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EBERHARD VON DANCKELMANN

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Unversehens war die Frage an das Elternpaar herangetreten, wie sollen die beiden Knaben erzogen, wie und von wem unterrichtet werden? An sich ist es schon auffallend, dass es der Kurfürst überhaupt für notwendig hielt, seinen Sprösslingen so etwas wie eine wissenschaftliche Ausbildung angedeihen zu lassen. Kurfürst wäre der eine oder der andere ja ohnehin geworden. Militärisches hätte sie das kriegerische Dasein der Fürsten seiner Zeit mehr oder minder ohnehin gelehrt; denn der Krieg war die Regel, Frieden die Ausnahme, wenn auch nicht alle Tage Schlachten geschlagen wurden. Die Verwaltung lag in Händen spezieller Berater, aber die Zeiten hatten sich geändert, alles schien komplizierter geworden, und ein Fürst musste offenbar in Zukunft mehr können, als seinen Namen unter ein Schriftstück setzen, das ihm seine Räte vorlegten. Kurzum, dem Kurfürsten war klar, dass es mit einer waldursprünglichen Erziehung nicht mehr lange gut ginge. Das Elternpaar hielt Rat. Als Hofmeister, also Erzieher, bot sich Otto von Schwerin an, ein bewährter altgedienter Mann. Falls der Kurfürst einen anderen im Sinne gehabt haben sollte, so setzte sich seine Gemahlin gegen ihn durch, obschon auch der Kurfürst Schwerin gut genug kannte. Der damals zweiundvierzigjährige Otto diente ihm als Minister und Präsident des sogenannten Geheimen Rates. Diesem Mann war Karl Emil seit seinem sechsten Lebensjahr anvertraut worden. Otto war eigentlich Lutheraner. Als Konvertit und nunmehriger Kalvinist genoss er das Vertrauen Luises vollständig, weil sein Glaubenseifer sie absolut überzeugte, wie alle Seitenwechsler den Brustton der Überzeugung haben, der einen hohlen Klang macht, wie Schnitzler seinen Minister in Professor Bernardi sagen lässt. Indessen machte Otto keineswegs nur einen hohlen Klang. Er übernahm mit wahrer Hingabe das Amt, sowohl den Karl Emil, als auch den Friedrich zu wahren Christen, das heißt zu Kalvinisten, zu vorbildlichen Kurfürsten und Menschen zu bilden. Nicht nur, dass er den Unterricht der Kinder leitete und beaufsichtigte, er pflegte auch die Mahlzeiten mit ihnen einzunehmen und die Schlafkammer zu teilen. War Otto ein kluger und gutmütiger und rechtschaffen ambitionsloser Trottel, so lässt sich von seinem Gehilfen Eberhard von Danckelmann einiges mehr mitteilen. Neben seiner Intelligenz besaß dieser Danckelmann, bei dem wir uns etwas länger aufhalten werden, weil er einen bedeutenden Einfluss auf Friedrich ausgeübt hat, leider etliche dunklere Charakterseiten. Der Vater Eberhards hatte an den Friedensverhandlungen in Westfalen teilgenommen, und zwar als Jurist, also als Staats- oder Völkerrechtler. Eberhard war das vierte von dreizehn Kindern dieses trefflichen Menschen und eines der so häufigen Wunderkinder. Er geigte zwar nicht mit vier Jahren, er spielte auch nicht mit sechs Klavier oder dirigierte mit acht die 9. Symphonie Beethovens, die noch gar nicht geschrieben war, nein, das alles tat er nicht, aber er legte doch immerhin mit zwölf Jahren ein juristisches Examen ab. Besorgte Eltern tun manchmal alles, um ihren Kindern das Beste an Erziehung angedeihen zu lassen, wessen sie habhaft werden können. Der Kolporteur dieses Buches über alle Friedriche und Wilhelme der Welt, soweit sie preußisch waren, bekennt freimütig, er hätte es sich wohl überlegt, seinem Sohn diesen vorzüglichen Eberhard aufzuhalsen, was nicht mehr ist als ein Vorurteil. Denn: Eberhard war nämlich schon weit gereist, er kannte die Niederlande, die fetten, wohlhabenden, die reichen flämischen Provinzen, er kannte das vornehme Frankreich der enormen Perücken, der seidenen, brokatenen, samtenen und goldbestickten Schlaf- und Staatsröcke wie die unbeschwerte gallische Lebensweise. Er hatte sich in dem nüchternen, trockenen England aufgehalten und auch in Italien. Das hob ihn heraus, denn Reisen bildet. Dieser Danckelmann ist im Übrigen eine wirklich interessante Figur, eine der interessantesten am Berliner Hof, wenn auch eine finstere, und es spricht für die Geschicklichkeit wie die Selbstsicherheit dieses Erziehers, sich augenblicklich die Zuneigung des kleinen Fritz gesichert zu haben, wo selbst Mutter und Großmutter alsbald in der Beurteilung seines Charakters erheblich zurückhaltender wurden. Ehe wir diese Jahre Friedrichs näher betrachten, werfen wir noch einen Blick auf die unglaubliche Karriere dieses Danckelmann.

