Читать книгу Windblume - Helene Hammerer - Страница 6

3

Оглавление

Am Montagmorgen war es kalt und regnerisch, also legte Thekla im Spielzimmer Bastelmaterial bereit, um die Kinder gleich nach ihrer Ankunft zu beschäftigen. Dieser Sommer stand unter dem Motto „Indianer“. Jedes Kind bastelte sich einen Federschmuck und suchte sich einen Indianernamen aus. Thekla war im ersten Turnus von den Kindern „Windblume“ getauft worden, weil diese meinten, mit ihren blonden Stoppelhaaren sehe sie aus wie eine Pusteblume. Andrea, die angehende Kindergärtnerin aus Sonnleiten, die Thekla bei der Kinderbetreuung half und sich zeitweise um die ganz Kleinen kümmerte, kannte einige der Familien schon vom Vorjahr.

Kurz nach neun erschien die erste Familie. Die Mutter stellte sich als „Trixi“ vor und brachte ihre Töchter Angi und Susi zur Kinderbetreuung. Die Mädchen waren sieben und neun Jahre alt und fingen gleich mit Feuereifer an zu basteln. Das Band für den Federschmuck wurde bemalt und Thekla erklärte den Kindern, dass die Namen etwas mit dem Aussehen der Person zu tun haben konnten oder mit deren Fähigkeiten. Angi wollte sich „Kleine Amsel“ nennen, weil sie so gerne sang, ihre Schwester nannte sich „Bunte Hand“, mit der Begründung, dass sie gerne male und sich immer die Hände vollkleckse. Andrea, die „Rote Feder“ hieß, weil ihr Kopfschmuck aus einer roten Feder bestand, malte mit den Kindern ein Plakat, auf das sie alle Indianernamen schrieben und Thekla half ihnen, den Federschmuck zu basteln. Nach und nach trafen „Scheues Reh“, ein schüchternes Mädchen mit großen braunen Augen, „Schnelle Zunge“, ihre geschwätzige Schwester und „Starker Büffel“, der elfjährige Bruder der beiden ein. Nachdem „Goldene Wolke“, ein Mädchen mit blonden Locken und „Schlauer Fuchs“, ein Bub, der gern Rätsel löste, ihre Namen gefunden hatten, gesellten sich die Sommers dazu.

Der Vater stellte sich kurz mit „Gerhard“ vor und seine beiden Kinder hießen Jenny und Robert. Das kleine Mädchen war wirklich sehr dick und klammerte sich an die Hand ihres Vaters, während es die Lage sondierte. Robert, ein hübscher Junge mit dunklen Haaren und braunen Augen schnappte sich gleich eine grüne Feder vom Tisch. „Ich will diese“, verkündete er. „He, das ist meine“ ereiferte sich „Springender Frosch“, „gib sie wieder her!“ Doch Robert dachte nicht daran. Ehe Thekla einschreiten konnte, war sein Vater bei ihm und nahm dem Bub die Feder aus der Hand. „Sie gehört nicht dir, Robi“, sagte er bestimmt. „Komm wir suchen eine für dich und Jenny.“ Thekla fiel auf, wie erschöpft der Mann wirkte, obwohl er gut in Form zu sein schien. „Es muss schwer sein mit seinem Beruf und den beiden Kindern“, ging es ihr durch den Kopf. Jenny suchte sich eine rosarote Feder aus und Robert nahm schließlich eine schwarz-weiße. Als es um passende Namen ging, schlug Starker Büffel vor, Jenny „Schweinchen dick“ zu nennen und Schlauer Fuchs rief: „Nein, wir nennen sie 'Rosa Elefant'!“ „Unfaire Indianer werden aus dem Stamm ausgeschlossen“, erklärte Thekla streng und schämte sich gleichzeitig für das Verhalten der Buben. Gerhard Sommer schaute die beiden prüfend an und sprach dann leise mit seiner Tochter. „Jenny möchte 'Schlafende Katze' heißen“, sagte er dann. „Und ich bin Winnetou“, schrie Robert aufgeregt. „Du kannst nicht Winnetou sein, der ist ein Häuptling“, widersprach Starker Büffel und tippte sich an die Stirn. „Dein Papa könnte Winnetou sein“, gestand er dem kleineren Buben dann zu. Alle schauten Gerhard gespannt an. Mit dunkelbraunen, etwas zu langen Haaren, gerader Nase, einem markanten Kinn und braunen Augen sah er Pierre Brice zwar nicht ähnlich, konnte aber durchaus als Indianerhäuptling durchgehen. Jetzt nickte er Starker Büffel zu. „Danke für die Ehre, Starker Büffel, aber mein Name ist 'Grauer Falke'“, sprach er feierlich in die Runde. Als sein Blick Thekla streifte, huschte ein jungenhaftes Grinsen über sein Gesicht, das gleich wieder verschwand. Theklas Herz setzte einen Schlag aus und fing dann an zu rasen. Sie hatte sich soeben in einen verwitweten Polizisten mit zwei Kindern verliebt. Ihr Herz hatte gesprochen, hugh.

