Читать книгу Joshua und das Biest - Helen Juliet - Страница 5
Kapitel 1
ОглавлениеDarius
Es war eine Weile her, seit Darius Legrand seinen Tag mit Mordgedanken begonnen hatte. Allerdings verlangten außergewöhnliche Umstände nach außergewöhnlichen Maßnahmen.
Er brüllte laut, als er gegen den Rahmen seines alten Himmelbetts trat und schob seine Arme ungehalten in den Blazer, den er aus seinem Schrank genommen hatte. Er hatte keine Gesellschaft erwartet, aber wie immer war sein Vater nur dafür aufgetaucht, ihn aus dem Konzept zu bringen. Darius würde ihm nicht die Befriedigung geben, ihn in seinem zerschlissenen Rugby-Pullover zu sehen, so viel war sicher. Aber das bedeutete, dass er sich zumindest ein Hemd und einen Blazer anziehen musste. Die Jeans würde er anlassen müssen. Er hatte nicht genug Zeit.
Das Anziehen war eine nervige Angelegenheit, die Darius vorzugsweise nur einmal am Tag in Angriff nahm. Obwohl es ihm gelungen war, den Blick in den Spiegel zu vermeiden, hatte er trotzdem den vertrauten, bitteren Geschmack im Mund und die dröhnenden Kopfschmerzen, die von der Erinnerung an seinen Körper ausgelöst wurden. Alles in allem kochte er vor Wut, bis er den Kampf gegen den Blazer gewonnen hatte.
»Wie lange wartet er schon?«, fragte er, als er aus seinem Schlafzimmer eilte.
»Etwa zehn Minuten, Sir«, sagte Bartholomew trocken und hob eine Braue. »Wissen Sie, es ist noch nicht zu früh für Whisky.«
Bartholomew, Darius' Butler und leider die Person, die in diesen Tagen einem Freund am nächsten kam, hatte wahrscheinlich recht. Unter Umständen wäre Whisky nicht ausgeschlossen, selbst wenn es noch nicht Mittag war. Aber Darius' letztes Stück Verstand riet ihm, sich das Trinken für nach dem Treffen aufzuheben.
Zweifellos würde er es dann dringender nötig haben.
Darius schritt wie ein eingesperrtes Tier im Wohnzimmer seiner persönlichen Räumlichkeiten im Westflügel des Schlosses auf und ab. »Hat Victor Ihnen ernsthaft diese Nachricht geschickt?«, fauchte Darius und kämpfte mit der Krawatte an seinem Hals. Er wusste, dass es seinem Vater einen Kick gab, seinen einzigen Sohn herabzusetzen und solche Nachrichten über einen Bediensteten zu überbringen, würde ganz zu seinem verdrehten Humor passen. Aber das war selbst für ihn ein neuer Tiefpunkt.
»Wort für Wort«, sagte Bartholomew. Er war ein gepflegter Gentleman Ende fünfzig. Da er den Großteil seines Lebens für Darius' Familie gearbeitet hatte, schienen ihn Victor Legrands Spielchen nicht zu beeindrucken. Allerdings war er auch nicht derjenige, dessen Leben gerade auf den Kopf gestellt wurde. »Ich habe einen Teil des teuflischen Lachens weggelassen. Möchten Sie das Schreiben mit der ursprünglichen Selbstgefälligkeit und Böswilligkeit hören?«
»Nein, danke«, knurrte Darius.
Er gab seine Versuche mit der verdammten Krawatte auf und warf sie weg. Sie landete auf einer leeren Vase, die auf einem der Schränke stand, Staub angesetzt und schon seit Jahren keine Blumen mehr beinhaltet hatte. Die Krawatte warf sie um, sodass sie auf dem Steinfußboden zersprang.
Darius und Bartholomew zuckten bei dem Lärm zusammen und erstarrten in der darauffolgenden Stille für eine Schrecksekunde.
Darius ballte die Fäuste, kniff die Augen zusammen und zählte von fünf an rückwärts. »Es tut mir leid, Bartholomew«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Das ist kein Problem, Sir«, sagte Bartholomew sanft. »Ich räume das weg. Ich wollte mich nur mit einer Runde Solitär beschäftigen, während Sie Ihr Treffen haben. Gehen Sie jetzt nach unten. Ihr Vater wartet im Salon auf Sie.«
»Er wartet in meinem Büro?«, wiederholte Darius ungläubig, als er die Augen öffnete. Bartholomew hob erneut eine Braue, als würde er sagen: Was haben Sie sonst erwartet? Zumindest war er dort und lungerte nicht in Darius' geliebter Bibliothek herum. Der Schaden oder Unfug, den er im Salon, der in ein Büro verwandelt worden war, anrichten konnte, war im Vergleich zur Bibliothek gering. Darius sollte wohl für die kleinen Dinge dankbar sein.
