Читать книгу Liebe und Alltag in der DDR - Helena Zauber - Страница 8
5. Kapitel
ОглавлениеN
atürlich brachte ich in meinem Antwortbrief
Meine Schwester Ella und mein Schwager Olaf kamen zu Besuch. Sie boten an, mit mir nach Wolgast zu fahren. Da sie damals einen Trabant hatten, konnten wir damit Sessel, die meine Mutter mir für die Wohnung schenken wollte, holen. Wir diskutierten darüber, ob Olaf mich direkt vom Kernkraftwerk nach der Arbeit abholen durfte. Für Nichtkraftwerker war die Zufahrtsstraße damals gesperrt. Aber da er ja jemanden abholte, der dort arbeitete, durfte er das. So schrieb ich Hannes freudig darüber, dass wir ja jetzt nur noch ein Sofa kaufen mussten.
Auch schien es ein Problem zu geben, Kragenbinden für meinen Soldaten zu kaufen. So was gab es nur in Armeeläden. Auch war es ziemlich kompliziert, ein Nebengewerbe mit Fellmäusen anzumelden. Einfach los nähen und verkaufen ging nicht. Ella und Olaf hatten darin Erfahrung, da sie selbst Ohrringe als Nebengewerbe herstellten und verkauften.
Ich weiß heute ehrlich gesagt nicht mehr, ob ich damals tatsächlich Fellmäuse produziert oder mir einen Nebenjob gesucht habe. Ich glaube nicht, sonst wüsste ich das doch. Aber sicherlich werden auch hier die kommenden Briefe Aufschluss geben.
Auch war ich mir nicht sicher, ob es mit der kleinen Wohnung in Rostock zum 18. 5. schon klappen würde.
„Aber um diese Zeit, kann man ja noch ein Hotelzimmer bekommen!“
Diese Zuversicht hatte ich, weil im Mai noch keine Ferien waren und so die Ostseeküste als beliebtes Feriengebiet noch nicht mit Urlaubern aus dem Süden der DDR überlaufen war.
Dann noch mal was zu der Wohnung:
„Von einem Tausch in eine Altbauwohnung haben Ella und Olaf mir abgeraten. Man braucht da zu viel Geld, um diese zu sanieren. Ich glaube, sie haben recht. Mit dem Restgeld vom April zahle ich diesen Monat die AWG-Anteile. Irgendwie bekomme ich das hin.
Liebst Du mich auch wirklich noch? Hast Du manchmal Sehnsucht nach mir?
Bis morgen früh verabschiede ich mich erst einmal von Dir. Gute Nacht Fratz!“
„
Mein lieber Fratz Hannes!
Habe heute Deine Sachen bekommen, aber leider keine Zeile von Dir darin gefunden.“
So beginnt mein 8. Brief an Hannes vom 14. Mai. Meine Enttäuschung war bestimmt groß, trotzdem ging ich gleich zur Tagesordnung über:
„Jetzt weiß ich wenigsten, wie Kragenbinden aussehen.“
Inzwischen hatte ich alle möglichen Kolleginnen, deren Männer schon bei der Armee waren, damit genervt, nach Kragenbinden zu kucken. Mit Erfolg! Sie haben mir dann auch gleich Tipps gegeben, wie man die Dinger am einfachsten sauber bekommt. Einer meiner Kollegen hat mir erzählt, dass er nur drei hatte, diese jeden Tag selber gewaschen hat. Das alles berichte ich sehr ausführlich.
Natürlich auch wieder, wer uns was für die Wohnung geben konnte. Meine Schwester hatte noch eine Wohnzimmerlampe, meine Mutter noch Gardinen. Auch wo ich günstige Gardinenstangen bekommen kann schrieb ich Hannes.
Ella hatte mir auch noch den Tipp gegeben, mal nach gebrauchten Küchen zu schauen, um das Geld für eine AWG-Küche zu sparen. Bestimmend teilte ich ihm aber auch mit:
„Auf alle Fälle möchte ich es so machen, dass nicht umgezogen wird, wenn Du da bist! Da möchte ich nur schöne Tage mit Dir haben!“
Und das, obwohl ich keine Zeile von Hannes im Paket gefunden habe? Erstaunlich, aus heutiger Sicht. In diesem Brief schickte ich meinem Schatz auch einen Kalender mit, in welchem meine freien Wochenenden eingetragen waren und, das erstaunt mich heute auch, meine Regeltage.
„Ich weiß, was Du jetzt denkst. Aber es muss ja nicht sein, wenn ich komme und meine Regel habe.“
Aus heutiger Sicht finde ich das ganz schön pragmatisch.
Ich berichte auch wieder über einen Engpass:
„Hannes, Sirup habe ich bis jetzt nicht bekommen. Du wirst es nicht glauben, es gab keinen in der Kaufhalle.
