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Nur die Decke war Zeuge

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Bekanntlich gibt es zwei Arten von in Hotels verbrachten Nächten. Die eine ist angenehm. Das liegt an schönem Ambiente und Vorfreude aufs nicht eigenhändig zubereitete Frühstück – eine Erfahrung, die so gar nicht darauf angelegt ist, finstere Gedanken an Statistiken über Milbenkolonien in gastgewerblichen Matratzen zu wecken.

Die andere erlebt man nicht selten allein, was nächtliches Brüten über Ungeziefer begünstigt. Denn so hat man genug Muße, sich in einschlägigen Vergnügungen zu ergehen: Nachdenken über die Schlechtigkeit der Welt (unverschämte Minibar-Preise, mangelhaftes Leselicht, indiskutables Fernsehprogramm) und über die unmittelbare Umgebung. Zu letzterer gehört häufig ein zu dünnes Kopfkissen. Ein lösbares Problem, finden sich doch im Schrank weitere. Doch dann ist da noch etwas, das man nicht in jedem Fall am Körper haben will, auf das man aber hilflos angewiesen ist: die Bettdecke.

Glücklich, wer sich in Leichtes, von reiner, weißer Baumwolle Umhülltes schmiegen kann. Unterhalb der Vier-Sterne-Marke und da vor allem im mittel- und südeuropäischen Raum sieht das Bett oft anders aus: Dort wirft man gerne grobe Wolldecken von langer Lebensdauer, möglichst in gedeckten, unempflindlichen Brauntönen aufs Lager; vor diesem unheimlichen Textil schützt einzig ein Laken darunter, das oben um die Wolldecke gefaltet ist. Das Ganze wird an beiden Seiten unter der Matratrze festgezurrt, damit der Gast, steckt er erstmal im Bett, so schnell nicht entkommen kann (Reisende sind schließlich immer auch auf der Flucht).

Kratzig sieht die Decke aus, wärme- und wasserabweisend, und sie erinnert daran, dass das Leben im Hotel kein Dauerzustand werden sollte. Zerstreuung ist nun kein Problem mehr, kann man doch in Ruhe über die Geschichte der Decke nachdenken und wie schön es ist, dass sie ihre Geheimnisse nicht als Gute-Nacht-Geschichte ausplaudert. So ein Ding ist wie Teppichboden im Bad oder ein flusiger Bettvorleger: Eigentlich möchte man nichts damit zu tun haben.

Schreckt der Gast dann in fortgeschrittener Nacht aus unruhigen Träumen empor, ist er entweder unauflöslich in der Decke verheddert oder zuckt zusammen, weil sie sich auf der Suche nach Körperkontakt vom Laken getrennt hat. Nun bewegt sie sich nach oben, vermutlich, um sich über den Kopf zu senken, bis die Atemtätigkeit nachlässt.

Schön immerhin, wenn sie dabei nicht nach Zigarettenrauch riecht. Einzelne Flusen (die Haare früherer Opfer?) lösen sich vom engmaschigen Gewebe und finden den Weg in Nase, Mund und blinzelnde Augen. Erst durch heftiges Rudern mit den Armen ist Befreiung möglich. Mit der Decke ist indessen auch der Schlaf weg. Und alles beginnt von vorn: Fernsehen? Nix drin. Minibar? Zu teuer. Lesen – geht nur, wenn man den Kopf auf den Nachttisch legt. Fröhlich kreiseln die Gedanken, da blinzelt die Dämmerung schon durch die Gardinen. Nur das Wollding schweigt, als wäre nichts gewesen.

bis

James, die Tür bitte!

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