Читать книгу Liebe und Alltag in der DDR - Helena Zauber - Страница 10
7. Kapitel
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ch konnte zu diesem Zeitpunkt wohl nicht anders
„Ich habe heute Nachmittag wieder am Store genäht, aber ich bin noch lange nicht fertig. Die Falten müssen alle einzeln gelegt werden. Ich kriege schon wieder einen Bauch. Hoffentlich habe ich Sonntag nicht meine Regel.
Konstanze hatte wohl doch Erfolg mit ihren Briefen. Jedenfalls mit dem an Frank´s Chef. Der Major hat Frank zu sich holen lassen und gesagt, Konstanze soll nicht umziehen. Außerdem meinte der Major, er würde sich drum kümmern, schließlich habe die Armee den längeren Arm.“
Dann erzählte ich noch von einer Freundin, die jemand heiraten wolle, den sie nicht liebt.
„So was könnte ich nicht, mein Fratz!“, war mein Kommentar dazu.
Gleich am nächsten Morgen noch schnell ein paar Zeilen vor der Arbeit. Abends dann wieder mehr und voller Freude mit Traurigkeit:
„Eben habe ich Deine beiden Briefe erhalten. Mir kamen auch schon wieder die Tränen. Besonders bei dem, wo drin steht, was ich besorgen soll und gelesen habe, dass Dir auch die Tränen kommen.“
Hannes hatte also auch über Pfingsten geschrieben. Wieder Mal kam seine Post gebündelt an. Mir wäre es damals lieber gewesen, wenigstens jeden zweiten Tag einen Brief, ein paar Zeilen von meinem Schatz zu bekommen. Und so schrieb ich noch am 29. 5. abends:
„Hoffentlich klappt alles am Sonntag. Und hoffentlich habe ich morgen wieder Post von Dir. Du kannst es Dir gar nicht vorstellen, wie blöd es ist, fast eine Woche keine Post von Dir zu haben. Aber ich weiß ja, Du kannst sicher nicht immer schreiben. Bei mir wird sich das während des Umzuges auch reduzieren. Wir werden sehen“
A
ber nun erst mal die Briefe von Hannes
Leider hat Hannes nicht immer am Anfang der Briefe das Datum geschrieben, so dass ich oft nur im Inhalt Hinweise finde, von wann der Brief ist. So auch bei diesem:
„Mein lieber Fratz! Ich habe heute Deine beiden Briefe erhalten. Deine Post bekomme ich immer von 13:50 bis 14:00 Uhr, also unmittelbar vor dem Mittagessen. Von 14:30 bis 15:00 Uhr habe ich dann meistens Zeit zum Lesen. Seit Mittwoch stehen wir in der speziellen Ausbildung. Montag und Dienstag war noch mal voll Stress, es waren die letzten zwei Tage Grundausbildung. Mir tut noch alles weh, blaue Flecken. Ich muss wahrscheinlich wieder in die 4-Mann-Bude zurück. Wäre nicht so schön, ich habe mich hier wirklich gut eingelebt. Radio haben wir jetzt auch, zwar noch wenig Zeit zum Hören, aber immerhin.
Heute vor drei Wochen bin ich hergekommen, mir kommt es irgendwie länger vor. Dir bestimmt auch, oder? So nun genug von dem Laden hier. Ich habe gerade gefragt, wegen Ausgang am Sonntag. Ich kann mich erst Samstagfrüh ins Ausgangsbuch eintragen und Samstagmittag weiß ich dann, ob es klappt. Ja so ist das eben.
Wegen der Wohnung, ich bin natürlich nicht begeistert davon, wenn Konni mit einzieht. Vielleicht kriegt sie es auch so geregelt, dass sie drin wohnen bleiben kann. Wir werden sehen am 2. 6. Na, das mit Konni hatte sich ja vielleicht schon erledigt.
So, heute am Samstagnachmittag kann ich endlich weiter schreiben. Wir haben gerade zwei Stunden Zwiebeln gepellt. Pfingstsonntag und Pfingstmontag liegen ein Haufen Maßnahmen an, politische Vorträge usw. So kann man die Feiertage auch rum kriegen.“
Und dann zum Schluss die wichtigsten Zeilen für mich:
„Ich freue mich riesig auf Sonntag, 2. Juni. Hoffentlich komme ich raus. Ich liebe Dich wie verrückt! Sei lieb gegrüßt von Deinem Hannes. Ich liebe Dich!“
U
nd nun zu dem zweiten Brief, seinem siebten
„Es ist Sonntag 14:00 Uhr und wieder so herrliches Wetter. Ich glaube das wird der Jahrhundertsommer. Fratz, ich liebe Dich. Hoffentlich ist bald der 2. Juni. Ich kann es kaum erwarten. Wenn Du diesen Brief liest, dann sind es vielleicht, bloß´ noch vier Tage. Wegen meinem Sonderurlaub müsstest Du mal zum Wehrkreiskommando in Greifswald gehen und Dir bestätigen lassen, dass wir eine Wohnung bekommen.
