Читать книгу Joshua und das Biest - Helen Juliet - Страница 10
Kapitel 6
ОглавлениеJoshua
Joshua würde nicht aufgeben. Auf keinen Fall. Er hatte noch so viel vom Leben vor sich. Das war nicht das Ende. Es durfte nicht sein.
Das wäre einfach nicht fair.
Aber das Leben war nicht fair. Egal, wie sehr er in den Tiefen des eiskalten Wassers um sich trat, er fand keinen Halt. Wie tief war dieser See? Wo war die Oberfläche? Es war egal. Seine Kleidung zog ihn nach unten, als wäre sie Steine an seinen Füßen.
Nein! Er konnte nicht einfach aufgeben! Aber seine Lungen und Augen brannten und er spürte, wie ihn die Kraft verließ. Er streckte noch immer die Arme aus, trat um sich und betete, dass ein Wunder geschah.
Er wurde am Handgelenk gepackt.
Entsetzen rauschte durch ihn hindurch und ließ ihn den letzten, kostbaren Atemzug herausschreien. Doch dann wurde er hinausgezogen und sein Kopf drang durch die Wasseroberfläche. Hustend und keuchend schnappte er nach Luft und schlug noch immer um sich, als er versuchte sich aufzurichten.
»Ich hab dich. Ich hab dich.« Die Stimme war rau und tief. Joshua zuckte zusammen, als zwei große Hände seine Schultern packten.
Plötzlich starrte er zu einem triefnassen Darius auf.
»W-wa-?«, stammelte Joshua, während Darius im Wasser trat und ihn noch immer an den Schultern hielt. Verdammte Scheiße, er war so verwirrt und hatte noch nie so gefroren. Die Kälte schien direkt durch seine Knochen zu schneiden. Sein Kopf pulsierte und seine Lungen brannten noch immer, als Darius ihn zu der Stelle zog, an der er gestürzt war. Joshua erkannte nun, dass es ein Steg war und er war davon abgerutscht.
Er war ein Idiot.
Schnell zog sich Darius aus dem eiskalten See und das Wasser lief in Strömen an ihm hinab, als sich Joshua ohne Gefühl in der Hand an den Rand des Stegs klammerte. Dann zog Darius ihn ebenfalls aus dem Wasser.
Joshua war nicht sicher, ob es außerhalb des Wassers besser oder schlimmer war.
»F-f-fuck«, stammelte er und zitterte so heftig, dass er das Gefühl hatte, auseinanderzufallen. Schneeflocken wirbelten um sie herum durch die Luft und der Sturm heulte noch immer wie ein verwundetes Tier. Joshua war sich vage bewusst, dass sich Da-rius von ihm entfernte und seine riesigen Füße in noch größere, trockene Stiefel schob. Dann nahm er einen Mantel, der an einem Ast hing und legte ihn Joshua um die Schultern. Joshua stöhnte, als ihn augenblicklich Erleichterung überkam und er wehrte sich nicht, als Darius ihn an seinen breiten Körper zog und ihm heftig über den Rücken rieb.
»Wir müssen dich sofort zurück nach Thorncliff bringen«, bellte Darius.
Joshua wollte zustimmen, aber seine Zunge schien nicht zu funktionieren. Also dachte er nicht einmal daran zu widersprechen, als Darius ihn wie eine verdammte Puppe hochhob und zwischen den Bäumen hindurchtrug.
Würde er ihn den ganzen Weg nach Hause tragen? Das schien zu viel zu sein. Joshua schlug gegen Darius' Brust und versuchte, ihm zu sagen, dass er ihn runterlassen sollte, weil er selber laufen konnte. Aber plötzlich tauchte da ein Pferd auf. Wo kam es her?
Joshua zog den riesigen Mantel um sich, als Darius ihn hochhob und seitlich auf den Sattel setzte. Dann schob er seinen Fuß in den Steigbügel und zog sich ebenfalls hinauf, ein muskulöses Bein über den Pferderücken schwingend. Er zog Joshua an sich und hielt ihn mit seinem starken Arm fest. Mit der anderen Hand fasste er die Zügel und lenkte das wiehernde Pferd herum. Und dann galoppierten sie durch die Bäume.
