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KÖNIG FRIEDRICH WILHELM I. VON PREUSSEN
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LEBENSDATEN
König Friedrich Wilhelm I. von Preußen
*14.8.1688 in Cölln/Spree, † 31.5.1740 in Potsdam
Eheschließung:
28.11.1706 mit Sophie Dorothee von Hannover
*26.3.1687 in Hannover, † 28.6.1757 in Berlin
Nachkommen
Friedrich, Prinz von Oranien
*23.11.1707, † 13.5.1708
Wilhelmine
*3.7.1709, † 14.10.1758
Friedrich Wilhelm, Prinz von Oranien
*16.8.1710, † 31.7.1711
Friedrich, der spätere König
*24.1.1712, † 17.8.1786
Charlotte
*5.5.1713, † 10.6.1714
Friederike Luise
*28.9.1714, † 4.2.1784
Philippine Charlotte
*13.3.1716, † 16.2.1801
Karl
*2.5.1717, † 31.8.1719
Sophie
*25.1.1719, † 13.11.1765
Luise Ulrike
*24.7.1720, † 16.7.1782
August Wilhelm
*9.8.1722, † 12.6.1758
Amalie, Äbtissin von Quedlinburg
*9.11.1723, † 30.3.1787
Heinrich
*18.1.1726, † 3.8.1802
Ferdinand
*23.5.1730, † 2.5.1813
KÖNIG FRIEDRICH WILHELM I. VON PREUSSEN
Gelegentlich, nicht immer, häufen sich Kalenderdaten zu einem Gebirge, das wir im Nachhinein als geschichtsträchtig erkennen. Am 18. Januar 1701, in seinem Krönungsjahr, ist Friedrich, als Kurfürst Friedrich III., nicht ganz 44, Sophie Charlotte, seine Gemahlin, zählt 33 Jahre, und der Große Kurfürst, im Mai des Jahres 1688 in Potsdam verstorben, dreizehn Jahre tot. Im gleichen Jahr, einige Monate nach dem Tode des Großen Kurfürsten, wird Friedrich Wilhelm, der Reihenfolge nach zweiter König in und von Preußen, geboren. Was aber ist noch geschehen? Im Jahr vor der Krönung marschieren sächsische Truppen in Livland ein, nämlich im Februar 1700; im Juni besiegt ein Bürschlein von einem schwedischen König, nicht einmal zwanzig Jahre alt, mit Namen Karl XII., in einem Blitzkrieg die Dänen. Zar Peter I., auch noch kein Methusalem, und seit kaum vier Jahren Alleinherrscher aller Russen und Reußen, hat den ersehnten Frieden mit den Türken erlangt und lässt seine Truppen im August 1700 ebenfalls in Livland einfallen. Inzwischen ist Sachsen geschlagen, was Peter zu dem wütenden Ausbruch veranlasst, August hätte sich an die Front begeben sollen, anstatt bei seinen Weibern herumzuliegen. Um Peters Armee ist es allerdings auch nicht sonderlich bestellt, im Grunde besitzt er nur seine Garden, die Preobraschenzen zuoberst, und ein paar eilig zwangsgezogene Muschiks, mit denen er -ebenfalls bei Abwesenheit- seine Generale im November vor Narva eine der schrecklichsten, der blamabelsten Niederlagen einhandeln lässt. Das heißt, wir stecken mitten im Nordischen Krieg, nach dem wir gerade den neunjährigen im Westen mit Ach und Krach beendet haben, wir Europäer. Allerdings, Schweden ist nicht nur die Großmacht im Norden, es besitzt nicht nur die bestgerüstetste, kampfbereiteste Armee, sondern auch einen charismatischen Knaben von König, der sich für Alexander den Großen und für Cäsar hält. Selbst auf seinen Feldzügen schleppt dieser jugendliche Asket des Krieges die Biographien seiner Vorbilder mit sich herum, um gegebenenfalls darin nachzulesen, was er richtig und was er falsch gemacht hat. Alle Taktiker jener