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Requiem für George

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George ist gestorben. Einfach so. Keiner hat gesehen, wie es geschah. Niemand weiß, was geschehen ist. Eines Morgens haben sie ihn gefunden: tot in seinem Fünf-Sterne-Quartier. Mehr als ein halbes Jahrzehnt lang war er ununterbrochen ihr Gast, hat kostenlos in einem der teuersten Hotels der Welt gewohnt, wo jedes Zimmer eine Suite ist, über zwei Etagen reicht und in der kleinsten Variante 170 Quadratmeter misst. George war seit der Eröffnung im „Burj al Arab“ in Dubai zuhause, genoss diese Jahre über freie Kost und Logis, schaute schillernden Milliardären und schüchternen Tombola-Hauptgewinnern hinterher, verfolgte sie mit seinen diskreten Blicken, wenn sie die Lobby durchschritten. George hat alle aus der Nähe erlebt – Clinton und Mandela, Scharen von saudischen Prinzen, Sportler und Pop-Größen. Feinde hatte er keine. Alle haben ihn gemocht, und wer ihn kannte, ist traurig über sein überraschendes Ableben.

Einer der Hotelangestellten ist im Taucheranzug neben den Rolltreppen in der Lobby ins Wasser geglitten und hat unter den Augen vieler Zeugen diesseits der zehn Zentimeter dicken Panoramascheibe Georges Leichnam mit einem großen Kescher aus seinem Becken bergen und den Zackenbarsch mit der feinen Musterung der Schuppen und dem violetten Glanz zur letzten Ruhe in den Persischen Golf gleiten lassen.

Sieben Mitarbeiter sind dafür eingestellt, sich allein um die Aquarien im Burj al Arab zu kümmern - um die beiden 5,20 Meter hohen Panoramabecken links und rechts neben den Rolltreppen in der Lobby und um das zylindrische Riesenaquarium in der Mitte des Unterwasserrestaurants Al Mahara im Tiefgeschoss.

George war ihr Liebling, weil er der Größte und der Schönste war. Weil er diesen sympathischen Augenausdruck hatte und irgendwann anfing, aus der Hand zu fressen. Gleichzeitig haben sie den Namen gemocht, ohne sich so recht zu erinnern, warum es dieser und nicht Charles oder Jim oder Bill wurde.

Die Fische sind lebendes Inventar des Burj al Arab, des „Turm der Araber“. Ein Wunsch, der Gästen mit bedauerndem Kopfschütteln beschieden werden musste? Der Concierge, die Butler, die Chauffeure, selbst die Pressesprecherin – keiner hat im Gedächtnis, dass so etwas schon mal vorgekommen wäre, niemand weiß ein Beispiel. Nur die Aquariumsleute erinnern sich mit Schrecken: „Einmal, da hat ein Gast im Unterwasserrestaurant Al Mahara bei der Bestellung `Den da´ gesagt und auf George gedeutet, der seinerzeit arglos seine Kreise im zylindrischen Riesenaquarium zog und freundlich schaute. `In Butter gebraten bitte´.“

Er bedauere, habe der Kellner antworten müssen, nachdem er eilig mit den Fischpflegern telefoniert hatte. Eine Notlüge musste helfen: „Der ist bereits reserviert. Und die anderen in dem Becken sind es auch.“ Er hat stattdessen omanischen Hummer aus der Kühltruhe empfohlen, war sich der Dankbarkeit seiner dekorativen Kollegen sicher – und dem kulinarisch umgeleiteten Gast hat die Empfehlung so gut geschmeckt, dass er ein stattliches Trinkgeld auf dem Meeresgrund ließ.

hs

James, die Tür bitte!

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