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Israelische Gewalt gegen die Palästinenser und deren Reaktionen darauf

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Die Spezialeinheit 101 der israelischen Armee, angeführt von Ariel Scharon, spielte dabei eine besondere Rolle. Hier kann nur ein Beispiel ausgewählt werden. Palästinensische Infiltranten, also Palästinenser, die in ihre Heimat, aus der sie vertrieben wurden, zurückkehren, töten am 12. Oktober 1953 im israelischen Dorf Yahud direkt an der jordanischen Grenze eine Frau mit ihren beiden Kindern. Wie es dazu kam und ob dies eine Racheaktion war, ist nicht bekannt. Die politische Führung Israels unter Ben Gurion beschloss zusammen mit der Armeeführung eine Vergeltungsaktion, die größte, die Israel in dieser Periode unternahm. Das Dorf Qibya wurde als Ziel ausgewählt. Mit etwa 100 Soldaten griff Sharon am 14. Oktober 1953 Qibya an. 45 Häuser wurden gesprengt, mindestens 70 Menschen, vor allem Frauen und Kinder getötet. Nach dem Bericht der UNTSO37 hatte die israelische Armee in Qibya ein gezieltes Massaker durchgeführt: »Von Kugeln durchlöcherte Leichen an den Türen der zerstörten Häuser zeigten, dass die Bewohner gezwungen worden waren, in ihren Häusern zu bleiben, bis diese über ihren Köpfen gesprengt waren.«

Das Massaker von Qibya erregte weltweit Entsetzen. Winston Churchill z. B. sandte eine empörte persönliche Botschaft an Ben Gurion. Die Reaktion der palästinensischen Bevölkerung entlud sich in großen Demonstrationen in Amman am 16. Oktober 1953, auf denen Rache gefordert wurde. Allerdings macht Qibya eines sehr deutlich. Die Palästinenser forderten Vergeltung, schrieben darüber in ihren Untergrundzeitungen, wie der Zeitung al-tha’r (Rache) der Bewegung der arabischen Nationalisten. Praktiziert aber wurde Vergeltung unerbittlich und in großem Maße von Israel mit der »Einheit 101« unter Ariel Scharon.

Die entsetzlichsten Massaker fanden 1956 im Gaza-Streifen statt, als die israelische Armee im Rahmen der Dreieraggression von Großbritannien, Frankreich und Israel gegen Nasser in den Gaza-Streifen einmarschiert war und dort eine kurze Schreckensherrschaft etabliert hatte.

Joe Sacco hat in seinem Buch »Footnotes in Gaza« die Opfer der Vergessenheit entrissen. In Khan Yunis wurde im November 1956 das »offensichtlich schlimmste Massaker auf palästinensischem Boden« verübt. 275 Menschen wurden dabei ermordet.

Der spätere Hamas-Aktivist Abdel Aziz Rantisi war damals 9 Jahre alt. Sein Onkel wurde an diesem Tag getötet. »Ich erinnere mich noch heute … an die Tränen meines Vaters um seinen Bruder. Monatelang danach konnte ich nicht richtig schlafen … all dies hinterließ eine Wunde in meinem Herzen, die nie heilen wird. … Diese Dinge kann man nie vergessen, … sie haben den Hass in unsere Herzen eingepflanzt.«38

Laut Sacco besteht die Relevanz von Massakern wie dem von Khan Younis 1956 darin, dass »die Samen von Trauer und Wut, die bis heute die aktuellen Ereignisse bestimmen, den Menschen eingepflanzt werden«. Massaker wie das von Khan Yunis, Gewalt durch die israelische Armee und später, ab 1967, der Besatzungsarmee, werden von den Menschen als eine Kontinuität von gewaltsamen Ereignissen verstanden. Und Sacco folgert daraus, dass die Palästinenser »nie den Luxus haben, eine Tragödie zu verdauen, bevor schon die nächste auf sie zukommt«. Wichtig für das Argument in diesem Buch ist sein Schluss: »Vergangenheit und Gegenwart können nicht so einfach entwirrt werden. Sie sind vielmehr Teil eines gnadenlosen Kontinuums, einer verschwommenen Geschichte.« Und die Ereignisse in Gaza sieht er »nicht nur als eine Katastrophe für die Menschen, die durch sie leben mussten«, sondern auch als instruktiv für jeden, der verstehen will, warum und wie Hass in die Herzen der Palästinenser eingepflanzt wurde, wie Rantisi formulierte. Rantisi fiel 2004 (er war einer der führenden Hamas-Aktivisten geworden) einem Attentat der israelischen Armee zum Opfer, als Raketen der Marke Hellfire aus einem Apache-Hubschrauber auf sein Auto abgefeuert wurden.

Nelson Mandela: »It is always the oppressor, not the oppressed, who dictates the form of struggle.« (Es ist immer der Unterdrücker, nicht der Unterdrückte, der die Form des Kampfes diktiert)

Alle palästinensischen politischen Bewegungen zwischen 1948 und 1967 hielten angesichts der vom Staat Israel und seiner Armee gegen sie ausgeübten Gewalt nur eine Strategie der Gegengewalt denkbar. Dies zieht sich durch alle Zeugnisse ihrer Führer, Theoretiker und Ideologen von Habasch über Zuraik bis hin zu den arabischen Nationalisten Nassers und der 1959 neugegründeten Fatah.

Während jedoch Nasser und die arabischen Nationalisten die arabische Einheit als einzig möglichen Weg zur Befreiung postulierten, entwickelte die neu gegründete Fatah eine fast diametral entgegengesetzte Strategie. Ihr ging es um die Gründung eines eigenen palästinensischen Staates. Dieser Staat sollte durch den bewaffneten Kampf der Palästinenser selbst entstehen. Es sollten also die Palästinenser, unterstützt von den arabischen Staaten, sein, die an der Spitze des Befreiungskampfes standen, nicht Nasser oder andere arabische Staatsführer.39

Kein Frieden für Palästina

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