Zeit gewinnen ihre Schlachten in der Mehrzahl durch den Angriff, ausgenommen die Franzosen, deren Festungsbau eine Kunst geworden ist. Karl XII. kennt überhaupt nur eine Taktik: den Angriff mit blanker Waffe ohne jede Verzögerung. Und er verfügt über gewisse Lebensregeln, die er stets befolgt: die eine soll ihn zwischen gerechten und ungerechten Kriegen zu unterscheiden lehren - eine damals weit verbreitete Anschauung unter königlichen Heerführern -, die andere geht dahin, eine Sache, auch die verzweifeltste, niemals aufzugeben. Noch gibt es keine Armee in Europa, die dem Angriff der schwedischen Garden standgehalten hat. Und es wird auch am Ende dieses Krieges keine geben, es wird nie eine Armee erwachsen, die dem ungestümen Angriff der Schweden etwas entgegenzusetzen hat, aber, muss hinzugefügt werden, es wird auch bald keine Schweden mehr in der europäischen Mitte geben. Der sächsische August kam zu seinem Krieg wie die Jungfer zum Kind; ein gewisser Patkul, livländischer Ritter und Sprecher des dortigen Adels, hat zuerst versucht, mit Karl XI., dem Vorgänger des bewunderten Kriegshelden, Livland von der Enteignung bestimmter ehemaliger Krongüter (eine höchst verwickelte Rechtslage, auf die wir nicht eingehen wollen) durch die Krone auszunehmen. Er hielt in Schweden beredt Vortrag, und Karl klopfte ihm anerkennend auf die Schulter, ohne nachzugeben; er schickte ihm sicherheitshalber zwei Agenten nach, die ihn fangen und töten sollten. Allein Patkul, mit den Gepflogenheiten der Diplomatie wohl vertraut, entfloh nach Sachsen und brachte tatsächlich allmählich als Mitglied einer Delegation in Moskau jene Allianz gegen Karl XII. zusammen, die soeben die Jacke voll bekommen hat. Manche Historiker nennen Patkul einen Agenten des Zaren, der war er nicht; als schwedischer Untertan beging er aber Landes- und Hochverrat, als er ein feindliches Heer ins Land holte. Patkul strengte sich alsbald verzweifelt an, die Russen aus Livland wieder zu entfernen. Noch später lieferten ihn die treuen Waffengefährten an Karl aus, der ihn nach Art der Zeit grausam zu Tode bringen ließ. Dies geschieht schon 1705, bzw. 1707, nämlich im Oktober. Aber genug der Hintergründe und zurück zum König in und von Preußen, vor dessen Haustür sich alle diese Dinge ereignen, indessen er sich seelenruhig damit befasst, aus sich einen König zu machen.
Als Friedrich, noch III. und bloß Kurfürst, im Dezember 1700 von Berlin aus in Richtung Preußen aufbricht, um König zu werden, darf ihn der Sohn Friedrich Wilhelm nicht nur begleiten, im Alter von etwas mehr als zwölf Jahren, er darf sich auch als Kronprinz bezeichnen. Er ist der älteste lebende Kronprätendent geworden. Das ganze Jahr 1699 bis hinein in das kommende der Jahrhundertwende hatten sich die europäischen Angelegenheiten derart entwickelt, wir lasen eben davon, dass Friedrich nach der Königskrone greifen konnte, was schließlich doch mehr gewesen ist als eine schrullenhafte Laune, weil ein Zeitalter begann, in dem mehr zu scheinen als zu sein als Lebenssinn überall zu gelten anfing. 