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Doktor Allison, Chirurg am Feldlazarett
ОглавлениеSie sind noch jung, doch fehlen schon die Füße, die Arme oder Beine. Was wollen sie greifen, wenn ihnen die Hände abgeschlagen sind? Es offenbaren sich die Erscheinungen und Bilder des größten Jammers, denn auf das Schmerzhafteste sind die Körper geschändet und verstümmelt. Da kommt die Mutter mit dem Kind, das weder laufen noch gerade stehen kann, es tat den verhängnisvollen Tritt, der ihm fast das ganze Leben nahm.
Wenn es nur der Finger wär, ich könnt es leichter ertragen, aber es sind Arme und Beine weit oben abzutrennen, wo die großen Gefäße abzuklemmen und zu unterbinden sind, um die Blutung zum Stehen zu bringen und den Blutverlust zu begrenzen. Mit den Verletzungen an den Gliedmaßen gehen die Verletzungen an inneren Organen einher, dass Körperhöhlen zu öffnen und blutende Organe zu versorgen sind, was die Eingriffe am lebenden Körper komplizierter macht.
Die Operationen erfolgen täglich in großer Zahl unter größtem Einsatz und den erschwerenden Bedingungen des Mangels, wenn das chirurgische Gerät veraltet und der Narkoseapparat nicht einsatzfähig ist, weil es keine Atemmasken und intakte Schläuche gibt, die Sauerstoffflaschen und das Lachgas, was gar nicht zum Lachen ist, ausgegangen und der Ersatz trotz überlanger Wartezeit nicht eingetroffen sind, wenn keiner sagen kann, wann der Ersatz eintreffen wird und zum dringend notwendigen Einsatz kommen kann.
Zu den technischen Mängeln kommen die personellen mit den fehlenden Expertisen hinzu, dass im Schnellkurs die Fertigkeiten vermittelt und erlernt werden, die zur Lebensrettung erforderlich sind. Es ist keine Frage, dass das unter Aufwendung der letzten Kräfte erfolgt, denn der Prozess der Lebensrettung hat keine Alternative, noch kennt er den Schongang, der zum Halten des Kräftereservoirs eingeschaltet wird. Der volle Einsatz ist die Grundvoraussetzung zur Lebensrettung.
Rettungsmaßnahmen am Menschen finden auch statt, wenn die Granaten in unmittelbarer Nähe einschlagen und Detonationen die Instrumente auf den Tischen zum Klimpern und Klappern, im Auf- und Abspringen bringen und aus den konzentriert arbeitenden Händen des erschrockenen Operateurs fallen. Es ist die Arbeit auf Leben und Tod. Da nimmt der Operateur auf sich keine Rücksicht, und jede Rücksichtnahme auf die eigene Person ist untersagt.
Die Arbeit am Menschen gleicht der Kommunikation auf dem weiten Felde von Schmerz und Elend, wenn es letztendlich darum geht, dem Trauerfall des unwiederbringlichen Verlustes zuvorzukommen. Gelingt es nicht, dann gibt es die drückende Schwere im Herzen mit den reflektorischen Krämpfen, die den Körper des durchschwitzten Chirurgen durchzucken und den Dauerkopfschmerz begründen. Es gibt keine Alternative, wenn das verletzte Leben vor den Toren des Todes angekommen ist. Es ist diese Tornähe, die den Arzt zum schnellen und selbstlosen Handeln spontan verpflichtet.