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Quellen und Senken des Güterverkehrs

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In diesem Zusammenhang beschäftigen wir uns vor allem mit der Menge der Unternehmen der Industrie, des Gewerbes und des Handels. Es sollte inzwischen deutlich geworden sein, dass die allergrößte Bedeutung des Gütertransports im neudeutsch ausgedrückten „Business-to-Business-Sektor“ liegt.

Widmen wir uns zunächst dem Standortproblem. Je besser ein Gut zu transportieren ist, je größer seine Reichweite und je geringer seine Ansprüche an die Transportabwicklung, desto flexibler können Produktionsstrukturen gestaltet werden. Jahrhundertelang wäre der Zusammenhang genau anders herum formuliert worden: Die Festlegung auf bestimmte Produktionsstandorte ist diktiert worden durch die Unfähigkeit, die benötigten Stoffe und Güter zu transportieren. Sägewerke, Hütten, Salinen oder Mühlen mussten unmittelbar dort angelegt werden, wo die Ausgangsstoffe natürlich vorkamen und so weit wie möglich veredelt werden konnten. Idealerweise wuchs die Wertdichte nicht nur durch die Bearbeitung, sondern wertlose Stoffbestandteile wie Mantelgestein oder Umhüllungen konnten ebenfalls beseitigt werden, um die Gütermenge auf das Nötigste zu beschränken. Demzufolge war das Land übersät mit einem System aus kleinen und mittleren Produktionsbetrieben entsprechend dem natürlichen Vorkommen von Holz, Gestein, Erz, Salz, Wolle, Getreide oder anderen natürlichen Ressourcen. Dabei ist es aus Sicht des Verkehrswesens nicht überraschend, dass die ersten Produktionsfortschritte in England mit Wolle und Textilien gemacht wurden – Transportgüter, die von Natur aus eine relativ hohe Transportaffinität besitzen.

Die Bündelung der Produktion in größeren Produktionsbetrieben kam der Fortentwicklung des Verkehrssystems auch hinsichtlich der Größenentwicklung und Verstetigung entgegen: Ein wichtiges Instrument zur Effizienzsteigerung des Verkehrssystems ist seine Bündelungsfähigkeit. Wenn eine Transporteinheit auf die Reise geschickt wird, sollte sie auch genügend ausgelastet sein. Als Katalysator kann in diesem Zusammenhang die Seeschifffahrt zum Warentransport mit den Kolonien betrachtet werden sowie der daraus resultierende Hafenhinterlandverkehr.

Prinzipiell ist es bis heute so, dass die Dichte und Anzahl von Produktionsstätten in den Sektoren groß ist, die mit wenig transportaffinen Gütern umgehen. Allerdings ist dieser Effekt in der Gegenwart stark verzerrt, weil die extrem hohe Produktivität und Effizienz des Gütertransportsystems vermutlich alle Warengruppen erfasst. Tendenziell ist jedoch davon auszugehen, dass auch heute die Produktionsstätten für die Erstveredelung von Rohholz, landwirtschaftlichen Gütern wie Schlachtvieh und Feldfrüchte oder für Steine und Erden verhältnismäßig gleichmäßig in der Fläche verteilt sein sollten. Am Beispiel der Zentralisierung der Schlachthöfe und der einhergehenden Zunahme der Transportweiten für Schlachtvieh sei gezeigt, dass diese Entwicklung in permanenter Veränderung ist.

Wir können also feststellen, dass das Verkehrssystem nicht nur für den eigentlichen Transport von Gütern nützlich ist. Es ist darüber hinaus eine wichtige strukturgebende Determinante der Wirtschafts- und Sozialordnung eines Landes. Auch für jedes Einzelunternehmen ist das Verkehrswesen nicht mehr als nur für die Sicherstellung der unmittelbaren Ver- und Entsorgung mit Ausgangsstoffen, Fertigprodukten und Abfällen notwendig. Auch auf betriebswirtschaftlicher Ebene dient das Verkehrssystem mit seinen zahlreichen Prozessen der Realisierung vieler weiterer Optimierungsansätze. Eine wichtige Erweiterung der Betrachtung im Vergleich zur volkswirtschaftlichen Analyse besteht beim Einzelunternehmen in einer Art „Betriebsmobilität“. Die Beweglichkeit von Arbeitskräften, Energie, Wissen und produktionsnotwendigen Stoffen erweitert die Möglichkeiten der Standortwahl und Produktionsweisen. Im weiteren Sinne können die unternehmenseigenen Funktionalitäten optimal im Raum verteilt werden. Personalintensive Funktionen können dort angesiedelt werden, wo ausreichend Personal in Anzahl und Qualifikation ansässig ist. Außerdem können wissensintensive Funktionen an Standorten realisiert werden, an denen ein hohes Forschungs- und Innovationspotential vorhanden ist. Stoffbezogene Funktionen können dort angesiedelt werden, wo die Stoffe günstig verfügbar sind und von wo aus Zwischen- oder Fertigprodukte günstig weitertransportiert werden können. Die juristische Person „Unternehmen“ entwickelt auf diese Weise eine charakteristische und individuelle Mobilität, die sich deutlich von der Mobilität natürlicher Personen unterscheidet. Während ein Mensch üblicherweise immer nur am aktuellen Aufenthaltsort physisch präsent sein kann und auch nur in einem Stück auf die Reise geht, kann der Organismus eines Unternehmens gleichzeitig an mehreren Standorten präsent und „partiell mobil“ sein. Wenngleich diese Mobilität ihre Grenzen hat und Standortentscheidungen gegenwärtig eine gewisse zeitliche Festlegung des Unternehmens auf eine Niederlassung darstellen, so kann man dennoch die Tendenz erkennen, dass diese räumliche und zeitliche Bindung eines Unternehmens an einen oder mehrere Standorte zunehmend lockerer wird. Während man in der Vergangenheit das Wohl und Geschick eines Unternehmens mit einer Standortentscheidung wesentlich determiniert hat, ist es gegenwärtig wahrscheinlich eher die optimale Mobilität, das richtige Timing für die maximale Ausnutzung der aktuell besten Konstellation von räumlich verteilten Produktionsfaktoren.