Durch die Staats- oder Verwaltungsreform von 1651 war dieser Mann in seine alles beherrschende Stellung gelangt. Der Geheime Rat, ein Regierungsinstrument des Kurfürsten, wurde in seinen Händen zum Kontrollinstrument der Länder des Kurfürstentums. Alle Direktoren der Verwaltungsdepartements Brandenburgs und Preußens sowie der kleineren Gebiete gehörten dem Geheimen Rat automatisch an. Erst das Generaldirektorium, unter dem Enkel des Großen Kurfürsten, Wilhelm I., 1723 gebildet, löste diese geheime Kammer ab. Danckelmann sammelte alle exekutive Macht unter das Dach dieses zentralen Rates. Die Departements wurden zahlreicher und ihre Interna unübersichtlicher. Die Departements, die Regierungsbezirke, gediehen unter der Hand beinahe von allein und durch den Rat. Streng genommen war er überflüssig geworden, zumal die raschen Entscheidungen längst im Kabinett getroffen wurden. Hier zeichnete sich schon der Übergang zum Kabinettsregime ab. Man darf bei dieser kurzweiligen Betrachtung nicht vergessen, dass der Kurfürst Friedrich Wilhelm eine moderne Verwaltung zusammen mit seinem Staat erst schaffen musste. Wir sind jetzt ein wenig vorausgeeilt. Aber zurück zu Danckelmann als Prinzenerzieher.

Was die Erziehung seiner Söhne anbelangt, so hatte der Kurfürst immerhin klare Vorstellungen; er entwarf selbst die Studienprogramme und kontrollierte die Fortschritte seiner Kinder. Die Sprache ihrer Mutter Luise, das Französisch, stand natürlich obenan auf dem Programm, aber auch Latein, Holländisch und, was in Erstaunen versetzt, Polnisch hielt der Kurfürst für wichtig genug, es zu erlernen. Man wird bei diesem Pensum Algebra, Physik und dergleichen vermissen. Es mag im Ermessen des Lehrers gelegen haben, solche Kenntnisse, falls er sie besessen hat, gelegentlich an seine Schüler weiterzureichen. Aber hier zeigt sich der Beginn eines Rückstandes in Deutschland und namentlich in Brandenburg und Preußen zum übrigen Europa, vielleicht nicht nur infolge des langen, alle zivilen Entwicklungen lähmenden Krieges. Frankreich, die Niederlande, Italien und selbst das benachbarte Sachsen waren auf allen Gebieten erheblich weiter. Der wissenschaftliche Gerätebau gilt als Gradmesser der Entwicklung; darin waren die genannten Länder weit, weit vorn. Newton hatte die Physik, die Mathematik erneuert, optische Instrumente, Land- und Seekarten, Globen und dergleichen mussten in das östliche Europa eingeführt werden. Peter I. brachte von seiner ausgedehnten Reise durch die westeuropäischen Staaten, zu der er einige Lernunwillige zwangsweise verdonnert hatte, der sogenannten Großen Gesandtschaft, (angetreten am 20. März 1697 in Moskau) logischerweise massenhaft Geräte mit nach Hause, Uhren und Sextanten, Fernrohre, Brillen, einfache Maschinen und was er sonst noch ergattern konnte. Auf seinem Schreib- und Arbeitstisch standen immer optische Geräte, und er unternahm den hoffnungslosen Versuch, Russland zu einem Sprung aus dem Urzustand in das Feudalzeitalter zu veranlassen. Ab 1750 datieren die heutigen Wirtschaftshistoriker bereits den Beginn des neuen technisch-wissenschaftlichen Zeitalters, des Kapitalismus.