Joshua hatte noch nie auf einem Pferd gesessen, geschweige denn seitlich. Es war eine holprige und irgendwie überwältigende Erfahrung. Aber Darius drückte ihn die ganze Zeit über an seine Brust, sodass er sich sicher fühlte.
Der Wind peitschte erbarmungslos um seine Ohren und seine Hände fühlten sich noch immer an, als würden sie Darius' Mantel wohl nie wieder loslassen. Eigentlich fühlten sie überhaupt nichts mehr. Sie waren so taub. Sein Kopf kippte zur Seite, als ihn plötzlich Erschöpfung überkam und schlug gegen Darius' Brust.
»Nein!«, schrie Darius und erschreckte Joshua so heftig, dass er sofort wieder aufwachte. »Bleib bei mir, Joshua. Schlaf nicht ein!«
Joshua wollte nach dem Warum fragen. Schlaf hörte sich nach einer wirklich guten Idee an. Aber dank Darius' Schrei rauschte wieder Adrenalin durch seine Adern und ließ sein Herz rasen. Also nickte er an Darius' Brust, um ihm zu zeigen, dass er ihn verstanden hatte.
Als sie die Baumgrenze durchbrachen, war er beinahe ebenso erleichtert, wie als er endlich wieder aus dem Wasser aufgetaucht war. Schnee und Wind waren hier schlimmer, aber es fühlte sich an, als könnte er wieder atmen. Er keuchte und füllte seine Lungen mit kalter Luft.
Das Schloss war in Sicht.
Erneut versuchte der Schlaf, Joshua zu überwältigen, also fing er an zu zählen und redete sich ein, dass sie den Haupteingang erreichten, bevor er bei hundert angelangt war.
Bei dreiundsiebzig zügelte Darius das Pferd, sodass es sich wiehernd aufbäumte. Ein Mann, den Joshua zuvor noch nicht gesehen hatte, tauchte aus den Ställen hinter dem Esszimmer auf, aus dessen Fenstern Joshua am ersten Abend hinausgesehen hatte.
»Geht es ihm gut?«, fragte der Mann und tätschelte dem Pferd vertrauensvoll die Nase. Er musste in den Ställen arbeiten, was wahrscheinlich der Grund war, warum Joshua ihn bis jetzt nicht gesehen hatte.
Während er über Angenehmes nachdachte, weil sein Kopf zu erschöpft war, um sich mit etwas anderem auseinanderzusetzen, schwang sich Darius vom Pferd. »Schh, Hephaistos«, murmelte er und rieb dem Pferd über die Nüstern, ehe er seine Stirn dagegen legte. »Du warst großartig. Paulo, kümmern Sie sich heute besonders gut um ihn. Er hat viel durchgemacht.« Darius sah zu Joshua auf. »Ich kümmere mich um alles andere. Es ist in Ordnung.«
»Natürlich, Sir«, sagte der Stallbursche, obwohl er nicht wirklich überzeugt aussah, dass alles in Ordnung war und Joshua musste ihm zustimmen.
Er fror jämmerlich.
Mit klappernden Zähnen versuchte er, vom Sattel zu rutschen, doch dann war Darius da, zog ihn wieder in seine Arme und trug ihn über das Gelände ins Schloss. Joshua stöhnte angesichts der plötzlichen Wärme, als sie über die Schwelle traten. Bis zu diesem Moment hätte er Geld darauf verwettet, dass sich das Schloss für immer wie ein Grab anfühlen würde. Seit seiner Ankunft war er jede Nacht mit drei Wärmflaschen ins Bett gegangen. Doch jetzt fühlte es sich angenehm warm und einladend an.
Nach einem Zuhause.
Er klammerte sich an Darius, als sie die Treppe hinauf und durch die hellen Flure rannten. Leuchteten diese Lampen noch immer, nachdem Joshua sie vor Stunden eingeschaltet hatte? Wie lange war das überhaupt her? Wenn man Joshua fragte, könnten es auch Tage sein.