1699 war der präjudizierte Erbe des spanischen Reiches, Joseph Ferdinand von Bayern, gestorben, und damit drohte wieder einmal Krieg im Westen, weil der Kaiser gegen die Teilungspläne der Seemächte stand und für den Erhalt eines Großreichs optierte. Allerdings hielt Habsburg nichts von einem Vandalenkönig an der Ostsee, anders als die kaiserlichen Berater, die sich von einem Bündnis zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten von Brandenburg eine Stütze in den kommenden Auseinandersetzungen versprachen. Im Januar 1700 hatte August von Sachsen und Polen seine heiße Sympathie für die Pläne des fürstlichen Bruders in Berlin bekundet, aber auch Schweden, die nordische Großmacht, war solchen Königsplänen aus taktischen Ursachen zugeneigt. Infolge seiner europäischen Mittellage kam Brandenburg und Preußen eine solche Bedeutung zu, dass es selbst dem Zaren Peter I. einleuchtete, der Königswürde Friedrichs den Zuspruch nicht zu versagen. Die Verhandlungen zwischen Wien und Berlin zogen sich allerdings hin, und der vorsichtige Kaiser wollte und konnte seine Zustimmung auch nur zu dem König in Preußen geben, schon im Hinblick auf den Widerspruch Polens. Allein, weder die französische Sprache, noch das Latein ließen solche feinen Unterscheidungen zu. Bei den Franzosen hieß Friedrich I., König in Preußen, einfach Roi de Prusse und in Latein schlicht Rex Borussia. Für diese Gabe vom Tisch des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation musste Friedrich versprechen, dem Kaiser bei Bedarf 8 Tsd. Mann ins Feld zu stellen und dieses Heer auch zu unterhalten. So wurde denn zu guter Letzt am 16. November 1700 der Kronvertrag geschlossen. Am 24. November traf die Nachricht in Berlin ein; sie löste einen Freudentaumel und hektische Betriebsamkeit aus. Der Kurfürst hatte Eile. Für die Vorbereitungen der Krönung selbst blieb wenig Zeit, da sich Friedrich schon im Januar 1701 zu krönen gedachte, in Preußen, da nichts Besseres in Frage kam. Es handelt sich bei dem späteren Krönungsort Königsberg um eine von Berlin immerhin 600 Kilometer entfernt liegende Stadt. Vermutlich waren Friedrich während des Sommers 1700 genug positive Nachrichten aus Wien zugespielt worden, dass er beizeiten an die förmliche äußere Ausstattung des großen Tages gehen konnte. Dekorationen wurden entworfen, verworfen, ein weiterer Orden gestiftet, der preußische Adlerorden, in schwarz und in rot; Friedrich Wilhelm, Enkel des Großen Kurfürsten und 1688, wie wir sahen, 12 Jahre alt, wurde sein erster Ritter. Kleider und Roben, aller Glanz und Flitter wurden erdacht und hergestellt, was sicherlich nicht in wenigen Wochen zu machen gewesen ist. In diesem Dezember herrschte, so teilen verschiedene Augenzeugen mit, in Europa eine klirrende Kälte. Aber es half nichts, man musste aufbrechen; am 19. Dezember 1700 setzte sich der Heerwurm von Berlin aus in Marsch. 30 Tsd. Relaispferde für sage und schreibe 1800 Wagen mussten an der Strecke bereitgehalten werden. Der Hof, Kammerherren und Zofen, Bedienstete aller Art, Eskorten und Köche, Unterhaltungskünstler, Geschenke und Bagage brauchten einen solchen Aufwand eines ständig rollenden Hofes.
