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Morgendämmerung

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Ein Mensch. Wenn im warmen Frühlingsregen sich die ersten Blütenzweige heben, dann gibt es Kreuz und Sterne zu den Wegen hin zu immer neuem jungen Leben. Felder werden sanft sich färben im Gold des frühen Morgenlichts. Darunter mögen manche sterben, andere blättern in den Büchern des Gedichts.

Gesichter schauen hoch aus jungen Augen der blanken Unschuld und Unwissenheit, weich formt sich aus der junge Morgen an zarter Haut und Rinde der Ergebenheit. Mit dem Wachsen kommt das Zeigen

im Verlangen nach größerer Höhe hin zum Berg. Es gibt den Blick zu hohen und zu höchsten Zweigen und da hindurch zum ersten großen Werk.

Doch bald drängt es zur erfrischenden Quelle mit dem palatalen Fremdgefühl der Trockenheit, das erhoffte Wunder zeigt sich auf der Stelle im kühlen Brunnenwasser der Erhabenheit. Da geht der Blick auf die nach vorn gebeugten Köpfe mit den Gesichtern hinab bis ans Wasser heran. Junge Hände und Hände mit Schwielen formen die Schöpfe, formen Händeschalen zu Trinkgefäßen vor dem Gewand.

Düfte steigen in den frühen Morgen, als gäb’ es täglich neues Leben zu besorgen. Süß und immer süßer wird’s im Munde des frischen Lebens und der Morgenkunde, dass die Herzen schneller schlagen mit den immer jungen Daseinsfragen. Natürlich kommen auf die ersten Plagen, noch sind sie leicht im frühen Tragen.

Gruppe junger Menschen [einzeln und zu vielen]. Seht die Augen der noch Müden, wie sie hinken, humpeln, andere schlürfen, als ob Fäuste aus der Ferne Speere würfen, drum achtet auf das Fehlen mit dem Frieden. Wenn Stürme sich in Städten türmen, dass es bricht und scherbt und zittert, Trümmerberge Platz und Straßen füllen, dann sind die Körper nah an nah und fest vergittert.

Wenn es so ist, dass Wände reißen, stürzen und es kein Halten auf dem Boden mehr gibt, dann sind’s die Längen, die sich hin zum Nichts verkürzen, dass sich Altes in noch Älteres schiebt. Seht, seht hoch in die dunklen Wolkenbänke und dann, wenn dichter Nebelschleier sich verzieht. Hört das dumpfe Schlagen ferner Donnerschränke, es ist dort, wo ein Volk vor dem anderen flieht.

Noch glüht der Hass an frisch gespitzten Pfeilen mit den an- und draufgesetzten Drohgebärden, sie schießen störrisch hoch in steilen Bögen, dass sich keiner mehr erwehren kann. Da verlöschen früh die ersten Strandungsstunden mit dem stillen Hoffen, Warten und Gedulden. Drum zählt die Tage mit den Ängsten und den Wunden mit den Rissen, Gräben und den tiefen Mulden!

Erastus [blickt aus dem Fenster]. Horcht auf ihr Leute, hört das Brüllen, das über hohe Bergesrücken zieht und ihre Hänge streift. Seht, die Risse weiten sich, aufreißen sich die Nebelhüllen, bald ist’s soweit, dass sich der Weltenblick befreit. Brocken werden aus der Felswand brechen, werden donnernd mit Getöse runterstürzen. Wilde Kräfte sind’s, sie werden uns das Böse rächen, dass wir in Angst verstummt den Alltag tragen.

Alte Stunden werden schnell verlöschen, noch schneller geht’s im Stundenflug, wenn mit neuem Leben altes endet, schon davonfährt mit dem letzten Zug. Gestern Ungehörtes heute wird’s gehört, denn in Stunden wird der neue Tag geboren, wenn dämmernd aus dem Spalt die Unschuld tritt mit neuen Köpfen, Händen und im jugendlichen Schritt.

Es kommt der Gang im Tagesblick, vom Hang herab fließt weich die stille Quelle. Bald beginnt das Klopfen Stück für Stück, rauscht und bricht und schlägt die Welle, dass Augen blinzeln, Waden zucken, Ohren staunen vor dem Toben und Brausen mit dem Schwirren im unhaltbaren Aufbruch der jüngsten Wetterlaunen, dass Türen schlagen und die Scheiben klirren.

Der Wald erwacht, und die Stimmen steigen zwitschernd, mal hier mal dort, mal nah mal fern. Rufe wollen vom Beginn der frühen Wunder zeugen, da steht oben noch der Morgenstern. Erschöpft sinken die Stunden des Schlafes nieder durch’s dichte Netz von Zweig und Ästen. Aufgemerkt, schon kommen die ersten Lieder im Erwachen und der Öffnung hin zum Besten.

Ehrfurcht gebieten die hohen Gipfelriesen, denn was sie gestern taten, das tun sie auch heut. Nass liegt der nächtliche Tau in den Morgenwiesen, dass sich manch ein junges Bein noch scheut. Es ist das frühe Licht, das zurückgekehrte, denn der Planetenlauf hat sich dem Tage zugedreht, dass im Flug der Träume, der nachtverwehte sich im frühen Durchqueren doch noch erhellt.

Messbar gewinnt der Glanz an Deutlichkeit, und das Gestern blasst in die Verkürzung zurück. Leute, hebt die Köpfe, schaut auf zur neuen Herrlichkeit, blickt in die hellen Farben, das ist schon das erste Glück. Mit dem Gestuften geht es weiter auf und ab, ihr ahnt das Wissen und haltet alt und jung auf Trab. So hat der neue Tag begonnen, doch nun gebt Acht, seht den Aufstieg zu den Höhen einer neuen Macht.

Bald steigt die Sonne über meinen Rücken, denn schon traben die ersten Hufe vorbei. Alt und jung, sie werden neu sich bücken hinunter bis zur Bodenkrume und noch tiefer hinein. Das Feuer, das das junge Leben prägt und weiterträgt, nun ist’s das Flammenmeer, das weltweit lodert. Ziellos wird durch Kontinente gerannt und gesägt, als ob das Erwachen es täglich neu erfordert.

Ein Freund. Es treibt mit Kraft das ewig junge Hoffen, dass der Lebenswunsch sich doch erfüllt. Gesichter altern, magern, sind betroffen, dass sich die Zwietracht gar nicht stillt. Völker leben entfremdet und fragend vor sich hin, da bleibt doch die Sonne weiter mir im Rücken, denn dazwischen gibt es keinen Gewinn mit all den Stürzen und den vielen Krücken.

Ein Mensch. Stilles Wasser glättet sanft das Felsgeriff gleitend und stürzend mit den Jahren. Im Wechsel und dem zupackenden Wechselgriff beginnt der Bodensatz endlich sich zu bewahren. Was Freude und Schmerz einander taten im Rauf und Runter und in Worten, schwer wird’s mit dem Für- und Gegenraten

sprachloser Münder vor den brennenden Orten.

Mensch und Freund. So betrachtet den Menschen erst in euch selbst mit seinen vielen unerfüllten Wünschen. Seht, wie er steht und doch nicht weiter weiß, dabei liegt das flache Eisen glühend heiß auf dem Walztisch, auf dem Tender, dass die Schwere biegt und krümmt den Ständer. Spät kommt dann die Frage auf zur letzten Stunde, ob es sie noch gibt, die nächste Tagesrunde.

Gründe und Abgründe des Lebens

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