Er atmete ein paarmal durch die Nase ein und aus, um sich zu sammeln. Die Ankündigung seines Vaters kam nicht vollkommen unerwartet. Er hatte seit Wochen damit gedroht, aber um ehrlich zu sein, hatte Darius gedacht, dass er nur Witze machte. Offensichtlich nicht. Zumindest hatte er weitere Diskussionen zu diesem Thema erwartet und nicht, dass er die Bombe einfach platzen lassen würde.
Aber das zeigte nur, wie begriffsstutzig er war, oder nicht? Er hätte voraussehen müssen, dass ihn sein Vater damit ohne seine Zustimmung überfallen würde.
»Ich bringe es wohl besser hinter mich«, murmelte Darius. Seine Stimmung war im Keller.
Bartholomew nickte. »Ich glaube, das wäre das Beste, Sir. Ich bereite ein Glas Whisky vor, sobald Sie fertig sind.«
Darius nickte. »Bedienen Sie sich auch.«
Bartholomew neigte den Kopf. »Oh, das hatte ich vor, Sir.«
Es hatte keinen Sinn, es noch länger hinauszuzögern. Es brachte seinen Vater nur noch mehr auf, wenn man ihn warten ließ. Er hatte mit den Fingern geschnippt, somit wurde von Darius erwartet, dass er antrat. Also marschierte Darius aus dem Westflügel weiter ins Innere des Schlosses.
Der Blazer passte nicht ganz, da sich Darius in den letzten Jahren nicht die Mühe gemacht hatte, einen neuen zu kaufen. Der Stoff spannte über den Muskeln, die er aufbaute, seit er sich frühzeitig aus der Army zurückgezogen hatte. Verärgert zupfte er daran, als er die Treppe hinuntereilte. Sein Kiefer war angespannt und er fühlte sich, als hätte er Fieber.
So sehr Darius es auch verabscheute, nach der Pfeife seines Vaters zu tanzen, wusste er aus früheren Erfahrungen, dass es Konsequenzen gab, wenn er nicht gehorchte. Aber das machte es nicht leichter, die Tatsache zu akzeptieren, dass er keine Kontrolle über sein eigenes Leben hatte. Mit jedem Schritt kochte er mehr vor Wut und verachtete das Schicksal, das ihm zuteilwurde. In siebenunddreißig Jahren hatte er sich an die aufdringliche Art seines Vaters gewöhnt, aber das überschritt jegliche Grenzen.
Und dieses Mal war es nicht nur Darius, den Victor manipulierte und nötigte.
Wut brachte Darius' Blut zum Sieden. Er versuchte erfolglos, seinen Zorn zu unterdrücken, als er durch die verlassenen Flure stapfte. Niemand konnte ihn so in Rage bringen, wie sein einziges verbliebenes Elternteil. Stattdessen ließ er seinen Nacken knacken und rollte seine muskulösen Schultern, um die Anspannung zu lösen, die seinen Körper in Granit zu verwandeln drohte.
Die Geräusche huschender Füße und zuknallender Türen nahm er nur gedämpft war, während er durch das dunkle und ausgestorbene Schloss ging. Normalerweise sah er keinen Sinn darin, das gesamte Gebäude zu erleuchten, wenn er ohnehin in seinen Räumlichkeiten blieb. Als er jedoch durch die Korridore marschierte, wurde er daran erinnert, wie leblos und ungeliebt alles in diesen vergessenen Winkeln war. Immerhin lebte er nicht allein hier.
Meistens schämte er sich zuzugeben, dass er ständig vergaß, abgesehen von Bartholomew und ein paar älteren Angestellten, auch noch andere Untergebene zu haben. Nichts ärgerte ihn mehr als Leute, die um ihn herumscharwenzelten. Es war jedoch nicht zu leugnen, dass ein Ort dieser Größe nicht intakt bleiben konnte, ohne dass es ein Team gab, das sich seiner Instandhaltung annahm. Er wusste, dass Thorncliff Castle trotz des bestehenden Personals Probleme hatte. Aber Darius konnte einfach nie die Kraft aufbringen, sich so um das Anwesen zu kümmern, wie er es sollte.
Eine weitere Tür quietschte und er hörte Geflüster, als er an dem lang verlassenen Kinderzimmer vorbeikam. Es wäre ihm lieber, sein Familiendrama nicht vor seinen Angestellten auszutragen, aber das konnte nicht warten und Tratsch verbreitete sich hier ohnehin wie ein Lauffeuer.
