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Transportmittel und Transportabwicklung
ОглавлениеWir haben uns in den vorhergehenden Abschnitten näher mit den Nutzern und „Verursachern“ des Güterverkehrs beschäftigt. Wir kennen nun die Situation in Industrie, Handwerk und Handel. Nun wäre die Frage zu klären, wie der Transportbedarf gedeckt werden kann.
Die Organisation und Realisierung der Eigenversorgung mit benötigten und erforderlichen Gütern obliegt zunächst der Person oder Institution, die auf eine Versorgung (oder Entsorgung) angewiesen ist. Insofern ist jeder Mensch und jedes Unternehmen auch Logistiker in eigener Sache, denn Logistik umfasst genau diese Funktion. Eine Person oder ein Unternehmen kann sich jedoch professionelle Unterstützung durch spezialisierte Dienstleister nehmen. Die kommunalen Energie- und Wasserversorger, die Müllabfuhr und zahlreichen Post- und Expressdienste sind Ausdruck dafür, dass praktisch jeder Mensch wichtige Funktionen der persönlichen Logistik durch Dienstleister erledigen lässt. Auch ein Supermarkt kann als eine Art „Vorratskeller und Speisekammer“ verstanden werden, denn für viele Menschen wäre die verfügbare Wohn- und Hauswirtschaftsfläche überhaupt nicht ausreichend, um den kompletten Saisonbedarf für sich selbst oder sogar für eine ganze Familie an Fleisch, Früchten und anderen Lebensmitteln zu konservieren und einzulagern. Ähnlich sieht die Lage im Kontext von Unternehmen aus.
Naheliegende Optionen wären, dass der Produktionsbetrieb seinen Transportbedarf selbst realisiert oder für die Realisierung einen Transportdienstleister beauftragt. Beide Möglichkeiten werden seit alters her praktiziert: Der Transport von Gütern auf eigene Rechnung und mit eigenen Transportmitteln auf dem Betriebsgelände sowie im öffentlichen Verkehrsraum durch den Produktionsbetrieb wird in der Fachwelt als „Werksverkehr“ bezeichnet. Demgegenüber bezeichnet „Gewerblicher Gütertransport“ die Branche und ihr Produkt, nämlich den Transport von Gütern im Auftrage eines Versenders und auf dessen Rechnung. Zahlreiche Parameter beeinflussen die Entscheidung eines Unternehmers für die eine oder die andere Option. Sie verkörpert außerdem einen wichtigen Selbstregelungsmechanismus: Ist der Preis, den ein Versender am Markt der „Gewerblichen“ für eine Transportdienstleistung zahlen müsste, höher, als wenn der Produktionsbetrieb den Transport im Werksverkehr selbst erbringen würde, so sorgt der Unternehmer selbst für die Erbringung der Dienstleistung. Der Mechanismus hat eine preisanstiegsdämpfende Wirkung. Wenn gesetzlich bestimmte Produktionsbedingungen für die Leistungserbringung in beiden Segmenten ungleich geregelt sind, kann diese Konstellation jedoch auch den Markt verzerren. Beispielsweise könnten Produktionsbetriebe am Markt tendenziell zu hohe Frachtentgelte zahlen und somit in den Werksverkehr „gezwungen“ werden. Das Gütertransportgewerbe könnte aber auch einem ungerechtfertigten Preisdruck ausgesetzt werden, wenn Produktionsbetriebe ihren Fahrern nicht den gleichen Lohn zahlen müssten wie die gewerblichen Transportdienstleister es sollten.
Der Nutzer bzw. Verursacher muss – ob in Eigenleistung oder als Dienstleister – die erforderlichen Ressourcen für den Transport der Güter bereitstellen. In der heutigen Zeit ist praktisch jeder Gütertransport eine Gemeinschaftsleistung aus Versand- und Empfangsunternehmen und dem Gemeinwesen – ggf. ergänzt durch gewerbliche Transportdienstleister. Wenngleich es in Europa eine große Bandbreite mehr oder weniger intensiven staatlichen Engagements im Verkehrswesen gibt, so gibt es doch kein Land, in dem der Staat sich an dieser Stelle komplett aus dem Verkehrswesen heraushält. Aus Sicht des Gütertransports erscheint es sogar sinnvoll, wenn Aufgaben und Funktionen, die im Interesse vieler oder aller Wirtschaftsunternehmen oder auch im Interesse des gesamten Gemeinwesens sind, durch eine gesonderte und übergeordnete Instanz koordiniert werden. So ist es wirtschaftlich durchaus zweckmäßig, dass gemeinsam nutzbare Transportressourcen geteilt genutzt werden. Dazu gehört vor allem die Transportinfrastruktur außerhalb des Betriebsgeländes. Es macht wenig Sinn, wenn sich jeder zwischen Versandort und Empfangsort eine eigene Straße verlegen müsste. Die gemeinsame Nutzung dieser Ressourcen reduziert den Aufwand je Transportvorgang und verteilt ihn auf eine größere Zahl von Nutzern. Dieser Aspekt entgeht im Alltag meistens der Aufmerksamkeit einiger Akteure. Wirtschaftsunternehmen leisten jedoch u.a. aus diesem Grunde Abgaben und Steuern – sollten sie zumindest –, so dass der Staat als Institutionalisierung des Gemeinwesens den nötigen finanziellen Handlungsspielraum erhält, um kollektiv nutzbare Ressourcen für den Gütertransport bereitzustellen.