Langsam kehrte seine Wahrnehmung zurück, so weit, dass er erkannte, dass sie auf Darius' Privaträume zusteuerten, in die Joshua nicht hineindurfte. Doch jetzt zögerte Darius nicht, als er durch die verschiedenen Türen ging und Joshua in ein abgedunkeltes Badezimmer brachte. Vorsichtig stellte er ihn wieder auf die Füße und überzeugte sich, dass er allein stehen konnte, bevor er ihn losließ. Dann schaltete er ein paar Lampen ein und öffnete einen Schrank. Er nahm mehrere große Handtücher heraus, die er Joshua hektisch über den voluminösen Mantel über die Schultern legte, ehe er über seine eigene nasse Kleidung rieb und sich ein Handtuch umlegte.
Zitternd sah Joshua zu, wie Darius die freistehende Kupferwanne füllte und hin und wieder mit seinen Stiefeln auf den Fließen ausrutschte. Er gab auch eine Art Öl ins Wasser, sodass sich die Luft mit dem schweren Duft von Lavendel füllte und Seifenblasen über dem dampfenden Wasser aufstiegen. Darius hatte die Schultern unter dem Handtuch hochgezogen und er machte ein finsteres Gesicht, während er zusah, wie sich die Wanne füllte.
Joshuas Zähne klapperten, während er dastand und sich lächerlich fühlte. Er hatte diesen verdammten Aufstand verursacht. Es war beinahe zu viel, bei Darius zu bleiben. Er schämte sich so. Aber es schien ihm unmöglich, seine eiskalten Füße zu bewegen. Viel mehr, als das Profil seines Retters in dem matt erleuchteten Raum zu mustern, konnte er nicht tun.
Darius hätte ihm nicht folgen müssen. Eigentlich hätte es viele Probleme gelöst, wenn Joshua einfach im Schneesturm verloren gegangen wäre.
Warum war er ihm also gefolgt?
Joshua war nicht bewusst gewesen, wie fest er die Arme um sich geschlungen hatte, bis Darius sich abrupt umdrehte, Joshua die Handtücher und den Mantel abnahm und dann seine steifen Finger von seinen Armen löste. Methodisch zog Darius ihm die eiskalten, triefnassen Klamotten aus, riss ihm die ruinierten Schuhe von den Füßen und warf alles auf einen Haufen. Als er bei der Unterwäsche ankam, zögerte er nicht und zog sie ihm einfach nach unten, als wäre es vollkommen normal, ihn nackt zu sehen.
Joshua hatte kaum Zeit überrascht aufzukeuchen, bevor Darius ihn auf seine muskulösen Arme hob und vorsichtig in die nun volle Badewanne setzte. Das Wasser war beinahe zu heiß und Joshua zischte, aber nach dem Schnee und dem bitterkalten Wind war es auch herrlich. Innerhalb weniger Sekunden seufzte Joshua und ließ sich bis zum Kinn ins Wasser sinken. Er war froh, dass der Schaum mittlerweile seine Nacktheit bedeckte.
Darius drehte die beiden Wasserhähne ab und das Metall quietschte laut. Doch dann war es im Badezimmer seltsam still. Joshua hatte beinahe Angst, sich zu bewegen und das Wasser aufzuwühlen. Er sah zu, wie Darius zu Boden sank und sich mit dem Rücken an die Wanne lehnte, die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in die Hände sinken ließ.
Der Lavendel in der heißen Luft öffnete Joshuas Lungen und machte ihn hellwach. Seine Haut kribbelte vor Erwartung, was als Nächstes passieren würde. Die Schuldgefühle fraßen ihn bei lebendigem Leibe auf und es dauerte nicht lang, bis sie aus ihm herausplatzten.
»Es tut mir leid.«
Er biss sich auf die Lippe und musterte in Erwartung von Darius' Reaktion seinen Hinterkopf.
Darius schnaubte und ließ die Hände zwischen die Knie sinken, den Kopf noch immer gesenkt. Die Stille breitete sich aus und ließ Joshua in dem Glauben, dass Darius vielleicht nicht antworten würde.
Allerdings tat er es schließlich.
»Du bist hier kein Gefangener«, sagte er schwerfällig, ohne den Blick von dem gesprungenen Fließenboden zu heben. »Ich meinte nicht… Ich weiß, dass keiner von uns das hier wollte. Aber ich hätte dich nie anschreien oder diese schrecklichen Dinge sagen sollen. Ich hasse es, dir Angst gemacht zu haben.«
Joshua schluckte. Das waren wahrscheinlich die freundlichsten Worte, die er bis jetzt in einem Rutsch von Darius gehört hatte. Unwillkürlich wärmten sie ihn ein wenig.
