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Yasin und Tarek weiter im Gespräch
ОглавлениеYasin. Ich sagte es, wenn das Unwiederbringliche zerschlagen wird und verloren geht, dann sind wir am Ende. Keiner wird danach fragen, wie es gekommen ist, denn keiner wird uns finden, die wir dort gelebt und gearbeitet haben, und das über viele Generationen.
Tarek. Ich teile deine Meinung nicht und das nicht nur, weil die Jugend ein Recht darauf hat, die Geschichte des Auf- und Unterganges zu erfahren, sondern weil sie im besonderen Maße wissen will, was für sie geblieben ist, woran sie sich halten und orientieren kann.
Yasin. Ich gebe dir recht, die Jugend braucht die Führung. Aber wie können wir sie führen, wenn das, was unsere Väter und wir geschaffen haben, zur Unkenntlichkeit zertrümmert ist, wenn Menschen, die dort lebten, zu Krüppeln geschlagen und ermordet wurden? Selbst die Bruchstücke sind zur Unkenntlichkeit zerhämmert, dass wir mit der Kenntnis und Erfahrung der älteren Generation die Stücke weder zusammensetzen noch das Ganze wiederherstellen können. Und du weißt es so gut wie ich: Wenn die Kultur erst einmal zerschlagen ist, dann geht sie schließlich verloren mit der letzten Hoffnung einer Wiederherstellung.
Tarek. Ich stimme dir zu: Wir haben außer den Trümmern nichts vorzuweisen, was wir der Jugend geben können. Wir stehen mit leeren Händen da, in die wir schauen und fassungslos nach Worten der Erklärung suchen.
Yasin. Diese Hände halten wir uns gegenseitig vor und sind beschämt, weil wir nicht wissen, wie wir die Leere erklären sollen geschweige denn die Leere füllen können. Uns befällt neben der Sorge die Angst, dass wir das Vertrauen der Menschen verlieren und nicht mehr bekommen, wenn wir ihnen die Geschichte so erzählen, wie sie uns getroffen hat, wie wir sie erlebt haben, weil wir sie so erleben mussten bis hier zum Lagertor.
Tarek. Wir haben keine Wahl, als die Dinge so zu bringen, wie wir sie erlebt und unter Einsatz des Lebens erfahren haben.
Yasin. Und das schließt den langen und steinigen Weg bis zum Lager ein. Dabei denke ich an die, die es nicht schafften und am Wegrand liegenblieben. Es ist die Geschichte der Entsagung und des Leidens, dass mit einem guten Ende nicht zu rechnen ist. Darin liegt das Schicksal dieses Volkes.
Tarek. Es ist eine lange Geschichte, die über tausend Jahre zurückgeht.
Yasin. Es trifft ein Volk der großen Denker, die außergewöhnliche Entdeckungen in den Wissenschaften wie der Mathematik und Philosophie ans Tageslicht brachten, die die Grundlage für die modernen Naturwissenschaften bis in die Zukunft hinein legten.
Tarek. Den großen Menschen gebührt der Dank für das, was sie den Völkern gaben, und wir sollten dafür Sorge tragen, dass ihre Namen nicht vergessen werden.
Yasin. Ich stimme dir aus ganzem Herzen zu und meine, dass die Aufzeichnungen und Bücher dieser Geistesgrößen vor der Vernichtung zu retten und in Sicherheit zu bringen sind.
Tarek. Du hast recht, denn diese Bücher haben einen unbezahlbaren Wert.
Yasin. Und dieser Wert, der ein universaler ist, gilt der ganzen Menschheit.