1.1.6 Funktionsweise eines rechnergestützten Logistikmanagement-Systems.
Es ist fast schon eine weltanschauliche Fragestellung, ob für solche kollektiven Funktionen der Staat tätig werden sollte oder nicht. Gegenwärtig dominiert die Auffassung, dass sich der Staat diesbezüglich besser zurückhalten sollte. Seit Ende des 20. Jahrhunderts werden tatsächlich zahlreiche ehedem staatliche Tätigkeiten und Funktionen des Gütertransports in die Hände privater Dienstleister gelegt. Die Folgen solch tiefgehender Paradigmenwechsel im Verkehrsbereich werden erfahrungsgemäß erst nach einigen Jahrzehnten sichtbar, so dass eine abschließende Beurteilung gegenwärtig vermutlich nicht gegeben werden kann. Fakt ist mit Blick auf die Geschichte des Güterverkehrs der letzten 200 Jahre, dass sowohl ein starker Staat, aber auch die Einbeziehung des Privatsektors ihre Vor- und Nachteile haben.
Gehen wir also noch einmal an den Ausgangspunkt der Überlegungen: Grundsätzlich ist der Transportverursacher auch dafür verantwortlich, die nötigen Ressourcen für „seinen“ Transportvorgang bereitzustellen. Das Interesse am Gütertransport und damit die Notwendigkeit für diese Art der Ressourcenbereitstellung liegen bei den Handels- und Wirtschaftsunternehmen klar auf der Hand, wie oben dargestellt. Wenn wir uns das staatliche Interesse ansehen, wird die Sache schon schwieriger. Die Beurteilung setzt ein eindeutiges Verständnis davon voraus, was „Staat“ eigentlich ist. Der Blick in die Geschichte offenbart, dass Macht- und Herrschaftsausübung bzw. -maximierung wichtige Triebfedern staatlichen Handelns waren. Sie rechtfertigen ein unmittelbares Interesse an einem leistungsfähigen Transportsystem, wobei der Gütertransport insbesondere im Kontext der Versorgung von Städten und im militärischen Truppen- und Versorgungstransport zu sehen ist. Es fällt schwer, trotz aller Friedfertigkeit der Gegenwart, die kriegerische Tradition staatlich motivierten Eigeninteresses im Güterverkehr als „nicht mehr zeitgemäß und gültig“ abzutun. Belassen wir es also zunächst bei der Feststellung, dass auch der Staat einen unmittelbaren Gütertransportbedarf aufzuweisen hat. Damit wäre der Staat in einer vergleichbaren Situation wie die Handels- und Wirtschaftsunternehmen. Auch der Staat wäre damit in der Pflicht, die für den Gütertransport erforderlichen Ressourcen selbst bereitzustellen – was zwar ein staatliches Engagement im Gütertransportsystem rechtfertigt, aber keine dominierende Rolle in Relation zu den anderen relevanten Akteursgruppen.
Eine übliche Arbeitsteilung ist gegenwärtig, dass dem Staat die Aufgabe der Bereitstellung von Transportinfrastruktur sowie die ordnungspolitische Aufsicht auf das Gesamtsystem obliegen. Die Bereitstellung der weiteren Ressourcen wie Energie, Arbeitskräfte und Fahrzeuge für die Realisierung des Transports auf der Infrastruktur obliegt dem Verursacher – indem er den Transport selbst durchführt (Werksverkehr) oder indem ein Transportdienstleister beauftragt wird (Gewerblicher Gütetransport). Versender und Empfänger müssen darüber hinaus den Versand bzw. den Empfang der Güter infrastrukturell absichern. Dabei handelt es sich um die Schnittstelle zwischen der kollektiv genutzten Verkehrsinfrastruktur und dem eigenen Betriebsgelände. Je nach Transportgut und Transportmenge können die Anlagen unterschiedlich aufwändig sein: Von einer kleinen Postannahmestelle beim Pförtner über ein Anschlussgleis bis zu einem eigenen Werkshafen sind viele Lösungen möglich.
