Читать книгу Liebe und Alltag in der DDR - Helena Zauber - Страница 17
14. Kapitel
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ein 37. Brief geht wieder über 2 Tage,
Man konnte damals ganz legal Baumaterialien im AKW erwerben. So genanntes Rest- oder Abfallmaterial. Allerdings musste das bei Beton spontan und schnell gehen. Dann machte ich mir Sorgen, dass Hannes im Feldlager nachts frieren könnte:
„Frier Dir bloß nichts ab!“
Was ich damit wohl meinte?
Es scheint, als wäre im Juli 1985 das Wetter merkwürdig gewesen. Seit ein paar Tagen war es am Tag heiß aber in der Nacht kalt, was ich sogar in meinem Unterkunftszimmer merkte. Gleichzeitig gab es dort immer noch kein warmes Wasser. Was mich ja nicht groß störte, da ich ja in der Wohnung duschen oder baden konnte. Aber am Vortag hatte ich festgestellt, dass unser Keller dort unter Wasser stand:
„Ein Glück, dass ich die Kartons auf einen Metallreif mit einer Sauerkrautplatte gelegt habe. Das habe ich hier gefunden. Hier ist sowieso rundum Baustelle. Es gibt auch noch keine Mülltonnen. Richtig fertig ist das Haus auch noch lange nicht. Es gibt auch noch keinen Fernsehanschluss. Der Antennenverteiler soll in den 3. Aufgang. Der soll nächste Woche fertig werden. Na warten wir es ab!
Heute Mittag war mir auf Arbeit richtig schlecht. Bestimmt die ganze Aufregung. Jetzt ist es aber wieder gut.
Fratz, was macht der Dreck? Wenn Du auf Urlaub kommst, mache ich Dir erst mal ein schönes Bad. Es badet sich ganz toll in einer eigenen Badewanne, kannst Du mir glauben! So nun muss ich aber los. Sei ganz lieb gegrüßt und geküsst von Deinem Fratz Helena. P.S. Hoffentlich bekomme ich bald Post von Dir.“
„
Dies ist mein vorletzter Brief
aus der Unterkunft, mein Fratz. Einen kann ich noch schreiben, dann erst wieder aus der Wohnung. Ich bin heute nicht in die Wohnung gefahren, sondern gleich in die Unterkunft. Da ich unser Bettzeug schon wegbringen wollte, damit ich das Freitag nicht machen muss. Da gab es doch tatsächlich Theater, ich könne das nicht vor dem Auszug machen. So ein Blödsinn! Man, war ich sauer. Nun mache ich erstmal passive Erholung und gehe in die Wanne. Das warme Wasser ist wieder da. Morgen und Donnerstag fahre ich aber wieder in unsere Wohnung. Ich will noch mit Marianne den Kühlschrank hinbringen, damit der am Freitag einsatzfähig ist. Abgetaut habe ich ihn schon. Endlich unsere erste eigene Wohnung, Fratz! Ich freue mich so! Noch mehr freue ich mich, wenn Du dann kommst und alles siehst! Mit dem Geld sieht auch alles gut aus. Becker hat mir
dass ihr
Treueprämie bekommen habt und ich habe meine Auslöse von Juni noch. Aber am 15. oder 16. geht ja schon wieder Gehalt auf mein Konto. Aber mit Geld befasse ich mich erst wieder nächste Woche. Welche Zeitungen wir bestellen wollen können wir ja bereden, wenn Du da bist. Das ,Neue Leben´ lasse ich von Mutti umbestellen. Konni fährt morgen wieder nach Berlin. Sie hat sich dort bei dem neuen Kaufhaus beworben und sie wollen ja eh nach Berlin ziehen, wenn Frank von der Armee kommt. So lange wohnt sie bei ihren Eltern, wenn das mit der Arbeit klappt. Wie mag das wohl in einem Jahr um die Zeit sein? Dann haben wir es fast geschafft, mein Fratz!“
Meine Briefe vom Juli sehen übrigens sehr mitgenommen aus, die Umschläge besonders, aber auch die einzelnen Blätter. Man kann erkennen, dass Hannes sie im Feldlager gelesen hat. So auch mein letzter Brief aus der Wohnunterkunft, den ich am Abend des 10. 7. beginne:
„M
ein geliebter Fratz!
