Читать книгу Reisen - Helon Habila - Страница 17
9
ОглавлениеEine Woche nachdem ich Mark zur Bushaltestelle begleitet hatte, wurden meine Fragen beantwortet. Es war der Tag, an dem Ginas Vernissage in der Zimmer-Galerie stattfand, die irgendwo in der Karl-Marx-Straße lag. Gina hatte sich damals jeglichen Kommentar verkniffen, als sie zurückkam und Mark nicht mehr da war. Unser Leben nahm seinen normalen Rhythmus auf. Wir gingen Abendessen, besuchten Ausstellungseröffnungen, Lesungen und Darbietungen von Ginas Künstlerkollegen. Sie sah glücklich aus, als sie die Besucher von Gemälde zu Gemälde führte, Fragen zu Farbe, Technik und Konzept beantwortete. Im Hintergrund lief getragene Instrumentalmusik, sämtliche Zimmer-Künstlerkollegen waren gekommen. Die Vernissage würde sich über den ganzen Tag erstrecken. Ich stand in einer Ecke, versuchte, mich nützlich zu machen, plauderte mit Julia, der Zimmer-Direktorin, einer großen, schlanken, bescheidenen Frau, mit ihrem Lebensgefährten Klaus, einem Brocken von Mann, der den Riesling hinunterkippte wie Wasser. Ich war seit drei Stunden da, ich war müde und hungrig und überlegte, ob ich irgendwo essen gehen sollte. Ich brauchte etwas Handfesteres als das angebotene Fingerfood und wollte Gina fragen, ob sie mich begleiten würde. Da kam in Begleitung dreier Personen ein Mann herein, der mir bekannt vorkam. Er erkannte mich gleichzeitig, löste sich aus seiner Gruppe und kam herüber. Es dauerte kurz, bis ich ihn einordnen konnte. Es war Julius, der Anwalt. In Jeans und T-Shirt sah er anders aus. Das hier sei die Vernissage meiner Frau, erklärte ich ihm.
Er sah beeindruckt aus. „Meine Lebensgefährtin hat mir von der Ausstellung erzählt.“ Er deutete auf eine der jungen Frauen, die Jeans und Bomberjacke trug. „Übrigens hätte ich Sie morgen angerufen. Ich muss mit Mark reden. Wohnt er noch bei Ihnen?“
„Nein. Alles in Ordnung?“
„Ich muss mit ihm reden. Es geht um seine Visumsverlängerung.“
„Er wohnt schon seit längerem nicht mehr bei uns, aber ich kann es ihm ausrichten. Ich kann ihn finden, wenn es nötig ist.“
Der Anwalt zögerte. „Es ist tatsächlich dringend … ich habe erst heute erfahren, dass sein Visum leider nicht verlängert wurde.“
„Oh, das tut mir leid.“
„Können Sie ihm das bitte ausrichten?“
„Klar.“
Schon im Gehen sagte er: „Eigentlich geht es mich nichts an, aber … Sie wissen, dass sein richtiger Name Mary ist? Das wussten Sie bestimmt schon, Sie sind ja gut befreundet.“
Verdattert starrte ich ihn an. Mary?
„Er ist eine Frau, vielmehr sie ist eine Frau. Mary Chinomba.“
Mark war eine Frau? „Sind Sie sicher?“ Mehr brachte ich nicht heraus.
„Selbstverständlich, schließlich habe ich ihre Papiere gesehen. Sie sehen so erstaunt aus – Sie wussten es also nicht.“