Es war besser, wenn er diese unschöne Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich brachte. Darius wappnete sich, ehe er die schweren Doppeltüren öffnete. »Vater«, sagte er barsch.
Wie erwartet stand Victor Legrand im Salon und musterte eines der Bücherregale, als hätte es ihn persönlich beleidigt. Er strich mit dem Finger über den Rücken eines der von der Sonne ausgeblichenen Bücher und rümpfte die Nase.
Es war leichter, ihn Victor zu nennen. Immerhin hatte Darius in fast vierzig Jahren keine elterliche Liebe von ihm erfahren. Die beiden Männer waren wie Tag und Nacht. Während Darius breit und muskulös war, mit dunklen, struppigen Haaren, die den Großteil seines Körpers bedeckten, war Victor schlank und zierlich. Seine dichten Haare waren schon seit Jahrzehnten weiß. Für einen Außenstehenden sah es wahrscheinlich aus, als könnte Darius seinen Vater in einem Wimpernschlag überwältigen.
Deshalb hielten sie es wahrscheinlich für seltsam, dass Darius stattdessen zusammenzuckte, als sich Victors eisiger Blick auf ihn richtete. Sie hatten keine Ahnung, welche Macht Victor trotz seines schmalen Körperbaus hatte. »Beruhige dich«, sagte Victor beinahe gelangweilt über Darius' Auftritt und seine offensichtliche Wut.
Darius war sich bewusst, dass ein Teil seiner tief sitzenden Angst vor dem alten Mann aus seiner Kindheit stammte, aber dennoch war er mehr als nur wütend und diese Wut gab ihm schnell seine Selbstsicherheit zurück.
»Du kannst nicht ernsthaft von mir erwarten, bei diesem lächerlichen Vorhaben mitzumachen?«, sagte er, während er näher kam. Er wusste, dass er nicht zu nah kommen durfte, da sein Vater es als respektlos ansah. Aber er würde sich auch nicht wie ein nervöser Schuljunge an der Tür herumdrücken.
Dieses alte Familienanwesen war ihm von seinem Vater aufgezwungen worden, als sich Darius gezwungen gesehen hatte, aus der Army auszutreten. Folglich schien Victor immer noch zu denken, dass er das Recht hatte, wie der Lord zu agieren. Und in diesem Moment tat er genau das, als er um Darius' großen Eichenholztisch herumging und sich auf den knarzenden Ledersessel fallen ließ. Er verschränkte die Finger und warf Darius einen eisigen Blick zu.
»Ich habe dich gewarnt, dass ich vielleicht drastische Maßnahmen ergreifen muss. Bellamys Geschäft hatte schon große Schwierigkeiten, bevor er eine ganze Ladung auf See verloren hat. Er ist mehr als nur bankrott.«
Christopher Bellamy leitete eine Art Transportunternehmen am Hafen von Dover und verschiffte Fracht für Victor nach Europa und darüber hinaus. Darius erinnerte sich vage daran, dass sich sein Vater über sehr enttäuschende Verkaufszahlen in den letzten Quartalen beschwert hatte. Aber es war egal, zumindest in diesem Moment. Darius hatte weitaus größere Sorgen.
Er spürte, wie er die Hände zu Fäusten ballte, als er den Kopf schüttelte und am ganzen Körper bebte. »Deine Lösung ist also, mich mit seinem Sohn zu verheiraten?«
Das Lächeln, das sich auf Victors Gesicht ausbreitete, war abstoßend. Bosheit und Freude blitzten in seinen blassblauen Augen auf. »Ich habe ihn gewarnt, dass ich jedwede Macht über ihn habe. Er hätte niemals so schlechte Entscheidungen bezüglich meiner Fracht treffen sollen.«
Darius wusste, dass er nicht besonders intelligent war, vor allem im Vergleich zu seinem Vater, aber er war auch nicht dumm. Das war weitaus mehr als eine Geschäftsentscheidung. Er kannte nicht alle Einzelheiten, aber irgendwann hatte Christopher Bellamy Victor Legrand persönlich beleidigt. Wenn es eine Sache gab, die Darius über seinen Vater wusste, dann, dass er ein Ärgernis niemals ungestraft ließ.
Aber das?
Gottverdammt. Sicher hatte Bellamys Sohn nichts getan, um wie Vieh verschachert zu werden. Aber da er der Erbe des Transportunternehmens der Bellamys war, sah Victor in der Ehe mit Darius wahrscheinlich die Möglichkeit, die Firma komplett zu übernehmen und so auszuschlachten, wie es ihm gefiel, um die Verluste auszugleichen.
