausdruck wandelte sich von verwirrt zu empört.
Unsicher, was eine solche Reaktion hervorgerufen haben könnte, blickte Theo ebenfalls nach unten. Sein Handy vibrierte, der Bildschirm leuchtete durch seine Hemdtasche.
»Du dachtest wohl, du könntest hier ein gutes Motiv für Instagram bekommen, was?«, fragte James kalt.
Eine Sekunde lang geriet Theo in Panik. Was, wenn sie es konfiszierten? Er konnte sich kein neues Gerät leisten und sie hatten sein Ersatzhandy. Aber dann entbrannte seine Wut. »Einige von uns haben Arbeit zu erledigen«, fauchte er. Er nahm das Handy aus seiner Tasche. Den Anruf hatte er verpasst. Er entsperrte es mit geübter Leichtigkeit. »Schau«, sagte er und öffnete seine Fotogalerie mit dem heutigen Datum. Natürlich gab es dort nichts Belastendes. »Meldet mich, wenn Ihr wollt, aber ich denke, es ist das Beste, wenn ich einfach gehe. Leute wie ich gehören nicht an einen Ort wie diesen. Offensichtlich.« Er schluckte und versuchte, sich nicht von den Tränen der Frustration überwältigen zu lassen, aber er war immer noch emotional von der Zeremonie.
James leckte sich über die Lippen. Im Gegensatz zum Rest von ihm sahen sie weich und zart aus. Theo verfluchte sich, weil sie ihm aufgefallen waren. »Wir haben strenge Richtlinien für die Sicherheit des Personals, nicht nur für die Familie«, sagte James leise, aber bestimmt. »Es ist nicht, weil wir gemein sein wollen. Danke, dass du dich um Bertie gekümmert hast. Ich entschuldige mich für die Anschuldigung.« Er nickte steif und machte auf dem Absatz kehrt. Er ging mit dem Hund den Korridor entlang in die entgegengesetzte Richtung des Festsaals.
Theo steckte sein Handy wieder in die Hosentasche, wo es weniger auffällig war, und beobachtete den Mann beim Weggehen. Als seine Wut abgeklungen war, fühlte er sich nur noch ein kleines bisschen schuldig. Er hatte schließlich die Regeln gebrochen. Aber James hatte kein Recht, so mit ihm zu sprechen. Prinz James erinnerte er sich streng. Er konnte mit Menschen sprechen, wie auch immer er wollte. Verdammt noch mal, Theo hatte gerade ein Mitglied der Königsfamilie getroffen und es angemeckert. Das war nicht gerade ideal. Es war gut möglich, dass er überreagiert hatte. Seine Scham überwog nun definitiv seine Wut. Aber gleichzeitig hätte James nicht so unhöflich zu ihm sein dürfen, wo er doch nur versucht hatte, zu helfen.
Er seufzte. Die vielleicht beste Lösung war, so schnell wie möglich hier rauszukommen und sich eine Rum-Cola zu holen und die Sache einfach zu vergessen. Hoffentlich hatte Oma sich gut amüsiert. Es war nun Theos Chance, sie für alles, was sie erreicht hatte, ein wenig zu verwöhnen. So peinlich die Begegnung auch gewesen war, er musste Prinz James nie wiedersehen. Zweifellos würde der Prinz den großmäuligen Bürgerlichen, dem er begegnet war, schon bald vergessen. Theo hatte in seinem Leben genug zu tun, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was ein hochnäsiger Adeliger von ihm hielt.
Nach ein paar Stunden glaubte er es fast.