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„James, die Tür bitte“ Vom Leid, plötzlich einen Butler zu haben

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Zuhause habe ich so jemanden nicht. Zum Glück. Keine Hilfsperson in dunklem Anzug und weißem Hemd, die mir Drinks einschenkt, Kleinkram hinterherträgt, die Schuhbänder zubindet und dabei ständig „sehr gerne, Sir“, „natürlich, Sir“ sagt und zu allem Überfluss fragt, ob ich womöglich noch einen Wunsch hätte. Und jetzt habe ich plötzlich einen Butler. Nur für zwei Nächte zwar, nur auf Zeit und im Hotel – und nur weil es einen Buchungsfehler gab, mein eigentliches Zimmer nicht verfügbar ist und ich höher gestuft wurde, kostenlos ein so genanntes „Upgrade“ bekommen habe: Mein neues Zimmer ist eine Suite, und standardmäßig gehört neben so nützlichen Dingen wie Riesen-Flachbildschirm und Whirlpool auch ein Butler dazu.

Der schlägt als erstes vor, dass ich ihn der Einfachheit halber wie alle anderen Gäste auch „James“ nennen könnte. In 90-Zentimeter-Abstand folgt er mir durch die Zimmerflucht, um immer kurz vor einer Tür mit eiligen Trippelschritten zu überholen und sie aufzureißen. Nebenbei beschallt er mich mit Erläuterungen und fragt Entscheidungen ab: Wann er im Salon Tee oder Kaffee servieren dürfe, und ob es dazu auch Zartbitter-Pralinen sein dürfen oder nur welche aus Vollmilchschokolade. Ob ich eine Nuss-Allergie hätte und es bei Knabberkram Vorlieben gäbe. Ich will nicht unhöflich sein und möchte nach dem langen Flug eigentlich nur eines: meine Ruhe. Nur wie sage ich es meinem wohlerzogenen Butler? Bis mir dazu eine Lösung einfällt, bedanke ich mich ständig und nehme jeden seiner Vorschläge an: Ob er ein heißes Bad einlassen solle? Warum nicht, kann er machen. Ob ich anschließend noch ein Glas Champagner im Salon trinken und Musik hören möchte? Klassik oder lieber Jazz, lauter oder leise? Klingt alles nicht schlecht. Irgendwann sage ich vollständig ermattet „Gute Nacht“, verschwinde im Schlafzimmer - und schließe sicherheitshalber hinter mir zu.

Vorher noch hatte ich den Fehler gemacht, ihm von dem Tablett mit den drei Dutzend Begrüßungspralinen anzubieten. Entrüstet hat er abgelehnt. Dabei wollte ich nur signalisieren, dass mir die Hierarchie-Ebene unangenehm ist, ich Menschen nicht nach Bedienern und Bedienten unterscheide. Ich wollte ihm signalisieren, dass mir ein Freund für die zwei Tage lieber ist als ein devoter Domestike. Es war falsch.

Schon vor dem Aufstehen muss er wieder da gewesen sein: In einem Nebenraum hat er Tee gekocht, Frühstück vorbereitet. Beim Zeitunglesen steht er nun hinter mir, und immer, wenn ich einen kleinen Schluck Tee getrunken habe, schenkt er genau im Volumen dieses Schlucks nach. Mich macht das alles total nervös.

„Es ist mein Zimmer – wenn auch nur aus Versehen“, denke ich. „Und ich will jetzt meine Ruhe“. Ehe ich es ausspreche, fragt er wieder, was er nun für mich tun könne. Da habe ich endlich die rettende Idee: „Eine Zeitschrift besorgen. Bitte. Eine ganz bestimmte. Eine Fachzeitschrift. Eine seltene. Am Flughafen habe ich sie gesehen und vergessen, sie zu kaufen. Die brauche ich. Sobald es geht.“ Und das Wunder geschieht: Volle drei Stunden habe ich meine Ruhe. Und anschließend die Zeitschrift, die mich nicht sonderlich interessiert. Am Nachmittag bitte ich ihn, eine ganz bestimmte CD zu besorgen, am nächsten Morgen ein deutschsprachiges Buch. Und sollte er mal unerwartet schnell zurückgekommen sein, ich hätte ihn irgendwo eine gelbe Gummi-Ente für die Badewanne auftreiben lassen müssen. Ich wäre ohne all das ausgekommen. Aber er hat zu tun, sein Erfolgserlebnis, ich meine Suite wirklich für mich. Am Ende gebe ich ihm gutes Trinkgeld und danke herzlich. Und wenn ich je wieder eine Suite bekommen sollte: bitte ohne Butler.

hs

James, die Tür bitte!

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