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Individueller und kollektiver öffentlicher Personenverkehr

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Öffentliche Verkehrsdienstleistungen waren ursprünglich maßgeschneidert auf den jeweiligen Kunden in seiner jeweils aktuellen Situation. Im Unterschied zum (Motorisierten) Individualverkehr muss der Nutzer keine eigenen Verkehrsmittel beschaffen und betriebsbereit halten. Dafür bezahlt er den Verkehrsdienstleister dafür, dass im Bedarfsfalle individuelle Verkehrsdienstleistungen verfügbar sind. Das Taxigewerbe verkörpert bis heute die stets bereitstehende Dienstbarkeit für die Mobilität der Menschen ebenso wie die Autovermietung. Das Taxi gilt heute gemeinhin (zumindest in Deutschland) als ein relativ teures Verkehrsmittel. Das ist jedoch nicht immer der Fall. Auch wenn jeder Nutzer bei Inanspruchnahme des Taxigewerbes auch die Zeiten mitbezahlt, die ein Taxi in Bereitschaft steht, muss die Nutzung des Taxis nicht unbedingt teuer sein. So gibt es in Deutschlands Großstädten zahlreiche Menschen, die keinen eigenen Pkw besitzen und überwiegend mit dem Fahrrad, zu Fuß oder mit den kollektiven Öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind. Für diese Menschen gehört das Taxi zum Spektrum der möglichen Verkehrsmittel dazu – und dürfte unter dem Strich gemeinsam mit den Ausgaben für Fahrradinstandsetzung oder Straßenbahntickets günstiger sein als die Anschaffung und der Betrieb eines eigenen Automobils.


1.3.9 Carsharing.

In Relation zu den am Personenverkehrsmarkt verfügbaren Optionen des Individualverkehrs auf der einen und der öffentlichen Massenverkehrssysteme auf der anderen Seite stellt der öffentliche Individualverkehr ein oft übersehenes Phänomen dar – und bildet doch ein wichtiges Bindeglied zwischen den beiden komplementären Zweigen des Personenverkehrs. Gleichzeitig zeichnet sich ein Trend ab, dass sich an dieser Stelle das Personenverkehrssystem derzeit im Umbruch befindet: Gerade in der jüngeren Generation mobiler Menschen nimmt die Affinität zum persönlichen Besitz eines eigenen Automobils stark ab. Gleichzeitig sorgen die neuen mobilen und intelligenten Applikationen für Handy oder Smartphone dafür, dass Mobilitätsnetzwerke selbst organisiert werden können – ohne dass jeder ein Auto besitzen muss und ohne dass man gewerblicher oder öffentlicher Unterstützung bedarf. Es ist noch nicht klar, ob dieser Trend sich fort- und festsetzen wird. Jedoch besteht durchaus die Möglichkeit, dass aus dieser Nische eine dritte Säule der Mobilität erwachsen kann.

Für den Augenblick können wir jedoch zwei Dinge festhalten: Wie später im Abschnitt zur Verkehrsgeschichte zu sehen sein wird, ist dieser öffentliche Individualverkehr in Form des Lohnkutschergewerbes eine der Erfindungen, die später zu den modernen Massenverkehrsmitteln geführt haben. Außerdem „funktioniert“ der öffentliche Individualverkehr von Taxi bis Car-Sharing in der Regel nur in urbanen Räumen, also dort, wo viele Menschen und damit viele Verkehrsbedürfnisse räumlich konzentriert sind.

Wenden wir uns nun dem kollektiven Öffentlichen Verkehrssystem zu. Die Idee dahinter ist einfach und genial: Wenn ein Nutzer bereit ist, vorübergehend einige individuelle Bedürfnisse zurückzustellen und sich dem Regelwerk eines kollektiven Verkehrsapparates zu unterwerfen, kann der individuelle Reiseaufwand noch weiter gesenkt werden als das schon durch den öffentlich verfügbaren Individualverkehrsdienstleister wie dem Taxi möglich gewesen wäre. Das bedeutet für den Nutzer, dass somit die individuelle Reichweite oder die Anzahl der möglichen Fahrten mit dem verfügbaren Budget weiter gesteigert werden können. Dahinter steckt die Idee, dass die Beförderung mehrerer Menschen gebündelt werden kann und die Reisenden sich die anfallenden Kosten untereinander aufteilen. Je mehr Reisende mitmachen, desto besser lassen sich die Aufwendungen verteilen.