Unter diesen Umständen waren jedoch überhaupt nur kurze Tagesreisen möglich, die Nachmittage und Abende in Städten und Dörfern wurden mit dröhnender Lustbarkeit verbracht. Von der mühsamen Fahrt in schlecht gefederten und ungeheizten Kutschen auf vereisten und holprigen Straßen werden sich die durchgefrorenen Damen und Herren des Hofstaates bei den Relais zuallererst aufgewärmt haben, vielleicht vermittels warmer Bäder. Und der künftige König besaß weder die Natur noch den Charakter des Großen Kurfürsten, der jedem Wetter getrotzt hatte, was freilich seiner Gesundheit wenig förderlich gewesen. Das eiskalte Wetter hielt die Reise hindurch an, Schnee gab es reichlich, mancherorts wurden die Straßen mit Tüchern belegt, um die schweren Wagen fortzubringen. Zwischendurch musste auch noch Weihnachten, mehr oder minder festlich, mehr festlich und teuer, nehmen wir an, begangen werden. Endlich traf der Heerwurm am 29. Dezember in Königsberg ein. Hier konnte das Lager im Stadtschloss dauerhafter aufgeschlagen und alle Vorbereitungen für den Festtag getroffen werden. Und der Krönungstag rückte näher und näher, schließlich war es soweit, ein König sollte sichtbar vor den Augen der Welt, sagen wir, eines kleinen, eines sehr kleinen Teils der geschichtlichen Welt, gemacht werden. Im Audienzsaal des Königsberger Schlosses, dem Geburtshaus Friedrichs, versammelten sich am 18. Januar 1701 die Mitglieder der fürstlichen Familie, die Gesandten befreundeter Höfe, Abgesandte des Adels der Landschaft, der Königsberger Bürgerschaft und eine Menge nicht mit Namen genannter Leute. Die Nacht über hatte das Wetter verrückt gespielt, abwechselnd mit Hagel und Schnee aufgewartet, aber am Krönungstag ging strahlend die Sonne auf, Zeichen der Gunst des großen Verbündeten der Hohenzollern. Gemessenen Schrittes, bei feierlicher Andacht der Umstehenden setzte sich der Kurfürst Friedrich III. selbst eine Krone auf das Haupt, eine symbolisch bedeutsame Handlung der Selbstkrönung, alles selbst gemacht, sozusagen. Normalerweise wurde ein König oder Kaiser von einem hohen, am besten dem höchsten Geistlichen gekrönt und zum Herrscher gesalbt. Anders hier, als sich einer selbst krönte. Die patriotische Geschichtsschreibung erklärt diese ungewöhnliche Art damit, dass die Reihenfolge umgekehrt werden sollte, erst die weltliche, dann die geistliche Macht in Preußen. Wir hingegen nehmen nüchterner Weise an, dass verschiedene Umstände diese Krönung veranlasst haben. Denn: Wer hätte diesen König denn krönen sollen? Ein Geistlicher? Welcher Konfession? Übrigens hatte sich der ungestüme Karl XII. aus dem Norden ganz ähnlich selbst gekrönt; schlechte Beispiele verderben eben auch gute Sitten unter Fürstendächern, hat es sie wirklich einmal gegeben. Beispielsweise könnte Danckelmann seinem ehemaligen Schüler zusammen mit dem Reifezeugnis die Krone auf die Perücke gedrückt haben, eine Krone, die sich jener kindlich-spielerisch nach großen Vorbildern selbst gemalt und dem Hofjuwelier zur Realisierung übergeben haben mag, hätte der Erzieher nur die Kompetenz eines Papstes besessen. Auf einem Kupferstich aus dem Jahre 1703 ist die Krone, auf einem Samtkissen liegend, abgebildet; sie hat Ähnlichkeit mit der Reichskrone, wird oben durch Reichsapfel und Kreuz abgeschlossen; Friedericus I. R. Boruss; diese Art bildnerischen Schaffens wird durch ein Blatt vom Einzug des Krönungszuges in Berlin ergänzt. Zwischen Schlossportal und Spreekolonnaden reiten viele Reiter, weiter hinten in Richtung Marstall wird offenbar mit Kanonen geschossen, und es kommen dem Betrachter sonderbare Erinnerungen, was diesen Platz des deutschen Reichs betrifft.