Dies wird der letzte Brief aus der Unterkunft. Hinter unserem Haus haben sie heute den Müll zusammen geschoben. Ich war nach der Arbeit gleich da. Ella und Olaf bringen heute noch den Sessel von Mutti hin und morgen bohrt Olaf noch Einiges und Ella bringt uns zweimal Bettwäsche. Becker hat mir heute gesagt, dass wir am Freitag doch schon um 8:00 Uhr anfangen können. Das mit dem Zement hat sich erledigt. Da sind wir dann auch früh fertig. Fratz, ich bin so gespannt, was Du sagen wirst! Hoffentlich bist Du mit Allem zufrieden! Vielleicht bist Du ja schon in zwei Wochen da. Wenn schönes Wetter ist können wir baden gehen und tanzen. Ich weiß gar nicht, ob ich noch tanzen kann, Du? Nicht dass du nachher auf der Tanzfläche marschierst!“
Am nächsten Morgen, der vorletzte in der Unterkunft, berichte ich dann von einem Traum:
„Ich habe geträumt, Du kommst auf Urlaub. Du hattest eine Feldjacke an und Jeans. Dann bin ich leider wach geworden.“, und:
„Heute gehe ich das letzte Mal von hier aus zur Arbeit. Sei nicht böse, wenn ich erst wieder Freitagabend oder Samstag schreibe. Ich liebe Dich ganz doll! Dein Fratz Helena.“
Am Umzugstag hatte ich endlich Post von Hannes:
„
Mein lieber Fratz! Es grüßt Dich erst einmal ganz lieb
Dein Hannes!
Heute ist Samstag (6. 7.). Es ist 20:15 Uhr und ich habe mal Ruhe. Eine Woche Feldlager ist also fast rum und das bei herrlichem Wetter. Na ja, vlt. besser, als wenn es regnen würde und kalt wäre. Wir schlafen mit 14 Mann in einem Zelt und Gerüche sind hier viele vertreten. Wenn Du diesen Brief bekommst, sind es noch 14 Tage und ich bin zu hause (hoffentlich!). Wie ich Deinem Brief entnehme, bist Du also sehr fleißig. Ich glaube schon, dass mir gefällt, wie Du es einrichtest. Dass ich nur noch 60 Stunden bei der AWG machen muss. Ist natürlich sehr positiv für mich. Den Fahnenhalter werde ich wohl gleich als erstes abbauen, aber erst nach dem ,hökern´. Du kommst ja ganz schön spitz, wegen der fünf Schlüssel meine ich. Hört sich ja so an, als ob ich schon jemals einen verloren hätte. Morgen ist Sonntag, aber trotzdem ist hier bis 17:00 Ausbildung, in der Woche von 8:00 bis 17:00 Uhr. Wie geht es Deinem Handgelenk, hoffentlich besser. Bis zum SU sei ganz lieb gegrüßt von Deinem Hannes. Ich liebe Dich natürlich immer noch ganz doll.“
Welche Freude, dass ich diesen Brief noch am Umzugstag bekommen habe. Bloß nicht verlegen, dass ich ihn noch mal lesen kann, in Ruhe nach dem Umzug. Ich erinnere mich, dass ich Hannes Briefe öfter gelesen habe, auch in Ermangelung von Nachschub.
N
ach dem Umzug gleich die nächsten Berichte
„Ich schätze, ich werde heute Abend so lange möhlen, bis alles da ist, wo ich es hinhaben will.“
Am nächsten Tag schreibe ich Hannes alles ausführlicher:
„Ich sitze jetzt im Wohnzimmer und höre Radio nur von der Litze. Der Antennenanschluss wurde gestern doch nicht verlegt. Verzeih mir bitte, wenn ich alles ein wenig durcheinander schreibe, ich habe Dir ja so viel zu erzählen. Als ich Deinem Brief bekommen habe, hattest Du auch Post. Ich habe den Brief mit in meinen gelegt. Du brauchst aber keine Angst haben, ich habe diesmal nicht geantwortet. Ist Trixi die Schwester von den Nicoleis? Der Brief klingt ganz anders, als der von Yvonne.
