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Heißluft mit Haltungsschaden

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Es gibt ihn noch, aber meistens muss man nach ihm suchen. Über die Jahre hat er es scheinbar gelernt, sich immer besser zu verstecken: um nicht arbeiten zu müssen. Und mehr noch um nicht gestohlen zu werden. Mancherorts verschlug es ihn in den Schrank irgendwo zwischen Ersatzkopfkissen und Zusatz-Wolldecke. Anderswo fristete er halb verdeckt von einem Nachfüllpack Kleenex-Tücher in der untersten Schublade des Waschtischs im Hotel-Badezimmer sein Dasein. Und ab und zu kauerte er eng an die Rückwand gepresst in einer der Nachttischschubladen. Je größer, schöner, stabiler, je metallener und polierter er war, desto besser war er versteckt: der Hotel-Föhn. Nur noch selten war er da zu finden, wo man in braucht: für den schnellen Zugriff an einem Haken an der Badezimmerwand.

Neulich musste ich nicht lange suchen. Schick auf eine dunkelrote Filzablage gebettet lag das silbern-schwarze Prachtexemplar in der einzigen Schublade des Badezimmers und schien geradezu eingesetzt werden zu wollen. Ich griff danach, und es fehlte nicht viel daran, dass ich in die Schublade geschnellt wäre. Der Föhn schien an mir zu zerren statt umgekehrt. Sein Kabel war sehr kurz und dick und fest, es war in Spiralen aufgedreht wie das eines alten Festnetz-Telefonhörers. Es hatte richtig Kraft. Und am Schlimmsten: Es war durch ein Bohrloch an der Rückseite der Schublade geführt und dahinter in einer Wandsteckdose befestigt. Das hat zwei Effekte: dass man den Föhn nur mitnehmen könnte, wenn man wahlweise ihn oder die Schublade zerstörte. Und dass man sich nicht wirklich föhnen kann. Denn was nützt ein elektrischer Heißluftverbreiter sechseinhalb Zentimeter über der Marmorplatte des Waschtischs? Dieser jedenfalls sollte der erste Föhn werden, vor dem ich kniete. Anders ging es nicht.

Aber ich habe Glück. Der unbequeme morgendliche Kniefall vor Föhn und Schublade währt nur noch kurz. Ein angenehmer Umstand. Denn über die Jahre haben zwei Drittel der Haare von einst meinen Kopf bereits verlassen. Das spart Zeit - und entwickelt sich im Beherbergungsgewerbe offenbar zum orthopädischen Komfortgewinn.

Nur: Aus Beobachtungen in Hotel und Flugzeug weiß ich, dass auch Menschen mit eindeutig mehr Frisur verreisen. Es kann sogar sein, dass sie sich mal das Haupt föhnen müssen. Lieber Hotelier, wie wäre es, wenn Du das praktische Gerät nicht nur zum Schein in die Schublade tackerst, sondern ihm vierzig Zentimeter mehr Schnur spendiertest? Tackern dürfest Du dann trotzdem. Damit keiner das hübsche Ding aus Versehen mitnimmt.

hs

James, die Tür bitte!

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