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ELISABETH HENRIETTE

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Warum, fragt der Beobachter, Sozial-, Kulturkritiker, warum, zum Teufel, gibt es massenweise Bilder ernster Damen und würdevoller Herren und kaum eine gute Darstellung jugendlicher Prinzen, oder nur ausnahmsweise und ins Zwergenhafte gewendete Erwachsene? Weil das Zeitalter nicht jugendfreundlich gewesen ist, lautet die Antwort, und weil man erst einmal etwas werden musste in dieser Welt des Scheins, der Trugbilder und der harten Wirklichkeiten. Vergessen darf auch nicht werden, dass diese Pinselei für die Fürstengalerien der Herrscherhäuser bestimmt war. Kunst, wird man dem Maler gesagt haben, wird von Ihnen nicht verlangt, Monsieur, wohl aber die Darstellung der Repräsentation, der tristen Vornehmheit und des bescheidenen Größenwahns. Richten Sie sich danach, Monsieur, wenn Sie wollen, dass man Sie auch bezahlt!

Ach, unsere Elisabeth Henriette wurde von einem Hermann Heinrich de Quitter gemalt. Sein Bild zeigt eine wahrscheinlich mittelgroße Dame im Samtkleid mit bis zur Büste freien Schultern, mit schönen, zierlich gespreizten Händen, die vermutlich Grübchen aufweisen, und ein rund- ovales Gesicht mit einem leichten, vertrauenerweckenden Lächeln. Perücke trägt Elisabeth nicht, das Haar ist schlicht aufgesteckt. Diese Dame wurde nur zweiundzwanzig Jahre alt; auf dem Gemälde des Heinrich Quitter sieht sie aus wie Mitte Dreißig. Das dürfte auch angestrebt worden sein. Vorbei die Zeit der Renaissancekunst mit den erschütternd menschlichen Bildern von büßenden - gleichwohl erotischen - Magdalenen, üppig bebrüstet, von Männern mit kraftgeschwellten Hälsen und Lenden, wo jedes Bild ein Schrei der Lust und der Befreiung gewesen ist. Die Maler hatten zu malen, die Mäzene zu sehen verlernt. Was, um alles in der Welt, brachten die Leute nur aus Italien mit, in welches sie massenhaft pilgerten, vorgeblich um etwas zu lernen und die Malerei Michelangelos zu studieren? Nichts brachten sie mit, ausgenommen billig Eingekauftes, genau wie heute.

Dieses wunderbare Mädchen Elisabeth von noch nicht einmal zwanzig Jahren wohnte in Kassel und war die Cousine Friedrichs. Hier ist einzuflechten, dass sich die Stiefmutter Dorothea schon an dem älteren Karl Emil heiratsstifterisch versuchte und ihm eine Niederländerin ins Bett legen wollte. Dieser junge Mann hatte es jedoch kategorisch abgelehnt, eine andere als ein gehorsames deutsches Mädchen zu ehelichen, und die oranische Prinzessin schnöde abgewiesen. Nun sollte es der Bruder des Verstorbenen sein. Zwar drohte die Berliner Agrippina dem anderen Sohn ihres Gemahls aus erster Ehe, er werde es zu bereuen haben, ihr in dieser Sache Paroli zu bieten, der Herr Stiefsohn aber blieb widerspenstig. Es kam zu heftigen Auftritten, und Friedrich hatte nun endlich Ursache, seiner Stiefmutter das Allerschlechteste zuzutrauen. Der Kurfürst hatte allerdings ebenfalls Pläne mit dem Thronerben, er wünschte sich die verwitwete Schwester des Kaisers Leopold zur Schwiegertochter. Diese Frau war einst die Gattin des Königs Michael von Polen gewesen und seit dem November 1673 in den Witwenstand zurückversetzt worden. Die Historiker erklären ziemlich einstimmig ihr Unverständnis darüber, dass der Kurfürst gegen eine Verbindung mit der Kasselerin Elisabeth war, der Herzensdame des Erbprinzen. Wir aber wissen, dass Friedrich Wilhelm sich schon früher gern mit einem richtigen Königshaus verbunden hätte. Damals war es die Königin Christine gewesen, heute die ältliche Witfrau. Fritz war zur Zeit all dieser Verwicklungen, die wir auf das Jahr 1679 datieren wollen, als dem Kulminationsjahr, man eben zweiundzwanzig Jahre alt; Elisabeth, 1661 geboren, also achtzehn. Überdies, neben der rührend gefahrvollen Jugendlichkeit des Paares, waren die Beziehungen des Thronfolgers zu Tante Hedwig Sophie und den Kasselern immer innig gewesen. Die beiden jungen Leute kannten sich seit den Kindertagen. Elisabeth war die zweite Tochter der Hedwig und des Landgrafen von Hessen-Kassel, Wilhelm IV. Aus dem Erbprinzen war inzwischen leider ein ausgemachter Geck geworden, der sich selbst für dieses Zeitalter herausfordernd kleidete, der ungeheure Perücken trug und sich mit allerlei Spielereien die Zeit vertrieb, wiewohl es ihm andererseits nicht an Energie fehlte, den täglichen Kleinkrieg mit der Stiefmutter Dorothea zu führen. Dieses Paar zumindest lebte sich erfrischend aus.