»Ich hätte nicht wie ein Kind im Wutanfall mitten im Nirgendwo in einen Schneesturm rennen sollen«, sagte Joshua mit zusammengebissenen Zähnen. Immerhin hatten sie aufgehört zu klappern. »Es war dumm. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe.«
»Dass du von mir wegwolltest«, knurrte Darius. »Ich mache dir keinen Vorwurf.«
Aus irgendeinem Grund tat das weh. Ja, Joshua hatte um sich geschlagen und versucht, einen Teil Kontrolle zurückzuerlangen. Aber Darius hatte die Situation, in der sie sich befanden, nicht verursacht. Letztendlich waren sie beide Opfer.
Joshua hob seine rechte Hand aus dem Wasser und die Tropfen fielen laut auf die Oberfläche, als er sein Bestes gab, um sie trocken zu schütteln. Dann legte er seine Hand auf Darius' Schulter und drückte sie durch das Handtuch. »Ich hatte Angst«, gab er zu und versuchte angestrengt, das Zittern aus seiner Stimme fernzuhalten. »Du hast mich wirklich angeschrien. Aber… Es war falsch, einfach so reinzuplatzen. Ich verstehe, warum du aufgebracht warst.«
Zu seiner Überraschung legte Darius plötzlich seine große, schwielige Hand auf seine und drückte sie fest. Sie war eiskalt und erinnerte Joshua daran, dass Darius ebenfalls im See gewesen war. Darius ließ seine Hand beinahe so schnell wieder sinken, wie er sie gehoben hatte, sodass Joshua angesichts dieses Anflugs eines Gefühls der Atem stockte.
»Nichts entschuldigt diese Art von Wutanfall«, sagte Darius und die Bitterkeit in seiner Stimme machte Joshua das Herz schwer. »Ich will nicht, dass du Angst vor mir hast. Das würde ich hassen.«
Joshua leckte sich die Lippen, unsicher, ob er seine Hand zurückziehen sollte, oder nicht. Anstatt sie einfach unbeholfen liegen zu lassen, drückte er Darius' Schulter, in der Hoffnung, dass es aufmunternd wirkte, ehe er seinen Arm wieder in das warme Wasser sinken ließ. Er war es nicht gewöhnt, jemand anderen als seinen Vater zu trösten – nicht einmal einen Freund, da sich Joshua bewusst den Großteil seines Lebens von ihnen ferngehalten hatte. Deshalb war ihm etwas schwindlig, weil er einem anderen Mann in einem so intimen Moment Mitgefühl entgegengebracht hatte.
»Ich glaube nicht, dass ich Angst vor dir habe«, sagte er langsam. »Es sei denn, du brüllst und wirfst Dinge. Also vielleicht, ähm…«
»Sollte ich das weniger tun?«, schlug Darius vor.
Bildete sich Joshua das nur ein, oder hatte ein Hauch von Heiterkeit in diesen Worten gelegen?
Er schluckte und betrachtete stirnrunzelnd Darius' Hinterkopf, während er versuchte, sein Herz nicht zu sehr rasen zu lassen. Aber das war alles, was er wollte. Ein wenig Freundlichkeit und Kameradschaft. Himmel, selbst diese wenigen Worte reichten aus, um Joshua etwas Glauben daran zu schenken, dass er nicht mit einem totalen Monster verheiratet worden war.
»Wir stecken gemeinsam drin«, sagte Joshua entschieden. »Wir müssen einfach besser miteinander umgehen, das ist alles.«
»Ich werde mich bessern«, sagte Darius. Es klang wie ein Versprechen.
»Danke«, antwortete Joshua und sah hinunter aufs Wasser. Es war beeindruckend, wie schnell es durchs Joshuas ausgekühlten Körper nicht mehr siedend heiß, sondern nur noch lauwarm war. Darius war vielleicht doppelt so groß wie er, aber er musste sich trotzdem auch aufwärmen.