Andrea, alias Rote Feder, brachte das Plakat mit den Namen in den Kreis, dann durfte jedes Kind seine Hand mit Fingerfarben anmalen und seinen Handabdruck auf das Plakat setzen. Häuptling Grauer Falke druckte seine Hand neben die von Windblume und wieder machte ihr Herz einen Salto und ihre Wangen färbten sich rosa, während Gerhard völlig unbewegt blieb, wie das bei Indianern eben so üblich ist. Danach zogen alle Regenjacken und Gummistiefel an, um im nahe gelegenen Wald Ruten für Pfeile und Bogen zu schneiden. Josef, der seinen Indianernamen „Brauner Widder“ notgedrungen ertrug, begleitete den Stamm mit einer kleinen Sichel. „Ich kenne selbst am besten, was weg muss und was bleiben sollte“, meinte er. Als sie zurückkamen, gab es Mittagessen und den Nachmittag verbrachten sie damit, die Ruten zu schälen und daraus Pfeile und Bogen zu schnitzen. Thekla schärfte den jungen Kriegern ein, nur auf die Zielscheibe zu schießen, die Josef in einer Ecke des Spielplatzes an zwei Pfählen befestigt hatte. Grauer Falke, bald der Mittelpunkt der Bogenschützen, zeigte den Kindern, wie sie sich richtig hinstellen, den Pfeil einspannen und zielen mussten. Er selbst traf fast jedes Mal in die Mitte der Scheibe, was immer mit Jubel quittiert wurde. Um vier Uhr brachte Marie ein Tablett mit Saft und Kuchen hinters Haus und die ganze Mannschaft stärkte sich.

Nach dem Abendessen spielten die Kinder Brettspiele und um halb acht las Thekla den größeren Kindern aus dem Buch „Pablito“, die Geschichte eines Indianerbuben, vor. Damit war ihre Arbeit beendet. Grauer Falke blieb den ganzen Tag bei seinen Kindern und wünschte ihr nun einen schönen Abend. „Du musst nicht ständig bei den Kindern bleiben“, sagte Thekla freundlich, „Ich denke, sie kommen jetzt schon zurecht.“ „Ich weiß“, meinte er achselzuckend, „aber nachdem ich sonst so wenig Zeit für sie habe, können wir wenigstens den Urlaub miteinander verbringen.“ „Natürlich“, lächelte Thekla, „unser Stamm kann einen Häuptling gut gebrauchen.“ Die Kinder, die schon voraus gelaufen waren, kamen zurück, mit der Frage, wo ihr Vater so lange bleibe. „Ich komme“, versprach er und wandte sich an Thekla. „Also dann, gute Nacht, Windblume. Möge Mutter Erde dir einen sanften Schlummer schenken.“ Dabei erhellte wieder dieses unwiderstehliche Grinsen sein Gesicht und Thekla fühlte sich reichlich entschädigt für die Mühen des Tages.

Als sie eine Stunde später in ihre Dachkammer gehen wollte, um noch zu lesen, kam ihr Gerhard mit einem großen Koffer entgegen. „Kannst du mir sagen, wo ich hier Wäsche waschen kann?“, fragte er. „Joyce, unser Au-pair, hat gesagt, dass die Waschmaschine rinnt und jetzt sind alle Sachen der Kinder schmutzig. „Marie wäscht sie für dich, kein Problem“, erklärte Thekla und nahm ihm den Koffer ab. Dann brachte sie ihn selbst in die Waschküche und verteilte die Wäsche nach Farben sortiert auf die beiden Waschmaschinen. Es waren hauptsächlich T-Shirts und Jogginganzüge der Kinder. Ein paar Herrenhemden waren auch dabei. Thekla konnte dem Drang nicht widerstehen, eines an ihre Nase zu halten. Es roch gut und sehr männlich, fand sie. Dann schalt sie sich eine Närrin und steckte es resolut zu den anderen Sachen in die Waschmaschine. Gut eine Stunde später ging sie noch einmal in die Waschküche, um die „Sommer'sche Wäsche“ aufzuhängen. Jetzt roch alles sauber und nach Maries Waschpulver.

Windblume

Подняться наверх