Und der neue König? Eine Attrappe? Eine Perücke? Ach, dieses schöne Zeitalter ging zu Ende, auch wenn es noch manch eine Perücke geben sollte, dreihundert etwa für das Haupt des Sachsen. Heroisches kündigte sich auch darin an, dass Karl XII. die künstliche Lockenpracht einmal und nie wieder aufstülpte, ganz ähnlich wie der mächtige Zar Peter. Der nun schon knapp dreizehnjährige Friedrich Wilhelm, unser Kronzeuge, dem die Großmutter aus Hannover, wie einige andere Damen und Herrn, neben seiner beispiellosen Ungezogenheit eine auffallende Frühreife nachsagen, denkt: ... nur Geduld, Herr Vater, man sagt, daß Euer herrlicher karmesinroter und golddurchwirkter Rock, strotzend von Edelsteinen, daß Euer hellroter Hermelinmantel darüber, alles sind, was Ihr als König zu geben habt! Auch soll jeder der Diamantknöpfe auf Eurem wunderbaren Kostüm an die 3 Tsd. Dukaten gekostet haben. Mit diesem Aufwand könnte ich ein Regiment länger als ein Jahr, nein, viel, viel länger, beköstigen und erhalten. 'Wahrlich, Ihr seid jeder Zoll ein König, Ew. Majestät! Muß man Euch jetzt mit Sir ansprechen, wie den Sonnenkönig, unseren lieben Verwandten, Euren lieben Paten, der uns die Schweden auf den Hals geschickt hat und weiter schicken wird, obschon diese einer anderen Religion als der seinen angehören, und es geht doch um solch schöne Sachen, wie den wahren Glauben, nicht wahr? Ich werde sogleich niederknien und Euch, wie es die Sitte erheischt, die Hand küssen. Ew. Majestät! Eure erlauchte Gattin, meine verehrte Mama, die schönste, die geistreichste Fürstin Europas, wie alle Hohlköpfe in Briefen für die Nachwelt versichern, wird in wenigen Augenblicken von Euch zur Königin gemacht werden. Werden ihr Schauer über den Rücken laufen, ob der Erhabenheit dieser Stunde, der Größe ihres Glückes, sie, die Euch haßt, verachtet, überall herabwürdigt, verehrte Mama? Ich höre, Ihr werdet Eure Königin in einem Nebenraum eigenhändig krönen? Wie schön und wie vortrefflich ausgedacht, Sir! Wir folgen Euch gern, um auch diesem Akt beizuwohnen; nehmt nur erst die Huldigungen aller Anwesenden entgegen, wir folgen Euch in die Gemächer Eurer Königin, ma tres chere Mama Sophie, die mit ihrem eigenen Hofstaat, allen diesen Ohrenbläsem, Lustbarkeitsmachern, Querflötern, Klavichordvirtuosen. allen diesen gottverdammten Projektemachern und Anbetern des holden Müßiggangs, darunter der hochgerühmte Herr Leibniz, der gewichtige, der philosophische Herr Leibniz, ein bedeutender Mann, Mitbringsel aus dem großen Hannover. Fürchten Sie nichts, Sir! Großvater und Grandmere am bedeutenden Hofe zu Hannover werden einmal Kurfürst und Kurfürstin, aber niemals Könige, wenigstens nicht in Deutschland. Vielleicht in England? Vielleicht, nein, gewiß oder nicht gewiß? Dort steht Bolingbroke, der englische Gesandte. Wißt Ihr, was er über Euch eines Tages sagen wird? Er wird sagen, daß Ihr der beste Majestätsdarsteller Europas gewesen seid, und Ihr selbst werdet zuletzt von einer Commedie sprechen. Genug, genug ... Noch sehen wir Euch staunend und erregt von dem Glanz der Kerzen, dem Rausch der Farben, der Musik, die Ihr mehr liebt als den Donner der Kanonen, die gleichwohl unsere Macht sichern könnten, wir hätten sie denn, wären da nicht die Kosten für Eure Feten, Eure Röcke und Perücken. Eh bien! Gehen wir, gehen wir also ins Nebengemach. Da ist Madame, Sophie Regina Prussia, alsbald Königin. Nun drückt Euch der König die Krone auf das gelockte Haupt, liebe Mama! Ihr dürft Euch wieder erheben, Madame, falls Euch die Last an Brokat und Juwelen, falls Euch Euer Fett nicht daran hindern. Ich verspreche es Euch beiden, verehrte Eltern und Ew. Majestäten, und meine liebe Mama, so wahr ich lebe und hier stehe, und so wahr mir Gott dabei helfe, einst wird ein herber, ein eiseskalter Wind durch Euren verfluchten Luxus wehen und fegen, fegen ... wenn ich dereinst König sein werde. Denken Sie daran, Madame, denken Sie daran, Sir, Rois, Regina de Prusse ...