Eine einzige, rätselhafte Sekunde lag Joshua der Vorschlag auf der Zunge, dass Darius mit ihm in die Wanne kommen sollte. Wahrscheinlich würde er reinpassen, aber die Vorstellung, dass sie sich den Platz gemeinsam nackt teilten, war vollkommen lächerlich, ganz zu schweigen davon, dass es absolut peinlich wäre. Also schlug Joshua es nicht vor. Aber er machte sich noch immer Sorgen um seinen Retter.
»Du musst aus diesen Klamotten raus«, krächzte Joshua. Er riss die Augen auf, als ihm klar wurde, was er gerade angedeutet hatte. »Du holst dir noch den Tod!«, fügte er quietschend hinzu und das Badewasser schwappte, als er sich etwas gerader hinsetzte. »Ich meine, also…«
Darius warf einen Blick über die Schulter und nickte. »Bleib da.« Er stand auf und ging durch die Tür in den einzig angrenzenden Raum, von dem sich Joshua ziemlich sicher war, dass es sich um sein Schlafzimmer handelte. Er hatte nicht gerade eine Karte erstellt, als sie hierhergekommen waren.
Als er Rascheln und das Öffnen und Schließen von Schubladen hörte, kam Joshua zu dem Schluss, dass er vielleicht eine oder zwei Minuten hatte. Also ließ er einen Teil des lauwarmen Wassers ab und drehte dann den Wasserhahn auf, um heißes nachfließen zu lassen. Außerdem gab er noch einen Schuss von dem Lavendelöl hinzu, sodass mehr Schaum seinen nackten Körper bedeckte. Darius hatte ihn bereits gesehen, aber es gab einen Unterschied zwischen einem kurzen Blick und entblößt daliegen.
Gerade als Joshua den quietschenden Wasserhahn abdrehte, kam Darius zurück. Er trug eine Jogginghose, einen Kapuzenpullover, andere Schuhe und einen Bademantel. Er war nicht sauber, aber zumindest sah er warm aus. Er hatte ein relativ großes und flaches Kissen in der Hand, das er auf den Boden warf, auf das er sich im Schneidersitz setzte und Joshua ansah.
Joshua schluckte.
Jetzt war er besonders froh über den Schaum, als er sich an den Rand der Kupferwanne klammerte und Darius darüber hinweg ansah. Einen Augenblick lang musterten sie einander einfach nur.
»Sag mir, wie ich ein besserer Ehemann sein kann«, platzte Da-rius heraus. Dann rutschte er unbehaglich hin und her und sah auf die dreckige Kleidung auf dem Badezimmerfußboden hinab.
Etwas Seltsames zog sich bei der Verwendung des Wortes Ehemann in Joshua zusammen. Es war beinahe, als würde das Wort endlich etwas zwischen ihnen bedeuten.
Aber das war albern. Darius fragte nur, wie sie diese unglaublich ungewöhnliche Vereinbarung zwischen ihnen verbessern konnten.
Joshua räusperte sich und leckte sich die Lippen, wobei er einen Hauch von Lavendel aus dem Wasser schmeckte. »Ich weiß es nicht«, sagte er leise. »Ich hatte vorher noch nicht mal einen Freund.«
»Aber du bist…«, setzte Darius an. Seine Augen blitzten auf und sein Blick bohrte sich direkt in Joshuas. Dann wurde der Ausdruck in ihnen sanfter. Darius schluckte und schien darüber nachzudenken, was er sagen wollte. »Das überrascht mich.«
Joshua versuchte, vor Verlegenheit nicht rot zu werden. Er hätte genauso gut ein Schild um den Hals tragen können, auf dem stand: Ich bin eine dicke fette Jungfrau! Aber Darius schien ihn nicht zu verspotten, also zuckte Joshua lediglich mit den Schultern.
»Ich weiß nicht, wie man sich in einer Beziehung verhält. Ich weiß nicht, wie man mit einem Partner zusammenlebt.«
Darius legte den Kopf schräg und seine dunklen, struppigen Haare glänzten im Schein der Lampe. »Dann erzähl mir vielleicht, was du weißt?« Joshua war überrascht, wie sanft die Worte waren. Darius gab ihm keinen Befehl. Er fragte ihn. Freundlich. »Ich meine, was denkst du?« Darius wirkte verlegen. »Mir ist bewusst, dass ich das überhaupt nicht gefragt habe, seit du hierhergekommen bist. Es tut mir leid.«
Joshuas Brust zog sich zusammen, aber es war nicht unangenehm. Dass sich Darius für seine Vernachlässigung entschuldigte, war irgendwie bedeutungsvoller als seine Entschuldigung für sein Brüllen und das Werfen von Dingen. Dieses schlechte Verhalten war viel einfacher zu erkennen, als subtil mit Schweigen bestraft zu werden.