1.3.10 Verkehrsmittelwahl nach Verkehrszweck.


1.3.11 Verkehrsaufkommen nach Akteuren. Die berufstätige Mutter ist an einem Tag im Vergleich zu anderen Personengruppen am meisten unterwegs.

Weitere Aspekte:

Kapazität und Wachstum: Wenn die Nachfrage wächst, dann muss auch das System wachsen – und dabei es wird teurer. Wenn jedoch insgesamt die Systemkosten weniger stark steigen als die Nachfrage, wird der positive Effekt der Kostendegression für die Nutzer spürbar. Heute sieht es aber manchmal anders aus: Öffentliche Massenverkehrssysteme haben oft eine solche Größe und innere Komplexität erreicht, dass zahlreiche positive Effekte der Kostendegression des Massenverkehrs intern wieder aufgezehrt werden – und diese riesigen Verkehrsmaschinen teilweise sogar mit finanziellen Mitteln durch die Öffentlichkeit am Leben gehalten werden müssen.

Das Geschäftsmodell funktioniert immer nur dann, wenn die zu begleichenden Aufwendungen eines eingekauften Systems oder eingekaufter Dienstleistungen geringer sind als die Eigenaufwendungen des Nutzers. Daher werden gewerbliche Individualverkehrsdienstleister und erst recht kollektive Verkehrssysteme von ihren potentiellen Kunden immer daran gemessen, ob die jeweilige Verkehrsdienstleistung auch anders – im Extremfall aus eigener Kraft – günstiger verfügbar ist.

Insbesondere in entwickelten Industriestaaten, in Ballungsräumen und Metropolen ist der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) eine strukturelle Voraussetzung für das Funktionieren des Gemeinwesens in dicht besiedelten Regionen. Unter diesen Voraussetzungen werden die Systemvorteile des ÖPNV als hoch leistungsfähiges Massenverkehrsmittel voll nutzbar. Mit ihrem Liniennetz bilden diese Verkehrssysteme die Grundlage urbaner Mobilität für einen großen Teil der Bevölkerung. So werden Schulen und Behörden erreichbar, ebenso wie Einkaufszentren und Gewerbegebiete. In diesem Zusammenhang steht der ÖPNV in Systemkonkurrenz zum Motorisierten Individualverkehr, dessen Stärke die Erreichbarkeit der Fläche darstellt. Außerdem kommen im ÖPNV technische Systeme zum Einsatz, die für den jeweiligen Anwendungszweck optimiert wurden:

Die Netzstrukturen des Öffentlichen Personenverkehrs orientieren sich am Einzugsgebiet und Verkehrsaufkommen. Die eingesetzten Verkehrsmittel werden z.B. entsprechend der Kapazität und Reichweite so dimensioniert, dass sie die Fahrgastströme bewältigen können. Verkehrsnetze aus Stationen zum Ein-, Um- und Aussteigen müssen so gelegen sein, dass sie für die Nutzer problemlos erreichbar sind. Entsprechend entstehen typische Netzstrukturen, z.B. im Nahverkehr oder im Fernverkehr: Die Netzknoten können im Falle des Luftverkehrs – also des Personenfernverkehrs – mehrere hundert oder tausend Kilometer weit auseinanderliegen, aber auch im Falle städtischer Verkehrsbetriebe einige wenige Meter. Für die Realisierung von Verkehrsdienstleistungen werden alle geeigneten Verkehrsmedien herangezogen: Es gibt landgebundene Verkehrsnetze ebenso wie Luft- und Wasserstraßensysteme. Im Idealfall sollte das Öffentliche Personenverkehrssystem ein in sich koordiniertes hierarchisches Netz ergeben, in dem die Verkehrsmittel einzelner Teilnetze optimal ineinandergreifen. Im Regelfall der Praxis sind die einzelnen Teilnetze jedoch autonom organisiert. Im Vergleich kann man sogar behaupten, dass an vielen Stellen die Harmonisierung und Standardisierung des Transportprozesses und der zugehörigen Transportnetze im Güterverkehr deutlich weiter fortgeschritten sind als im Personenverkehr. Ein wichtiger Grund für den Erfolg des Automobils mag auch an dieser Stelle zu finden sein, denn der MIV funktioniert weitgehend unabhängig von Schnittstellen, Fahrgastverträgen und unternehmensspezifischen Beförderungsbedingungen.


1.3.12 Private Konsumausgaben 2011. Für Verkehr wurde genauso viel ausgegeben wie für Nahrungs- und Genussmittel.

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