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Tüftelhaus

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Professor. Da sitz ich hier mit all dem Krempel und weiß nicht ein und weiß nicht aus. Es ist ein verstaubt verdammter Wissenstempel, ich nenne ihn mein Tüftelhaus mit dem Tisch und seinem ausgesessenen Stuhl. Mit den Stiften zieh ich Linien, lese, unterstreiche, greif heraus die und jene Schriften, auf dass ich das Ergebnis noch erreiche. Ich türme Blätter, Zettel, teils beschriftet immer höher, ziehe das und jenes Blatt heraus. Alles hängt wie angegiftet mir längst aus dem Hals heraus.

Der Appetit ist längst vergangen vom vielen Lesen und dem Schreiben. Es ergraut und trocknet das Verlangen bei der Frage, was wird da noch bleiben.

Es ist ein Wust von Zahlen, Zeilen, was da rumwirrt und mir den Fensterblick verwehrt. Wen kann ich fragen, länger zu verweilen in diesem Tempel, den ich einst hab so verehrt? Das Grau der Wände dunkelt grauer, der Stuck der Decke fällt mir auf den Kopf. Muff und Bücher stapeln sich zur Mauer mit dem kalten Kaffee im verbeulten Topf. Es ist Winter, im Ofen glüht die letzte Kohle nieder, zur neuen Kohle fehlt das Geld. So wiederholt’s sich jährlich wieder, als sei mit der Kälte das Trostlose herbestellt, die beide pünktlich auf der Stelle sind, sich einnisten und auf Dauer bleiben. Wie soll ich lehren dem gehorsamen Kind, Zahlen und Zeilen ordentlich zu schreiben?

In die höhere Mathematik will ich nicht gehn, dafür pfeift der Wind zu laut durch Tür- und Fensterritzen,

dass sich Staub und Blätter auf dem Tisch verwehn, während draußen dunkle Wetter blitzen, die der Gemütlichkeit nicht dienen, die zum differentialen Denken da sein soll. Da hilft auch nicht der Fleiß der Bienen, wenn es bricht und donnert, und der Tisch ist voll. Was tun? Die große ungeheuerliche Frage,

sie stellt sich lange mir an jedem Tag.

Die Antwort, die ich in und mit mir trage, die sich in mir bäumt und krümmt, o Klage, die mir eine fremde, feste Stimme gab, sie sagt: Forsche, lehre oder schaufle dir das Grab, wozu sonst hast du gedacht, gelesen und gelernt, das Ziel, das große, ist nicht weit entfernt. So frag ich euch, ihr lieben Leute, ihr seid und lebt im selben Tag von heute, was ist mit dem Plunder solch ein Forscherleben im Dämmerschein die Jahre durch zu streben, dem einen und andern ein Stück Wissen zu geben, gegen dürftige Bezahlung sie in den Geist zu heben, von dem ich nicht mal weiß, ob er der rechte ist, ob nicht vor dem Denkziel die Säule doch in Stücke bricht.

Ich sage euch, Texte sind genug gelesen, täglich kommen neue noch hinzu. Da drängt es mich zum harten Besen, auszufegen bis zur letzten Klarheit und zur ersten Ruh, die nicht anders zu erreichen sind als durch die radikale Kur. Das Auge stelle sich beim Fegen nur nicht blind, es ist die Antwort auf die zu kurze Wissensschnur.

Die Stile und Denkleitern mögen variieren, die Frage nach dem Kern der Sache bleibt dieselbe, täglich mag man anders konstruieren. Dresden und Hamburg, durch sie fließt die Elbe, die Wahrheit, die wir greifen, bleibt bescheiden, vom Ganzen fassen wir nur einen Teil. Wir können es schwarzweiß oder farbig kleiden, in den Spalt stecken wir nur einen Keil, um das Deckgestein auseinander zu drücken.

Wegsprengen lässt es sich nicht, mit unserm Wissen müssen wir uns bücken vor der Wahrheit mit dem aufkommenden Licht, das sich in der Ganzheit vor unseren Augen verbirgt, ob es uns passt oder nicht.

Wir müssen uns mit den Brocken quälen, bis es würgt, wir klettern die Leitern, bis die erste Sprosse bricht.

Auch als Forscher kennen wir die Pflichten, den Dingen auf den Grund zu gehn, soweit es geht. Tiefer als tief geht’s nicht, wenn wir nicht vernichten, was über Generationen gebaut noch steht, das erhalten bleiben soll für Mensch und Nachwelt, die noch kommen, denn die Städte sind schon übervoll, da quillt und drückt es unbenommen, doch nicht mehr lang. Die Menschen atmen schon mit Sorgen, dass die Luft knapp wird schon am frühen Morgen, wenn im Wahnsinnsverkehr der ersten Stunden der ätzende Gestank steigt in weiten Runden von den Erdgeschossen hoch bis unters Dach. Dazu kommt der fürchterliche Krach, dass Tücher über Mund und Nasen hängen, die Ohren zugestopft sind bei all den Straßengängen.

Dem Alles setzen wir Kümmerliches entgegen, was oft nicht mehr ist als das blanke Tuch. Wir stehen mit unserm Einmaleins verlegen und wälzen ratlos Buch um Buch. Wir stehen mit gewichtiger Miene dennoch auf der falschen Schiene, wo der Zug der Erkenntnis gar nicht fährt und uns das nötige Wissen lehrt. So mancher lässt sich weiterhin verführen vom halben Wissen an alten Schnüren. Wundert’s da, dass sie in engen Gassen landen unterhalb der höheren Trassen neuer breiter asphaltierter Straßen und erschrocken stehen über alle Maßen, dass sie die Bruchlandung fertig brachten, worüber Besserwisser spöttisch lachten?

Gründe und Abgründe des Lebens

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