Joshua hätte ihm beinahe gesagt, dass es in Ordnung war, aber das war es nicht. »Danke«, sagte er stattdessen und schenkte ihm ein zögerliches Lächeln. »Das weiß ich zu schätzen.«
Dann biss er sich auf die Lippe, legte das Kinn auf den Wannenrand und zermarterte sich den Kopf. Was dachte er? Was wollte er?
»Es wäre schön, dich etwas häufiger zu sehen«, sagte Joshua, nachdem er entschieden hatte, einfach ehrlich zu sein. Er war beinahe gestorben. Jetzt war nicht die Zeit dafür, um den heißen Brei herumzureden. »Ich weiß, dass du mich vielleicht nicht magst, aber…«
Er wollte sagen, dass sie gemeinsam in dieser Sache steckten. Allerdings unterbrach Darius ihn, bevor er seinen Satz beenden konnte.
»Ich mag dich«, sagte er mit rauer Stimme und sah wieder hinab auf die Fließen. Mit einem seiner rauen Finger fuhr er die Muster an den Rissen entlang. »Du bist freundlich und rücksichtsvoll.«
Joshua öffnete und schloss den Mund und starrte Darius an, als er den Kopf gesenkt hielt und die dunklen Locken sein Gesicht verbargen. Das hatte Joshua ganz und gar nicht erwartet. Woher wusste Darius, dass es so war? Hatte er gesehen, dass er freundlich und rücksichtsvoll war, wenn Joshua nicht hingesehen hatte?
Tja, einem geschenkten Gaul würde er nicht ins Maul schauen. »Oh, danke.«
»Ich werde aufhören, mich wie Nosferatu in meinem Turm zu verstecken.« Zu Joshuas Überraschung umspielte die Andeutung eines Lächelns Darius' Lippen, als er den Kopf hob.
Unwillkürlich musste Joshua daraufhin laut auflachen und das plötzliche Geräusch hallte laut in dem stillen Badezimmer wider. Das Wasser schwappte, als er sich die Hände über den Mund schlug, aber er war so erleichtert gewesen, irgendein Anzeichen von Wärme in Darius zu sehen, dass er zu geschockt gewesen war, um nicht zu lachen. Und jetzt lächelte Darius ihn wirklich an, mit Zähnen und allem drum und dran. Auf eine wundervolle Art und Weise war es seltsam.
»Okay«, sagte Joshua atemlos, sobald das Wasser wieder ruhig war. »Versuchen wir doch, uns kennenzulernen.«
Darius nickte. »Abgemacht.« Er zupfte an einem Faden seines Bademantels. »Möchtest du noch etwas, das ich tun kann? Ich habe die Verlegung der Internetverbindung vorangetrieben. Es tut mir leid, dass es noch nicht erledigt wurde.«
Wärme breitete sich in Joshuas Brust aus. Er wusste, dass Breitband keine klassisch romantische Geste war, aber für ihn fühlte es sich in diesem Moment sehr rührend an.
Nicht, dass irgendetwas davon eine Romanze war. Aber vielleicht konnten er und Darius Freunde werden? Oder zumindest keine Feinde?
»Das wäre großartig, danke«, sagte Joshua aufrichtig. Dann erinnerte er sich daran, warum er vorhin Internet haben wollte. Nicht nur, um mit seinem Dad und der Außenwelt wieder Kontakt zu haben. »Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich vielleicht… Ich meine, wenn es dich nicht stört… Es ist nur so, dass sich im Moment niemand darum kümmert…«
»Spuck's aus«, sagte Darius bestimmt und hob die Brauen.
Ein lustvoller Schauer erfasste seinen gesamten Körper und überrumpelte ihn. Wow. Scheinbar mochte Joshua es, wenn Darius die Kontrolle übernahm. Das war… neu.