Was der Ratgeber Danckelmann tat, ist bald gesagt; vorläufig nichts. Ziehsohn und Ziehvater, als welcher sich Danckelmann mehr und mehr fühlte, verstanden sich in diesem Punkt der Heirat auf das vorzüglichste. Nach einigen heftigen Auseinandersetzungen mit der Stiefmutter packte Friedrich seine sieben Zwetschgen, den Erzieher und Freund sowie einen Kammerdiener und entfloh der Stadt Berlin in Richtung Kassel. Überlassen wir nun das Feld den jungen Liebenden; denn auch Elisabeth war für diesen aufgeputzten Affen aus Berlin entflammiert. Es bahnte sich möglicherweise etwas in diesem Zeitalter und in diesen Gesellschaftskreisen höchst Seltsames an: eine Liebesheirat aus kindischem Trotz? Der Prinz wollte seinen Kopf gegen die verhasste Stiefmutter durchsetzen, so scheint es zumindest.

Inzwischen hatte das Berliner Schloss in Gestalt des gebieterischen Vaters heftig reagiert und kategorisch die reuevolle Rückkehr des Abtrünnigen gefordert. Hatten schon bei Friedrich die Drohungen der Stiefmutter, überdies unkonkrete Drohungen, wenig gefruchtet, so hatte der Kurfürst in seiner Schwester eine ihm im Temperament ähnliche Dame und eine beachtliche Gegnerin in diesem Ehestreit gefunden. Aus welchen Gründen auch immer die Landgräfin sich den dynastischen Überlegungen in Richtung Oranien widersetzte und ihre eigene Tochter protegierte, sie brachte jedenfalls Himmel und Hölle in Bewegung, um diese Ehe zu stiften. Dabei wäre es doch ein ander Ding gewesen, sich mit dem Haus Oranien zu verschwägern. Die Niederlande waren Großmacht, militärisch und wirtschaftlich, sie beherrschten den Welthandel, sie hatten selbst den übermütigen und ichbesessenen Ludwig XIV gezwungen, seine Heere abzuziehen, indem sie ihre Deiche durchstachen. Wilhelm, ihr Regent, war klein, unansehnlich, asthmatisch und schwächlich, aber er verfügte über einen eisernen Willen, er besaß eine klare Vorstellung von seiner Rolle in dieser protestantisch-antikatholischen Welt, und er hatte einen für seine Gegner höchst unangenehmen Grundsatz, den, niemals aufzugeben. Ihm lagen keine Kompromisse. Das brachte ihn bis auf den englischen Thron. Jedenfalls versteifte sich die Landgräfin darauf, dass die beiden jungen Leute, Friedrich und Elisabeth, zueinander gehörten, und lehnte es rundweg ab, ihn nach Berlin zurückzusenden. Da sie mit den Gepflogenheiten des Berliner Hofes vertraut war, richtete sie eine Art Überwachungsdienst mit Hilfe ihres Sekretärs Lincker ein, der die Entwicklung in Berlin beobachtete oder beobachten ließ. Diese Art des Ausspähens war allgemein üblich und an den Höfen schon deshalb akzeptiert, weil man auf diese Weise am schnellsten erfuhr, was man voneinander zu halten oder was der andere vorhatte. Sohn und Enkel unseres Friedrichs, beide Könige in und von Preußen, stimmten denn auch darin überein, dass alle Botschafter bloß verkappte Agenten seien, womit sie es zweifellos trafen, wie wir heute wissen. Andererseits lässt sich eben niemand gern in die Karten gucken, schon gar nicht, wenn er ein regierendes Haupt ist.