Danckelmann sorgte jedenfalls auch für geographische Karten und Globen, deren Bedeutung der Kurfürst sicherlich in seinen niederländischen Lehrjahren kennengelernt hatte. Was wurde noch in die Prinzenköpfe getrichtert? Geschichte hielt der Vater für wichtig und natürlich haufenweise Religion, nicht nur als Lehrstoff, sondern vor allem als inneres Erlebnis. Psalmen wurden täglich mehrmals in der Familie gesungen, aus der Bibel fortwährend gelesen. Der Kurfürst und Vater war überdies ein großer Freund wirkungsvoller Rhetorik; also lernten die Prinzen allerlei auswendig, Gedichte und Texte, die sie vortragen mussten, Karl Emil mit Verdruss, sein Bruder vielleicht mit eitlem Vergnügen, sich die wunderbare Gelegenheit zu würdevoller Gespreiztheit nicht entgehen lassend. Außerdem wurde gezeichnet, getanzt, musiziert, sich also ein wenig vergnügt. Dieses anheimelnde Bild trügt; in Wirklichkeit herrschten am Berliner Hof die Intrige, die Verleumdung und die Missgunst. Selbst der Lehrer des Erbprinzen, unseres Friedrichs, übte seine Lehraufgabe mit dem aus, was er als notwendige Strenge bezeichnete, der Bestrafung. Die Mutter, auch die Großmutter führten heftige Klage wegen dieser ihnen als unmäßig erscheinenden Härte. Aber Danckelmann hatte in Otto von Schwerin einen bedeutenden Verbündeten, einen Mann, der ihm die Stange hielt. War das Fritzchen abgestraft worden, so flüchtete es zur Mutter, dass sie ihn tröste und aufrichte. Trotzdem hat der Knabe seinen Erzieher zunächst nicht gehasst, sondern, im Gegenteil, ihn verehrt und sogar geliebt, zumindest aber hat er ihn gefürchtet und sich am Ende unter der biedermännischen Maske seines Rechts bitter für die ihm angetane Gewalt gerächt. Die Bindung an Danckelmann verstärkte sich sogar noch, als Luise starb, seine vielgeliebte Mama, der er viele Tränen nachschickte. Friedrich war zehn Jahre alt, als er die Mutter verlor und zur Halbwaise wurde. Nun übernahm der Lehrer neben der Vater- auch noch die Mutterstelle bei dem Prinzen, er pflegte ihn eigenhändig, wenn der Knabe krank wurde, was ziemlich häufig geschah. All diese Wohltat dankte der Schüler dem Lehrer, als er ihn am 20. Mai 1688 zum Staatsrat und Kriegsrat und Premierminister ernannte. In Wirklichkeit kühlten sich die Beziehungen rasch ab. Irgendwie hat aber der Chronist sich einer dauernden Präsenz dieses Dunkelmanns gewiss zu sein, bis zu dessen Sturz. Das hat noch Weile. Friedrich zählt zehn Jahre, er hat die hochgeliebte Mutter verloren, er trauert tief und mit wie viel Recht, das sollte sich bald erweisen.

Es ergänzt das Bild der Mutter auf eine besondere Weise, wenn man das Testament Luise Henriettes liest. Sie ordnete nämlich an, dass im Falle ihres plötzlichen Todes die Kinder auf dem Gut Schwerins in Alt-Landsberg bei Warta erzogen werden sollten. Sollte sich der Kurfürst alsbald wieder verheiraten, wie sie richtig voraussah, so hatte Anhalt, ein Verwandter, die Sorge für ihre Kinder zu übernehmen. Luise kannte ihren Herrn Gemahl viel zu gut, kannte seine unkontrollierbaren Wutausbrüche, seine Unberechenbarkeit wie seine Verletzlichkeit, um zu wünschen, dass die Knaben in seiner Nähe blieben, ohne ihren mildernden Einfluß auf den Vater. Schwerin war im Übrigen der richtige Mann; er besaß eine umfassende Bildung; in Alt-Landsberg lebte er inmitten seiner Sammlungen, seiner großen, sorgfältig ausgewählten Bibliothek, er war tolerant bis phlegmatisch, ihm fehlte es an Ehrgeiz, seine Stellung zur Intrige zu nutzen, er war der echte und rechte Fürstendiener. Diese weltkluge Holländerin wusste offenbar mit Menschen Bescheid, und sie sah vieles voraus, aber nicht alles. Es kam ganz anders.

Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms

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