Aber kommen wir aus dem Himmel solcher Prosa zurück auf die Erde des Prosaischen. Mit den beiden Krönungen waren die Feierlichkeiten keineswegs zu Ende. Zwar hatte sich Friedrich III. selbst zum König Friedrich I. und Sophie Charlotte zur Königin gekrönt, gleichwohl aber wollte er nicht auf die Einsegnung der Kirche verzichten, unterstreichend, dass die Königsmacht letzten Endes eben doch von Gott kommt, auch wenn sie einen gepfefferten irdischen Preis hat. Die Sache hatte ja schwierig genug ausgesehen, konnte aber glücklich zu Ende gebracht werden. König und Königin waren Kalvinisten, Sophie erst durch Übertritt, verschiedenen Konfessionen gehörten die neuen Untertanen an. So mussten zunächst einmal zwei Bischöfe gemacht werden, die nacheinander die Salbung des Herrscherpaares vornahmen. In der Kirche zu Königsberg rieben ihnen zwei Geistliche, ein Lutheraner und ein Kalvinist, Stirn und Handgelenke mit dem Öl der Salbung ein. Wir wissen nicht, woher es genommen wurde, das heilige Öl, ob es römisch-papistisch, lutherisch oder kalvinistisch war, allein es war zur Stelle, als es gebraucht wurde. Dass die Einsegnung in einer lutherischen Kirche vorgenommen wurde, sollte die Toleranz des Königs herausstellen. Damit endete das offizielle Krönungsprogramm des 18. Januar Anno Domini 1701, und wir alle sind ein erhebliches Stück weiter in der Weltgeschichte.
Später folgte der heitere Teil der Krönungsveranstaltung. Wie auch heute, bestand die Hauptlustbarkeit im Essen, im Genuss schwerer fetter Speisen und berauschender Getränke, Wein, Bier und Schnaps, seinerzeit im Festsaal des Schlosses. Aber auch im Schlosshof beging das Volk den neuen König auf hergebrachte Art und Weise. Ein ganzer Ochse wurde geröstet, dessen leere Bauchhöhle mit allerlei Kleingebratenem gefüllt worden war. Zwei Brunnenschnäbel, Adlerschnäbeln nachgebildet, lieferten Wein, an die 4 Tsd. Liter sollen geflossen sein. Der Tag konnte mit einem großen Feuerwerk beendet werden, es muss eine großmächtige Lustbarkeit ausgebrochen sein, die Feier eines glücklichen Volkes sozusagen, der unter dem Brandenburger Tor zu einer anderen Zeit nicht unähnlich und noch teurer als diese. Der Kronprinz vermerkte mit Empörung, dass es sich um einige Millionen Taler, 6 Millionen, das Jahreseinkommen des Staates, handelte, die durch eine nachträgliche Sondersteuer beigebracht wurden, was denn sonst?
Der Kronprinz führte nämlich über alles peinlich genau Buch. Es ist keine Literatenerfindung, sondern erstaunliche, wissenschaftlich belegbare Tatsache, dass sich der kleine Friedrich Wilhelm schon als Knabe über seine Ausgaben und Einnahmen, zur Bestürzung seiner Erzieher wie der Mama, Rechenschaft zu legen pflegte. Zur Belustigung der Großmutter übrigens, derselben, die dem Großen Kurfürsten und seiner Berliner Agrippina den Tod an den Hals gewünscht hatte. Der Knabe Friedrich Wilhelm verbrachte einige seiner Kinderjahre zum Empfang der höheren Weihen feiner Lebensart an ihrem Hof, was genügt haben mag, um den kleinen Geizhals für alles Höhere untauglich zu machen. Da wir es mit Bildern haben, soll hier ein weiteres erwähnt werden, das unserer Frage nach Kinder- und Jugendbildern endlich einmal entgegenkommt, leider nicht sehr befriedigend. Ein Maler mit Namen Friedrich Wilhelm Weidemann hat den Kron- und Kurprinzen im Harnisch gemalt, und zwar in einem Alter von vielleicht zehn bis vierzehn Jahren, einen hübschen, etwas weibisch aufgefassten