Die Organisation innerbetrieblicher Transporte innerhalb einer Produktionshalle oder auf einem Betriebsgelände ist die traditionelle Aufgabenstellung der innerbetrieblichen Logistik. Mit der oben beschriebenen Möglichkeit räumlicher Präsenz eines Unternehmens können Fertigungsstätten auf den ganzen Globus verteilt sein. Die ganze Welt wird so zum Betriebsgelände. Aber der Transport an sich ist inzwischen bei weitem nicht mehr die einzige oder wichtigste Aufgabe der Unternehmenslogistik: Weil die Konstruktion und Taktung von Produktionsanlagen und Maschinen in hoch optimierten und oftmals automatisierten Produktionsprozessen eine immer größere Bedeutung für die Gestaltung und Funktionsweise des Gütertransportsystems hat, verschmelzen Transport und Produktion zunehmend miteinander.


1.1.4 Lagerarbeiten.

Die moderne Produktionsorganisation ermöglicht die Gliederung von Fertigungsprozessen in mehrere eigenständige Teilprozesse, die jeweils von spezialisierten Produzenten und bedarfsweise am günstigsten Ort realisiert werden. Die Fragmentierung von Produktionsketten erfolgt so, dass die Produktion eines Gegenstands nicht an einer einzigen Produktionsstätte vorgenommen wird, sondern komponentenweise gegliedert auf mehrere Produktionsstätten und spezialisierte Lieferanten verteilt wird. Das führt zu teils hoch komplexen Produktionsnetzwerken. Das ist eigentlich kein neuer Vorgang: Die Spezialisierung einzelner Gewerke wie z.B. des Bäckers in Konditor und Brotbäcker ist ein uraltes Phänomen. Neu ist jedoch: Bisher war es üblich, dass die Spezialisierung entlang von Produktlinien stattfand. Die spezialisierten Gewerke produzierten für sich genommen wiederum komplette und fertige (Zwischen-)Produkte, die möglicherweise wiederum in größeren Produkten verbaut wurden.

Zum Beispiel kann man in einer Bäckerei aus Mehl, Wasser, Salz und Hefe ein Brötchen backen. Man kann aber auch das Brötchen am anderen Ende der Welt unter besonders günstigen Produktionsbedingungen vorfertigen, zum Ort des Verbrauchs transportieren – und dort die Fertigung vollenden. Das Beispiel mag simpel klingen, die Umsetzung ist es jedoch keineswegs. Der Schritt der Trennung von Produktionsketten erfordert ein Höchstmaß an Integrationsvermögen der zugehörigen Haupt- und Hilfsprozesse – eine Herausforderung sowohl für die betrieblichen Transportvorgänge als auch den außerbetrieblichen Transport.


1.1.5 Versorgungsketten-Steuerung (Supply Chain Management) eines Laptops. Kennzeichnend sind komplexe und dynamische Lieferanten- und Kundennetzwerke.

High-Tech-Produkte der Gegenwart wie Computer, Smartphone oder Plasmabildschirm wären ohne dieses „Supply Chain Management“ (Versorgungsketten-Steuerung) zu den bekannten Eigenschaften hinsichtlich Funktion und Preis kaum produzierbar. So können nicht nur Unternehmen ein charakteristisches Mobilitätsprofil entwickeln, sondern auch Produkte und ihre Fertigungsketten entwickeln ihre charakteristische Mobilität.

Die Produktionsnetzwerke und die möglichst durchgehende Optimierung des Stoffflusses im Betrieb vom Wareneingang bis zum Warenausgang entlang des gesamten Fertigungsprozesses lassen die Schnittstellen über die Betriebsgrenze hinaus in den vorlaufenden Anlieferverkehr und teilweise auch in den abgehenden Ausgangsverkehr in den Blickpunkt rücken. Mehr noch: Neue Produktionsmethoden diktieren den Transportstrom vor den Eingangstoren der Produktionsstätte bereits so, dass die erforderliche Lieferung exakt zu der Zeit verfügbar sein soll, zu der die Lieferung im Produktionsprozess gebraucht wird. Dabei wird im Just-in-Time-Verfahren die Anlieferung zeitlich koordiniert, während im Just-in-Sequence-Verfahren die Anlieferung in den Produktionsrhythmus der Produktionsstätte „eingetaktet“ wird.

Die oben beschriebenen Vorgänge von Spezialisierung und Rationalisierung von Produktionsverfahren und Produktionsweisen sind keine neue Erscheinung. Die Wettbewerbsvorteile einer optimierten und flexiblen Produktion führen jedoch zu höchsten Ansprüchen an das gesamte Produktionssystem – einschließlich des Transports und der Logistik – für eine zuverlässige Taktung und das reibungsfreie Zusammenwirken aller Teilsysteme. Durch die zunehmende Integration von Produktion und Transport erwachsen allerdings auch Risiken und Probleme, beispielsweise durch zunehmende Abhängigkeit von energieintensiven Transporten, Benachteiligung oder Schädigung kleiner und lokaler Wirtschaftsstrukturen oder steigende Sicherheitsanforderungen an ein höchst leistungsfähiges und allzeit allerorten verfügbares Gütertransportsystem.

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