Ich weiß nicht, ob ich bis zur Vereidigung noch mal schreibe. Es wäre eigentlich Quatsch. Aber ich habe immer das Gefühl, ich rede mit Dir, wenn ich schreibe. Ich liebe Dich so mein Hannes-Fratz!“
Heute wundere ich mich, dass ich es tatsächlich geschafft habe, vor dem 18. Mai nicht mehr zu schreiben.
In der Nacht, bevor ich zu Hannes nach Rostock fuhr, konnte ich kaum schlafen. Ich hörte in der Wohnunterkunft die leisesten Geräusche. Drehte mich im Bett hin und her. Wie gerädert stand ich um 5:00 Uhr auf. Meine Gefühle glichen einem absoluten Chaos. Freude und Sorge vermengten sich zu einem irren Aufgeregt sein, dass mich die ganze Zugfahrt über begleitete. Trotzdem fand ich alles gleich, die richtige Straßenbahn zu Hannes´ Kaserne schien für mich bereit zu stehen, bzw. zu warten. So kam ich gegen 8:30 Uhr, viel zu früh dort an. Vor dem Eingang versammelte sich eine Menschentraube. Viele waren offensichtlich mit der ganzen Familie gekommen. Man ließ uns schon rein und dirigierte die Besucher auf einen großen Platz. Nun hieß es warten. Würde ich meinen Soldaten erkennen? Wie sah er wohl jetzt aus? Ich hörte, dass um mich herum die gleichen Fragen gestellt wurden. Dann begann Marschmusik und die Rekruten marschierten auf den Platz. An das ganze Prozedere der Vereidigung erinnere ich mich nicht mehr. Aber daran, wie erschrocken ich war, als ich Hannes entdeckte. Er sah nicht gut aus und schien 10 Kilogramm abgenommen zu haben. Verstohlen schaute er sich um und sein Gesicht strahlte kurz auf, als er mich entdeckte. Nach der Vereidigung wurden wir Besucher wieder aus der Kaserne geschickt, um dort auf unsere Männer oder Söhne zu warten. Zur Feier des Tages gab es für alle Vereidigten bis 24:00 Uhr Ausgang. Wieder war ich aufgeregt und mein Herz schlug bis zum Hals. Es schien eine Ewigkeit zu dauern bis Hannes endlich kam.
Schnell gingen wir aufeinander zu. Wir sprachen kein Wort. Schauten uns in die Augen und weinten. Es war eine Mischung aus Freudentränen, dass wir uns wiedersahen und Traurigkeit darüber, dass ja alles erst begann. Hannes konnte als erster von uns beiden reden und sagte: „Komm schnell, lass uns erst mal ein Ende weg gehen. Ich will keinem von denen begegnen!“
Ich brauchte noch eine Weile, bevor ich reden konnte, sah Hannes von der Seite beim gehen an und dachte:
„Oh je, mein armer, armer Fratz. Was haben sie mit Dir gemacht?“
Hannes bemerkte meine Blicke und zog mich auf eine Bank. Jetzt umarmte und küsste er mich voller Kraft und Leidenschaft. Ich bemerkte, dass seine Küsse salzig schmeckten oder waren das meine Tränen, die ich bemerkte. Ich sah ihm in die Augen. Diesen Blick werde ich nie vergessen. In seinen Augen war die pure Verzweiflung zu sehen. Augenblicklich begriff ich, so geht das nicht. Wir müssen in der wenigen Zeit, die wir jetzt verbringen können fröhlich sein und unsere Zweisamkeit genießen. Zum Glück war schönes Wetter, ich entdeckte in der Nähe einen Park und sagte:
„Komm, mein Hannes, lass uns dorthin gehen und einwenig reden, küssen dabei und aus diesem Tag das Beste machen. “
Ich nahm Hannes an die Hand und er ließ sich bereitwillig von mir in den Park ziehen. Dort küssten wir uns ausgiebig, mal wild, mal zärtlich und langsam kam ein Lächeln auf sein Gesicht. Nun plapperte ich los, was mir einfiel. Bestellte Grüße von allen möglichen Leuten aus der Firma, von Ella und Olaf. Langsam gewöhnten wir uns an die Situation und wurden ruhiger. Vorsichtig löste ich mich aus seinen Umarmungen und sagte lächelnd:
„Jetzt könnte ich was essen. Heute Morgen habe ich keinen Bissen runter bekommen und Du siehst auch so aus, als könntest du was vertragen.“
Hannes stimmte mir zu und meinte:
„Ein paar Häuser weiter soll es ein gutes Restaurant geben. Lass uns dort mal schauen.“
Er gab mir einen Kuss und dann gingen wir Hand in Hand wieder zurück an die Straße, von wo aus wir die Gaststätte schon sehen konnten. Wir gewöhnten uns immer mehr an die Situation und machten wirklich das Beste daraus.
Sofort nachdem ich am 18. 5. nach der Vereidigung wieder in Greifswald war, um 22:10 Uhr setzte ich mich in unser kleines Zimmer und beschloss den Tag, positiv zu beenden und aufmunternde Worte an Hannes zu schreiben.