Überhaupt hat man mir gesagt, dass das WKK für Dich immer der Anlaufpunkt ist, falls Du Probleme hast (Todesfall, Krankheit usw.) Wenn ihr Deinen Geburtstag feiert, trinkt für mich einen mit. Bestelle allen liebe Grüße von mir und ich danke allen, die Dich in dieser schweren Zeit unterstützen, besonders Ella und Olaf. Mir stehen schon wieder Tränen in den Augen. So ist das halt. Ich glaube ich höre jetzt auf. Sei ganz lieb gegrüßt von Deinem Hannes.“
Ja, ich erinnere mich, wie sehr mich das rührte. Auch heute finde ich es noch unglaublich, wie verliebt wir waren und welche Sehnsucht wir beide fühlten. Und so füge ich den nächsten, den 8. Brief von Hannes gleich noch an, da er ihn Pfingstmontag geschrieben hat.
Ich möchte Dir heute schon wieder schreiben
, wer weiß, wann ich wieder dazu komme. Morgen geht der Stress wieder los. Ich habe echt gesagt, die Schnauze voll. Solch ein Wetter zu Pfingsten hatten wir lange nicht. Wenn ich daran denke, dass es noch ein Pfingsten hier gibt, au weh? Habe über die Feiertage viel Heimweh gehabt, weil man wahrscheinlich zu viel Zeit hatte nachzudenken. Noch 6 Tage bis Du kommst, eine halbe Ewigkeit.
An meine Eltern habe ich immer noch nicht geschrieben. Ich weiß einfach nicht, was ich denen schreiben soll. Hast Du denn schon Post von Deinen Schwiegereltern?
Hattest Du viel Arbeit über Pfingsten? Was macht das zivile Leben überhaupt?
Fühlt Ihr Euch sicherer, wenn ich hier Euch den Frieden schütze?“
Wow, was für eine Frage aus heutiger Sicht. Wenn ich das jetzt lese, fühle ich mich wieder bestärkt in der Ansicht, dass nur Freiwillige zur Armee sollten. Am besten wäre natürlich, es gäbe überhaupt keine Armeen auf der Welt!
M
eine Antworten kommen prompt im Brief vom 29. 5.
„Unsere Wohnung scheint fertig zu sein, aber noch habe ich keinen erreicht, der mir einen genauen Termin sagen kann. Das zivile Leben ist ohne Dich beschissen. Und ich würde mich sicherer fühlen, wenn Du bei mir wärst! Ich darf auch nicht daran denken, dass es noch ein zweites Pfingsten ohne Dich gibt. Ich freue mich auf den 2. Juni. Dann bist Du erst einen von 18 Monaten fort. Ich darf gar nicht daran denken.
Sicher werden wir noch viele solcher Stunden erleben, an denen uns das Grausen kommt, wenn wir an die lange Zeit der Trennung denken. Und wir können nur hoffen, dass Frieden bleibt. Verzeih mir, ich will keine trübe Stimmung aufkommen lassen.
Ich selbst traue mich nicht, solche Gedanken zu Ende zu denken.
Aber nun zu etwas Erfreulicherem. Ich habe heute die Bilder geholt. Da waren ja noch welche von Wernigerode bei. Die von Zinnowitz sind alle geworden. Oma und Hans haben uns eine Glückwunschkarte zur Wohnung geschickt und mein Papa auch.
Ella hat noch keine Raufasertapete bekommen. Heute kam keine Ware, weil Pfingsten war. Jetzt in meinem Frei mache ich das mit der Küche klar. Mein Gehalt habe ich diesen Monat noch nicht angerührt und Ehekredit haben wir noch 2270,00 Mark. Ich gebe es nicht mit vollen Händen aus und rechne nur noch. Aber das bequatschen wir alles am Sonntag. Schick mir bitte ein Telegramm, wenn Du keinen Ausgang bekommst, dann brauche ich nicht zu Manuela fahren und den Schlüssel für die Bude holen.
In drei Tagen mache ich mich auf den Weg zu Dir. Was sagst Du dazu? Und wenn Du diesen Brief bekommst, ist es sicherlich schon morgen! Hoffentlich bekommst Du Ausgang!“