Es war keine Überraschung, dass Victor Freude daran hatte, Darius' Leben aus der Bahn zu werfen. Darius hatte nie die Illusion gehabt, in Frieden zu heiraten, ganz zu schweigen davon, sich den Mann selbst auszusuchen. Aber es wirkte besonders grausam, ihm einen jungen und unschuldigen Mann wie Bellamys Sohn aufzuerlegen. Nicht, dass Darius ihn schon getroffen hätte. Himmel, war der Junge überhaupt schwul? Wie hieß er?
»Es muss einen anderen Weg geben?«, knurrte Darius und ballte die Hände zu Fäusten.
Er musterte seinen Vater mit angehaltenem Atem und hatte das Gefühl, als würde er sich jeden Moment in den Kampf stürzen. Aber in Wahrheit wusste er, dass er nicht wirklich etwas tun konnte. Wenn sich Victor etwas in den Kopf gesetzt hatte, vor allem eine grausame Wendung im Leben anderer wie diese, gab es kein Zurück mehr. Er hatte immer etwas Niederträchtiges in der Hinterhand, um dafür zu sorgen, dass sich alle Bauern auf dem Schachbrett auch benahmen.
Und dann lehnte sich der alte Mann tatsächlich nach vorn, stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab und verschränkte die Finger. »Oh, es tut mir leid«, sagte Victor aalglatt. »Gibt es noch einen Verehrer, der hier irgendwo wartet und von dem ich nichts weiß? Hat irgendjemand jemals auch nur das geringste Interesse daran gezeigt, dich zu heiraten?«
Obwohl Darius wusste, dass er den Spott nicht an sich heranlassen sollte, zuckte er zusammen. Er versuchte angestrengt, nicht an das Loch in seinem Herzen zu denken, das seine einzige Liebe hinterlassen hatte, weil er lange tot war. Victor hatte nie von ihm erfahren, aber irgendwie war es schlimmer, dass er glaubte, Darius wäre nicht liebenswert, wenn er so nah dran gewesen war, tatsächlich glücklich zu sein.
»Ich frage einfach nur, ob es eine Alternative zu etwas so Drakonischem wie einer arrangierten Ehe in diesem Zeitalter gibt«, fauchte Darius. »Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Darf ich etwas so Skandalöses wie einen Kredit vorschlagen?«
Langsam erhob sich Victor und legte seine dürren Finger auf die hölzerne Tischplatte. »Widersetzt du dich mir, Junge?« Darius bemühte sich angestrengt, bei dem Spitznamen nicht zusammenzuzucken. Obwohl er wusste, dass sein Vater ihn nie wie einen Mann behandeln würde, tat die Spitze trotzdem weh. »Das ist mein kleines Königreich. Bellamy kannte die Konsequenzen für sein Versagen. Ich versuche einfach nur, mein Vermögen wiederzuerlangen.«
»Indem du seinen Sohn bestrafst?«, wollte Darius wissen. Er wagte es nicht, und mich zu sagen. Victor würde sein Leid nur als Anreiz sehen, sich umso mehr anzustrengen.
Selbst jetzt breitete sich wieder das abscheuliche, Übelkeit erregende Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Was ist los, Sohn?«, fragte er gelassen und seine Augenbraue zuckte. »Ich dachte, dir würde ein hübscher Junge in deinem Bett gefallen.«
Ekel wallte in Darius auf, sodass er gegen eine Welle aus Übelkeit ankämpfen musste. Das war also der Witz seines Vaters, an dem er ein Leben lang gearbeitet hatte. Fast fünfundzwanzig Jahre lang hatte er ihn einen Perversen genannt. Jetzt hatte er seinen Beweis.
Die Frage, wie alt Bellamys Sohn war, lag ihm auf der Zunge, aber er wusste, dass sein Vater technisch gesehen niemals etwas Illegales tun würde, also musste der arme Kerl zumindest achtzehn sein. Darius betete, dass er wenigstens etwas älter war, wenn sie gezwungen waren, diese Sache durchzuziehen.
Konnte Bellamy nicht dagegen vorgehen? Sie lebten nicht im Mittelalter oder am elisabethanischen Hof. Es gab diesen Teil in Hochzeitszeremonien, bei dem der Standesbeamte fragte, ob jemand etwas gegen die Verbindung einzuwenden hatte und das schloss die Menschen ein, die heirateten. Sie hatten noch immer ihren freien Willen, nicht wahr?
Aber bevor sich Darius in seinen Gedanken verlor, zwang er sich, Victors Ausdruck zu studieren und jede Linie seines gut aussehenden, boshaften Gesichts zu betrachten.