Als erstes erreichte die Tante Landgräfin von ihrem Herrn Bruder die Erlaubnis, dass sich der Thronerbe unabhängig machen und einrichten durfte. Das war ein wichtiger Schritt in die Freiheit für Friedrich; ab 1677 gab es also so etwas wie einen kleinen Hof neben dem großen. Es scheint, als habe der Kurfürst auf die Länge der Auseinandersetzung mit seiner Schwester einfach die Lust verloren, einen nicht enden wollenden Streit zu führen, bei dem er letzten Endes nur einen mageren, zumindest aber zweifelhaften Sieg in die dynastischen Scheuern fahren würde. Es war kein seltener Fall in seinem Leben; lange und nervenfressende Auseinandersetzungen lagen dem Kurfürsten nicht. Zudem wechselten die Beziehungen zum Kaiser stark: Leopold wünschte sich keineswegs ein starkes Brandenburg-Preußen im Nordosten des Heiligen Reiches; das Wort Vandalengau - ein Begriff, der im Dritten Reich mit Bezug auf Westpreußen wieder auflebte - wurde erfunden, nach dem zunächst der Aufstieg dieses Mannes als Großer Kurfürst im Reich gefeiert worden war. Das Jahr 1679 war überdies durch heftige Erschütterungen ausgezeichnet. Im Winterquartier bei Straßburg nach dem missglückten elsässischen Feldzug und dem schmerzlichen Verlust Karl Emils 1674 hatte den Kurfürsten die Schreckensnachricht erreicht: Die Schweden sind in der Altmark! Dieses Lustgeschenk verdankte er seinem lieben Freund, dem französischen Ludwig XIV, der nach seinem militärischen Debakel Ausschau nach neuerlicher kriegerischer Betätigung hielt. Es gelang dem Kurfürsten, nach einem bravourösen Ritt vom Rhein bis an den Rhin die Schweden entscheidend zu schlagen, und zwar in der Schlacht bei Fehrbellin 1675, was lange im ehrenden Gedächtnis der Brandenburger hängenblieb, wie jeder Volkskrieg gegen Besatzer viele Freunde findet. Noch im Jahr 1677 eroberte Friedrich Wilhelm die Inseln Usedom und Wollin im Oderhaff, nahm Stettin und Rügen. So weit, so gut, aber die lieben Verwandten hatten noch manch andere Karte im Ärmel. Durch den alten Verbündeten Frankreich ermutigt, fielen die Schweden in Livland ein und zwangen den Kurfürsten zu einem Winterfeldzug. Ein von Gicht und Asthma geplagter dicker Mann, von seiner Dorothea begleitet, die ihm hin und wieder Erleichterung verschafft haben mag, führte er sein Heer über das zugefrorene Kurische Haff, überschritt am 20. Januar 1679 die Weichsel und vertrieb den schwedischen General Horn aus Riga. Damit hatte der Kurfürst militärisch gesiegt, aber im Reich bereitete sich ein Stimmungsumschwung vor. Aus dem Großen Kurfürsten sollte ein zahmer Löwe werden. Im Frieden von St. Germain am 29. Juli 1679 verlor er alles, was er mühevoll mit dem Schwert errungen hatte, ein glückloser Sieger.

Vor diesem Hintergrund mögen die Überlegungen Friedrich Wilhelms eine andere, den Wünschen seines Sohnes entgegenkommende Richtung genommen haben, da mit diesem Sprössling doch nicht viel anzufangen war. Und man bedenke: Während dieser Kriegsjahre, beschwerlicher Feldzüge für einen nicht mehr jungen und ziemlich kranken Mann, dem Taumeln an einem Abgrund, schmerzlichen menschlichen Verlusten, stand immerhin diese schreckliche Dorothea, Berliner Agrippina, an seiner Seite, gebar ein Kind nach dem anderen, sieben im Ganzen, und dieser kindische Sohn und Thronerbe beschäftigte sich mit albernen Unternehmungen. So wollte er in Paris ausspähen lassen, welche Beschaffenheit und Größe die Riesenperücke seines Taufpaten Ludwig XIV hatte. War es Überdruss, war es die Erkenntnis, dass er den Dingen keinen anderen Lauf mehr geben konnte, was den Kurfürsten zum Nachgeben brachte? Er machte sich mit dem Gedanken vertraut, diese Ehe könnte möglich sein. Die ältere Schwester Elisabeths war eine dänische Königin geworden, und übrigens mag auch gar keine günstige Partie mehr zu finden gewesen sein, nicht vorderhand jedenfalls, und da sich beide Söhne gegen die Heirat einer Ausländerin sperrten oder gesperrt hatten, hätte sich der Große Kurfürst in Deutschland umsehen müssen. Die Oranier sprachen ausschließlich Französisch, anders als an den nordischen Höfen, wo zu dieser Zeit noch die Hofsprache Deutsch gewesen ist - dieses mit Fremd- und Lehnworten und in einer fürchterlichen Orthographie geschriebene Deutsch, das man sich besser vorliest, wenn man ungefähr begreifen will, was jeweils gemeint ist. Auch in Hannover grassierte diese anhimmelnde Französelei. Gleichviel, am 23. August 1679 - der Krieg war im Vormonat im Vertrag von Nymwegen zu Ende gegangen - gaben sich die jungen Leute in einem Zimmer des Schlosses zu Potsdam das Eheversprechen. Dass die Hochzeit ohne Pomp gefeiert wurde, entsprach eigentlich nicht den Gepflogenheiten des Bräutigamvaters; aber erstens waren die ungeheuren Kosten des Krieges noch unbezahlt, und eine kleine Rache für den Ungehorsam des Sohnes wollte der Kurfürst sicherlich auch nehmen.

Elisabeth, so schreiben Leute, die dabei gewesen sind, anders als wir, soll eine schlanke, zarte Erscheinung mit schönem schwarzen Haar und einem freundlichen, lebendigen Gesicht gewesen sein. Schön im herkömmlichen Sinne war sie wohl nicht. Jedenfalls fühlte sich die Verwandtschaft zu einigen höhnischen Bemerkungen veranlasst.

Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms

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