Darius schüttelte den Kopf. »Du hast jedes Recht dazu, um etwas zu bitten. Wenn du nicht unverschämt bist, kannst du mich alles fragen. Das ist dein Zuhause. Ich glaube, wir müssen beide aufhören, so zu tun, als wärst du ein Gast, oder schlimmer noch, ein Eindringling.«
Joshua nahm sich einen Moment, um zu schlucken und über Darius' Worte nachzudenken. »Okay«, sagte er langsam. »Ich möchte versuchen, die Gärten wieder zu bepflanzen. Sie zu retten. Aber dafür bräuchte ich Mittel.« Eigentlich meinte er Geld, etwas, das er theoretisch gerade nicht hatte. Es lief alles über Darius' Familie.
Neugier spiegelte sich auf Darius' Gesicht wider, als er Joshua ansah. Joshua wollte sich unter der genauen Musterung winden und tiefer in den Schaum eintauchen. Aber da ihm gerade erst gesagt worden war, dass er bestimmter sein musste, weigerte er sich, nervös herumzurutschen.
Darius schluckte und einer seiner Mundwinkel zuckte, als er Joshua musterte. »Die Gärten hier haben meiner Mutter gehört, bevor sie zu krank wurde, um sich darum zu kümmern. Seitdem hat sich niemand mehr mit ihnen beschäftigt.« Darius blinzelte und schüttelte sich, als würde er aus einer Erinnerung auftauchen. »Du bekommst, was immer du brauchst. Ich richte dir eine Kreditkarte ein. Sobald das Internet angeschlossen ist und läuft, solltest du alles bestellen und dir hierher liefern lassen können.«
Joshua spürte, wie ihm der Mund aufklappte und er ihn wieder schloss, vollkommen verblüfft von Darius' Offenheit. Er hätte beinahe protestiert, dass sich besser ein Profi um die Gärten kümmern sollte, wenn sie seiner Mum, die offensichtlich nicht länger unter ihnen weilte, so wichtig gewesen waren.
Aber was zum Teufel sollte Joshua hier sonst tun, wenn er sich kein Projekt vornahm? Außerdem sorgte das Wissen, dass sie einst der ganze Stolz von Darius' Mum gewesen waren dafür, dass er sie noch mehr in ihrem alten Glanz erstrahlen lassen wollte.
Er würde es für sie beide tun. Und ihre Mütter.
»Ich hab meine Mum verloren, als ich klein war«, platzte Joshua heraus, unsicher, ob er das Richtige tat. Darius' Augen weiteten sich und einen Moment lang hielten sie den Blick des anderen gefangen.
»Es tut mir leid«, murmelte Darius schließlich.
Joshua nickte. Wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, erinnerte er sich kaum noch an sie. Er hasste es. Aber eine Sache wusste er.
»Sie mochte Rosen. Dads Firma hatte immer Probleme. Ich verstehe nicht wirklich, warum, da er der Boss war und so. Trotzdem waren wir immer ziemlich arm. Aber jedes Jahr hat Dad ihr zum Geburtstag eine einzelne Rose geschenkt und sie hat sie wochenlang am Leben erhalten. Dann hat sie die Blüten getrocknet und in ein Buch geklebt, mit einer kleinen Notiz dazu, was in diesem Jahr passiert ist. Zum Beispiel, dass sie einen neuen Job bekommen hat, oder als ich geboren wurde.«
Das Buch lag gerade hier im Schloss unter seinem Kissen im Schlafzimmer. Dad hatte es ihm nach Mums Tod gegeben und der kleine Joshua hatte sich selbst in den Schlaf geweint und sich wochenlang daran geklammert.
Darius lächelte ihn erneut an, aber dieses Mal war es nicht strahlend und voller Lachen. Es war etwas anderes.
Etwas Tieferes.
»Dann denke ich, dass du die Rosenbüsche als Erstes wieder zum Leben erwecken solltest«, sagte er und seine dröhnende Stimme war noch tiefer als sonst, als er mit leicht glänzenden Augen blinzelte.
Joshuas Herz schmerzte. »Das denke ich auch.«
Es waren winzige Schritte. Kaum ein Fortschritt. Aber für Joshua fühlte es sich gewaltig an, als hätten sie einen riesigen Sprung gemacht.
Vielleicht würde diese Ehe doch keine totale Katastrophe werden?