Knaben, großäugig und mit schwellenden Lippen in einem spitzovalem Gesicht. In den Jahren zwischen 1689 und 1693 wurde das Bürschlein wie gesagt in Hannover betreut. Sein Vetter Georg, der spätere englische König Georg II., war sein Spielgefährte und Prügelknabe, denn das Prinzchen zeigte im zarten Alter bereits eine ausgeprägte, von einer äffisch liebenden Großmutter kaum behinderte Sucht, diejenigen, die sich nicht wehren konnten oder späterhin wehren durften, bis aufs Blut zu peinigen. Diese Prachtausgabe von Oma war blind oder stellte sich blind und versorgte die europäischen Höfe mit der Auskunft, dass Wilhelm schon wie ein Dreißigjähriger zu reden verstehe, und wer wollte schließlich einen vorlauten Prinzenbengel zurechtweisen? Später bekam das Herrchen einen Hofmeister, den Grafen Dohna, als Gouverneur, einen Generalleutnant, was nur folgerichtig, denn seit dem Jahre 1694, ein Jahr vor der Berufung Dohnas zum Prinzenerzieher, befehligte der Kronprinz immerhin schon ein Regiment Soldaten, gewiss, symbolisch, aber selbst als solches vollständig blödsinnig. Gelernt hat Friedrich Wilhelm weiter nichts, wie man seinem Schreibstil und den Mitteilungen seiner zahlreichen Episteln und Befehle entnehmen kann. Ein wenig Neigung und vielleicht auch Talent zeigte sich zur Malerei. Im Jahre 1697 wurde ein Lehrer namens Jean Philipp de Rebeur engagiert, nach dem deutschen Pädagogen, eines Favoriten Danckelmann, eines unglücklichen Herrn mit Namen Cramer, der nicht viel auszurichten vermocht hat. Inzwischen war Friedrich Wilhelm zu einem solchen Ausbund an origineller Persönlichkeit gediehen, dass er nicht nur jeder Unterrichtung energischen Widerstand entgegensetzte, sich auf dem Boden wälzte, Geräte, Tische und Bänke zerschlug, sondern auch Rebeur mit dem Knüppel dermaßen regalierte, dass dessen Gesicht und Körper manches Mal in allen Farben schillerte. Als Material für seine Stöcke bevorzugte der junge Sadist Bambus und Buche. Zweimal wöchentlich musste dieser Mensch, der einmal König werden sollte, bei seiner Mama in Lietzenburg, Charlottenburg, ganz früher Lutzenburg, woraus die spöttische Großmutter Lustenburg gemacht hatte, antanzen und aus dem Telemach vorlesen. Das Machwerk von einem Schriftsteller namens Fenelon war hoch gefeiert und interessiert heute nur noch den Romanisten. Neben seinem auffallenden Sadismus - und der Kolporteur solcher Heldentaten muss sich keinen Verrenkungen hingeben wie dieser und jener Spezialhistoriker und darf die Dinge beim Namen nennen, ohne eine Karriere zu gefährden - fiel an diesem Bürschlein noch ein unglaublicher Geiz auf. In späteren Jahren hat die teure Mama nichts unversucht gelassen, die Sitten des Sohnes wenigstens so weit zu verbessern, dass er Beziehungen zu einer gebildeten Frau aus ihrem Hofkreise aufnehmen konnte.
Allein, der Prinz lernte aus solchen Anstrengungen, dass alle Frauen Huren seien, so pflegte er sie jedenfalls als reifer Mann in der Regel öffentlich zu bezeichnen. Als König fuhr er eines Tages den Landrat Schomberg an, was er für eine Hure in seinem Wagen spazieren fahre. Es handelte sich um die hochgeborene Tochter des Obersten Derschau und Ehefrau Schombergs. Dieser Vorfall hat den Landesherren sicherlich hochbelustigt, weshalb man ja auch von einem königlichen Amüsement spricht. Um es vorwegzunehmen: in Kaiser Wilhelm II. hat dieser König einen ihn an Arroganz und Rüpelhaftigkeit noch übertreffenden Nachfahren gehabt.