Victor hatte ein Druckmittel. Etwas, um sicherzugehen, dass Darius, Bellamy und sein Sohn tun würden, was er wollte. Was auch immer es war, Darius wusste, dass sich Bellamy bewusst war, dass diese Scheinehe besser war als die Alternative. Darius rutschte der Magen in die Kniekehlen. Er konnte protestieren so viel er wollte, dass er nicht für den Rest seines Lebens an einen Mann gebunden sein wollte, den er noch nie gesehen hatte, aber es war kindisch.
Tief in seinem Inneren akzeptierte er bereits, dass es fürs Erste das Beste war, bei diesem diabolischen Plan mitzumachen. Denn es waren nicht nur die Bellamys, bei denen Victor Zustimmung erzwingen konnte. Wenn sich Darius nicht benahm, wartete schon die nächste Hiobsbotschaft und wer wusste schon, wer dadurch verletzt wurde.
Nein. Wenn Victor entschieden hatte, dass diese Ehe seine Pro-bleme lösen und Darius obendrein noch leiden lassen würde, dann würde er es bis zum bitteren Ende durchziehen.
Aber das hieß nicht, dass es Darius gefallen musste.
»Okay«, knurrte er und erdolchte Victor mit seinen Blicken. »Verheirate mich an Bellamys Sohn. Ich bin nicht davon überzeugt, dass es irgendetwas bewirkt, außer, dass eine Menge Leute unglücklich werden, aber wenn es das ist, was du willst, bitte.«
Victor lachte leise. Das war immer das furchterregendste Geräusch. »Unglücklich?« Er ging um den Tisch herum und strich dabei mit dem Finger über das Holz. »Oh, mein lieber Junge. Das wird mich lediglich amüsieren. Es ist alles zum Wohle des Imperiums, verstehst du?«
Imperium. Andere Leute würden das vielleicht Familie nennen, aber nicht Victor Legrand. Er wollte so verzweifelt glauben, dass sein Vermächtnis Generationen überdauern und sein Name mit einer Ehrfurcht ausgesprochen wurde, die der Königsfamilie vorbehalten war, dass Darius erstaunt war, nicht mit einem armen Mädchen verheiratet zu werden, das gezwungen wurde, ihm einige Kinder zu gebären – alles im Namen des Imperiums.
Vielleicht würde das später kommen, wenn sich Victor mit diesem Spiel langweilte.
»Und wenn ich mich weigere?«
Darius wusste, dass diese Frage gefährlich war. Aber das war nicht nur eine Geschäftsvereinbarung. Hier ging es um zwei Menschen, die zu etwas gezwungen wurden, das eigentlich mit der größten Umsicht und Hochachtung gehandhabt werden sollte.
Zu seiner Überraschung zuckte sein Vater einfach nur mit den Schultern. »Ich nehme an, dass Bellamy und sein Sohn in den Ruin getrieben würden. Und irgendwann ohne einen Penny auf der Straße landen. Aber warum sollte dich das interessieren, hm? Du hast sie nie getroffen.«
Er hatte recht. Darius kannte sie nicht. Aber so war er nicht. Niemand wird zurückgelassen.
Es war sinnlos darauf hinzuweisen, dass sich sein Vater wie ein Bösewicht von Charles Dickens verhielt. Victor würde das nur als Kompliment sehen. Mit dem Leben anderer Menschen zu spielen, vor allem denen, die seiner Meinung nach unter ihm standen (was im Grunde alle waren), war sein größtes Vergnügen. Nein, das war nicht fair. Aber sich gegen Victor zu wehren, würde die Dinge für Bellamys Sohn wahrscheinlich nur noch schlimmer machen.
Darius konnte auf ein ganzes Leben an Erfahrungen zurückgreifen, wenn es um die Grausamkeit seines Vaters ging. Bellamy hatte keine Ahnung davon, dessen war er sich sicher.
»Schön«, fauchte Darius und drehte sich bereits um, um den Raum zu verlassen. Vielleicht hatte er das Geräusch davonhuschender Schritte gehört, aber als er die Tür wieder öffnete, war der Korridor verlassen. Er hielt inne und zog die Oberlippe nach oben. »Aber du wirst nicht gewinnen, egal, was du vorhast.«
Victor lachte, als hätte sein Sohn gerade einen herrlichen Witz gemacht. »Oh, lieber Junge. Aber das habe ich schon.«
Darius wollte das nicht glauben. Als er jedoch den Flur hinunterstürmte, konnte er sich nicht dazu überreden, dass Victor Unrecht hatte.