Ella hatte am Donnerstag das Bettzeug vergessen und so habe ich unter Wolldecken geschlafen. Das hat vielleicht gekrabbelt. Als sie heute das Bettzeug brachte, hat sie gestaunt, wie toll das Wohnzimmer aussieht. Auch Konni gefällt es. Sie war natürlich gestern Abend schon mal da zum Gucken und wir haben gemütlich Abendbrot gegessen.
Heute habe ich Deine ganzen Sachen gewaschen und gleich auf dem Balkon aufgehängt, das ist echt prima. Montag kommt der Kleiderschrank, dann sind die Sachen, die jetzt noch im Schlafzimmer auf Deiner Liege liegen auch weg.
Ich habe die Litze vom Fernseher heute über die Lampe gehängt, so kann ich ohne schnurren fernsehen. Heute kommt eine Westernkomödie, die werde ich mir mal ansehen. Ich bekomme aber nur das 2. Programm. Das erste geht über Litze nicht. Aber mit Fernseher an oder Radio fühle ich mich nicht so allein. So nun gehe ich aber ins Bett. Heute mit bezogenen Betten. Gute Nacht mein liebster Fratz!“
Am nächsten Morgen berichtete ich, dass es nun nicht mehr von der Wolldecke gekrabbelt hat, aber eine Heerschar Mücken im Zimmer waren:
„Dieses Ostseeviertel ist ein Mückenviertel! Wenn die nicht bald den Müll wegbringen und Mülltonnen aufstellen, haben wir hier bald ein Fliegen- und Mückenparadies, wie in einem Moor. Dann kam Marianne und wollte mit mir an den Strand nach Lubmin fahren. Sie wollte da ihren Uwe nach der Schicht treffen. Ich habe abgelehnt. Erstens habe ich noch genug zu tun hier und zweitens, was soll ich da zwischen den beiden?
Ich muss morgen unbedingt was gegen Mücken und Fliegen kaufen, das ist ja furchtbar!
Fratz, ich liebe Dich so! Nicht mal mehr zwei Wochen und dann bist Du hier! Ich hoffe sehr, dass es klappt. Es muss einfach klappen und dann so lange, wie möglich, hörst Du?! Ich habe solche Sehnsucht nach Dir! Ich könnte jetzt glattweg heulen! Die Musik im Radio muntert mich gerade auch nicht auf. Aber ich werde gleich noch Wäsche waschen, dann komme ich wieder auf andere Gedanken.
Saugen muss man hier jeden Tag, ist ja rundum nur Baustelle. Sie bauen uns noch in G-Form zu. Also bis später mein Fratz!
Ich habe noch an Oma und Hans geschrieben, sie freuen sich bestimmt.“
Dann schrieb ich weiter mit Berichten, was ich an einigen Möbeln noch machen, bzw. verändern will und was ich dazu noch brauchte. Wenn nicht gerade Sonntag gewesen wäre, wäre ich wohl noch in die Stadt gefahren und hätte Allerlei gekauft. Aber so plante ich den Einkauf für den nächsten Tag.
„Ich habe eben unseren Namen an den Briefkasten gemacht. Hoffentlich habe ich darin bald Post von Dir! Ich glaube, ich schreibe Trixi doch. Sie tut mir nämlich leid, mit ihrer Flucht in die Vergangenheit. Du brauchst keine Angst haben, dass wird ein ganz vernünftiger Brief!“
Es ist ja doch interessant aus heutiger Sicht, wie unterschiedlich ich die Post von Yvonne und Trixi damals bewertet habe. Als ich diese Briefe jetzt gelesen habe, fand ich sie beide nicht schlimm.
An diesem Wochenende habe ich einen 14 Seiten langen Brief an Hannes geschrieben. Wann er das wohl alles lesen konnte. Na, beschwert hatte sich Hannes ja nie darüber, dass er zu viel Post oder zu lange Briefe von mir bekam.