Zurück zum Prinzen Friedrich Wilhelm, wie wir ihn verlassen haben, bei den Krönungsfeierlichkeiten in Königsberg. Nach dem Festakt ließ man sich Zeit. Erst am 8. März des Jahres 1701 reiste der Hof in Richtung Berlin ab, mit allem Pomp, heißt es. In Wirklichkeit kehrte das Paar jedoch in aller Stille zurück ins Königsberger Schloss und trat erst später die Heimreise an, mit großen Umwegen über diese und jene seiner Städte. Endlich, am 6. Mai, durfte die Hauptstadt Berlin dem neugebackenen König und der Königin huldigen, was nicht wenig Aufwand erforderte. Auf dem heutigen Alexanderplatz - denkt daran, wenn ihr mal her- kommt, aber ihr müsst bald kommen, ehe Geniearchitekten und ehrgeizige Lokalpolitiker den Alex in ein Klein-Manhattan umgewandelt haben - waren sechs Triumphbögen aufgebaut worden, es läuteten alle Kirchenglocken Berlins, und um den Lärm womöglich noch zu erhöhen, mussten von den Stadtmauern, von der Marienkirche - es gibt sie noch, wer sie sucht - zuzüglich 200 auf Spreekähnen montierten Kanonen, die unablässig feuerten, Böller abgeschossen werden. Gesalbt wurde nicht noch einmal, selbst Pfaffen predigen nicht zweimal, aber es gab ein schönes Feuerwerk, natürlich. Nur waren die Feuerwerke jener Tage einfallsreiche Blitz und Krachmontagen, es wurden ganze Szenen gebaut und synchron abgefackelt. In diesem Falle konnte der Kronprinz in sein Dukatenbuch schreiben: Ew. Majestät wurde als der heimkehrende Jason dargestellt, ma tres chere Maman hingegen nicht im Feuer materialisiert. Das wäre auch nicht gut gegangen, aus ihr eine Medea zu machen, aber Ew. Majestät erließen den Befehl, die hiesige Georgenstraße mit dem Ochsenmarkt dahinter in Königstraße und das dazugehörige Georgstor in Königstor umzubenennen. Hol der Teufel die verdammte Königsmacherei, sie hat, wir schreiben es nochmals hin und uns hinter die Ohren, an die 6 Millionen Taler gekostet. Wird wohl eine erhebliche Krönungssteuer erlassen werden müssen, um das Spektakel zu bezahlen. Die Krönungssteuer wurde gegen den Einspruch Dunkelmanns erhoben, aber auch sonst war anscheinend der Katzenjammer groß. Während der Zeremonien soll Sophie Charlotte nicht nur sehr gelangweilt ausgesehen haben, was keinen verwundern darf, sondern auch noch auffallend viel Tabak geschnupft haben, so dass es ihr der König als ungehörig untersagen musste. Der Enkel, Friedericus Rex, nannte den ganzen Aufwand magnificience asiatic, und der damals schon greise Prinz Eugen, unbesiegt in siebenundzwanzig Schlachten, bemerkte, solche Ratgeber gehörten aufgehängt, die dem Kaiser den Unsinn des neuen Königtums eingeredet hätten. Begeistert hingegen war August von Sachsen. Die polnischen Stände protestierten erwartungsgemäß mit Nachdruck gegen den Krönungsort, und der Heilige Vater verwies darauf, dass Preußen erst durch Achilles zum Herzogtum gemacht worden war, noch dazu ein polnisches Lehnsgebiet sei. So betrachtet, war diese Königsmacherei ein absurder Jux. Allein, gegen Tatsachen helfen wie immer keine Argumente.
Wollen sehen, hätte der Kronprinz in sein Dukatenbuch schreiben dürfen, wollen sehen, Herr Vater und Ew. Majestät, wir Ihr es schaffen werdet, Euch aus dem Krieg im Norden herauszuhalten, mit einer Handvoll schlecht oder gar nicht ausgebildeter Soldaten, und achttausend sollen ja überdies noch für den Kaiser aufgestellt und unterhalten werden und mit nichts als Schulden, Schulden ...