„
Mein lieber Fratz, Hannes!
Ich freue mich schon auf den nächsten Sonntag in zwei Wochen.
Jedenfalls war es ein schöner Tag heute. Hoffentlich haben wir diese Tage mindestens einmal im Monat!“
Bei der NVA war es so, dass nur 15 % der Soldaten täglich in Ausgang durften, In der Woche abends, an den Wochenenden ab 9:00 Uhr. Um 24:00 Uhr mussten sie wieder in der Kaserne sein. Hannes hatte mir das gesagt.
Ich brachte noch meine Hoffnung zum Ausdruck, dass es beim nächsten Mal mit der Rostocker Wohnung meiner Kollegin klappt, dann verabschiedete ich mich bis zum nächsten Tag.
Da ging es meiner Freundin Konstanze und ihrem Frank nicht so toll und so schrieb ich Hannes:
„Na, sie hatte das am Samstag vielleicht beschissen. Seine und ihre Eltern waren mit zur Vereidigung. Sie waren erst bis 14:00 Uhr in Demmin in einer Kneipe. Dann durften sie sich drei Stunden lang mit den Eltern unterhalten und sich nicht weiter als 60 Meter von denen entfernen. Um 18:00 Uhr kam dann ein Tatra und hat alle Soldaten wieder eingesammelt.
Die beiden Mütter haben die ganze Zeit nur geheult. Da kannst Du Dir ja vorstellen, was sie von ihrem Frank hatte. Samstag hat Frank das erste Mal Ausgang ab 14:00 Uhr. Da will Konstanze dann alleine hinfahren.“
Ich schrieb noch, dass ich den Sonntag mit Freundinnen verbringen werde und dass ich mich über eine ärgere. Wo ich nun Gardinenstangen herbekomme und das Geld dafür. Offensichtlich hatte ich vor, einige Schallplatten (eine von Frank Schöbel) und Kassetten beim An- und Verkauf zu verkaufen. Dann auch wieder die Hoffnung, dass es in zwei Wochen mit der Bude, wie ich es im Brief nannte, klappt und ich Manuela noch mal geschrieben habe. Auf der siebten Seite des Briefes dann eine große Liebeserklärung an meinen Hannes:
„Ach Fratz! Mein lieber Hannes! Ich glaube ganz fest daran, dass wir nicht zu den
50 % Ehepaaren gehören, die während der Armeezeit auseinander gehen. Langsam komme ich auch zu der Überzeugung, dass ich noch nie einen Mann so geliebt habe wie Dich! Das waren doch alles im Grunde genommen nur oberflächliche Verhältnisse. So ein anhaltendes Gefühl, wie bei Dir hatte ich noch nie. Das steigt immer wieder in mir hoch. Ich weiß auch nicht. Sicher wird sich unsere Liebe bewähren, wie man so schön sagt. Ich bin davon fest überzeugt. Und Du brauchst Dir deswegen keine Gedanken zu machen. Glaub mir, Du brauchst keine Angst zu haben! Das Wort Angst ist eigentlich blöd, nicht der richtige Ausdruck dafür. Man glaubt fest aneinander und hat trotzdem Angst? Das haut irgendwie nicht hin. Höchstens Angst in dem Sinne, dass dem Anderen irgendwas zustößt. Das ja! Aber im Bezug auf unsere Liebe habe ich keine Angst! Ich hoffe, dass Du verstehst, was ich meine. Ich liebe Dich eben! Und das wird auch so bleiben, auch wenn wir uns lange nicht sehen können, bzw. lange nicht so wie immer zusammen sein können!“
Hatten wir darüber zur Vereidigung gesprochen? Immerhin kannte jeder einen, der einen kannte, bei denen die Ehe während der NVA-Zeit auseinander ging.
Ich bin schon ganz gespannt, was Hannes darauf geschrieben hat. Immerhin hatte er auch schon am 19. 5., einen Tag nach der Vereidigung geschrieben, aber da hatte er ja meinen Brief mit der Liebeserklärung noch nicht.
Se
in Brief nach der Vereidigung
„Mein lieber Fratz! So nun bist Du wieder weg, ist mir aber auch unwahrscheinlich schwer gefallen. Ich liebe Dich ganz doll!“
Dann schrieb er, dass er sofort den Spieß gefragt hat, wie das geht mit dem „Ausgang beantragen“ und dass er das gleich machen wird für den Sonntag in zwei Wochen.
Dann seine Frage:
„Du kommst doch so oder so, nicht wahr?“
Hannes meinte, dass ich ihn auch sonntags in der Kaserne besuchen kann, wenn er keinen Ausgang bekommt. Ich erinnere mich, dass wir dort tatsächlich mal in einem ungemütlichen Aufenthaltsraum mit anderen Soldaten und deren Besuchern saßen.
Ich hatte Kuchen usw. mitgebracht. Es war fürchterlich! Aber der Brief endete nicht
ohne eine Bestellliste mit Sachen, die ich mitbringen sollte.