Die letzten Zeilen in diesem Brief schrieb ich am Montagmorgen, den 15.7.1985:
„Ein Glück, dass heute Montag ist. Nun kann ich in die Stadt fahren und Mückentötolin kaufen. Heute Nacht sind die Mücken wieder über mich hergefallen. Zum Schluss habe ich die Küchengardinen über mich gehängt. Aber das Gesumme hat mich irre gemacht. Ich glaube, das wäre ein Thema Für Hitchcock! Wie ist es denn bei Dir im Feldlager, habt ihr auch so viele Mücken? Ich habe vor Verzweiflung geheult, bin dann ins Wohnzimmer umgezogen und hab Radio angemacht. Um 7:00 wollte ich aufstehen, weil ja heute der Schrank kommen sollte. Das war ja wohl nichts, um 8:30 Uhr bin ich aufgeschreckt und habe gleich auf dem Hausflur nachgesehen, ob sie den Schrank dort hingestellt haben. Aber sie kamen kurz danach. Glück gehabt!“
Dann beschrieb ich den Kleiderschrank und:
„Unser Schlafzimmer ist noch nicht voll und wenn man die Möbel ein bisschen anders stellt, passt hier auch noch ein Kinderbett rein.“
Wow, dass ich an so was gedacht habe! Da war wohl doch ein intensiver Kinderwunsch in mir.
„Ich habe sogar Mückentötolin bekommen!“ ,
freue ich mich in meinem nächsten Brief an Hannes. Auch Spray zum Einreiben war dabei, wie ich jetzt lesen kann. Ich kann mich an diese Plage überhaupt nicht mehr erinnern. Aber daran, dass ich Möbel beklebt und gestrichen habe, damit sie zusammen passend im Schlafzimmer stehen. Wenn alles so lief, wie geplant, konnte ich schon schreiben:
„Fratz nächste Woche kommst Du in unser zu Hause. Das hört sich doch schon besser an, nicht mehr so lange. Hoffentlich hast Du Zeit, meinen dicken Brief zu lesen. Wenn nicht musst Du es in Etappen tun. Vielleicht hattest Du ja doch noch mal Zeit, mir zu schreiben! Ich würde mich so freuen, wenn ein Brief von Dir der erste in unserem Briefkasten wäre! Warum ist nicht schon nächste Woche! Kannst Du nicht schon Mittwoch oder Dienstag kommen? Ich kann es kaum noch abwarten, dass Du da bist!“
Am Morgen des 16. 7. konnte ich endlich berichten, dass ich phantastisch geschlafen habe. Aber auch, dass der Kleiderschrank aufgebaut ist. Dank Nachbarschaftshilfe und Olaf.
„Das war vielleicht ein Akt. Aber das ganze Theater beim Schrank zusammen bauen, erzähle ich Dir, wenn Du hier bist, Fratz. Du lachst Dich kaputt! Da fällt mir ein, wir haben einen Telefonanschluss im Flur. Soll ich uns anmelden? Das soll hier gar nicht so lange dauern, vlt. ein Jahr nur. Das haben Nachbarn erzählt. Man trifft sich hier manchmal im Hausflur und redet über dies und jenes, wie die Mülltonnen usw.“
Am nächsten Morgen fuhr ich das erste Mal vom Ostseeviertel mit dem Bus zur Arbeit nach Lubmin. Ich brauchte auch nicht mehr so früh aufstehen.
„Hier reicht es, wenn ich um 5:00 Uhr aufstehe und um 5:45 Uhr losgehe.
Ich hoffe diese Woche vergeht ganz schnell! Nach der Arbeit will ich noch ein paar Besorgungen machen. Ich möchte, dass es schön wohnlich ist, wenn Du kommst. Gestern habe ich noch Erdbeeren eingefrostet, dann kannst Du auch frische essen, wenn Du hier bist. Ich kann es kaum abwarten. Vielleicht habe ich ja heute Post von Dir!“
Es war schon der 17. 7. Die letzte Post von Hannes kam ja am Umzugstag, den 12. 7. Aber ich hatte Glück! Als ich von der Arbeit und den Besorgungen nach hause kam, war ein Brief von Hannes in unseren Briefkasten! Sein erster Brief an den Riemserweg 9 und der erste Brief in diesem Briefkasten! Welch eine Freude für mich.