1.1.7 Beispiel eines Transportnetzes. Das Autobahn-Netz in Deutschland.
Die Verkehrsanlagen außerhalb des Betriebsgeländes werden nicht nur für die Transporte anderer Unternehmen genutzt. Bei ausgeprägter Bündelungsfunktion hoch leistungsfähiger Infrastruktursysteme werden Personenbeförderung und Gütertransport gemeinsam abgewickelt – so auf Wasserstraßen, den meisten öffentlichen Straßen und Eisenbahnen sowie den Luftstraßen. Leider wird in diesem Zusammenhang häufig übersehen, dass kostenintensive Infrastrukturen wie Eisenbahnstrecken oder Autobahnen primär nicht gebaut und bewirtschaftet werden, damit die Menschen auf ihnen in den Urlaub fahren können. Die extremen Aufwendungen für Investition und Betrieb werden erst – und gerade – durch die Einbeziehung dieser Transportinfrastruktur in die volkswirtschaftliche Wertschöpfung gerechtfertigt. Wenn man also wieder genervt an der schier endlosen Kolonne von Lkws in den Urlaub fährt, sollte man dankbar sein, dass diese Mehrfachnutzung den zusätzlichen privaten Verkehr ermöglicht. Und optimistisch darf man außerdem sein, weil hier ein kleiner Einblick in die Vielfalt und Leistungsfähigkeit der Wirtschaft demonstriert wird.
Die Menge aller Versand- und Empfangsorte in einem gegebenen Territorium wird durch das Transportnetz untereinander verbunden. Es enthält neben den bereits erwähnten Netzschnittstellen auf Seiten der Versender und Empfänger eine Menge von Verkehrswegen und Umschlagplätzen. Die beschleunigte Globalisierung seit den 1990er-Jahren hat ein Transportnetz entstehen lassen, das weite Teile der Erde mit leistungsfähigen Verkehrsverbindungen erschließt. Prinzipiell ist zwar schon seit einigen Jahrzehnten jeder Ort unserer Erde durch Transportmittel erreichbar, jedoch sind hier Orte in einem Netz gemeint, die regelmäßig und mit vergleichsweise günstigen Transportangeboten bedient werden können. Dieses Netz wächst permanent, wobei seine Leistungsfähigkeit und Transportfreundlichkeit ständig zunehmen. Natürlich macht es keinen Sinn, dass das Güterverkehrssystem nur um des Wachstums willen wächst. Vielmehr geht es um die Einbeziehung von Menschen, Produktionsstandorten, Ressourcenquellen und Absatzmärkten in einem global arbeitsteiligen Wirtschaftsraum. Überall dort, wo Menschen der Meinung sind, dass ein Ort oder eine Region in diesen Wirtschaftsraum einbezogen werden soll, entwickeln sie einen Zugang zum Gütertransportnetz mit den verfügbaren Mitteln.
Wichtige Quellen und Senken des Güterverkehrs bilden in der Regel die industrialisierten Regionen, die Regionen der großen Versorgungs- und Absatzmärkte sowie die Standorte der Rohstofferzeuger. Je nach Transportaufkommen einzelner Güter- und Warenströme sind sogar einzelne Stoffströme im Verkehrsnetz identifizierbar.
Für die Realisierung einer Ortsveränderung braucht es im einfachsten Falle jemanden, der das zu transportierende Gut versandfertig macht und auf die Reise schickt. Der Transport selbst muss durchgeführt werden, am Zielort muss das Gut entgegengenommen werden und ggf. in einen gebrauchsfertigen Zustand zurückversetzt werden. Damit sind die Basisfunktionen des Güterverkehrs benannt: die Transportvorbereitung, die Transportdurchführung und die Transportnachbereitung. Sie bilden die Kernelemente eines Transportprozesses, der direkt den Empfänger und den Versender miteinander verbindet. Gerade für weite Distanzen und längere Transportzeiten unter Benutzung verschiedener Transportmittel sind die Funktion der Zwischenspeicherung bzw. Zwischenlagerung sowie die Möglichkeit des Umschlags erforderlich. Die intelligente Verknüpfung von Transport, Umschlag und Lagerung macht komplexe Gütertransportnetze erst möglich und ist daher dauerhafter Gegenstand von Optimierungsbemühungen.
Dabei steht immer das Gesamtsystem im Interesse. Dass eine Kette an ihrem schwächsten Glied zuerst reißt, ist nicht von ungefähr ein alter Spruch aus der Logistik. Um diese umfängliche Vorgehensweise abzusichern, spricht man im Kontext des Gütertransports auch von der Optimierung der Transportkette. Die Transportkette stellt den obigen Hauptprozess aus Transportvorbereitung, Transportrealisierung mit Nebenprozessen wie Umschlag und Lagerung sowie die Transportnachbereitung systematisch dar. Sie hilft den beteiligten Akteuren, ihren Platz im Kontext einer Optimierung zu identifizieren und von dort aus im Interesse des Gesamtprozesses zu agieren.
1.1.8 Transportkette.
Die Transportkette kann durchgehend den Versender und den Empfänger miteinander verbinden. Dann spricht man von der einfachen Transportkette. Für den Fall, dass das Transportgut auf dem Weg dazwischen umgeschlagen werden muss und ggf. mehrere Transportmittel zum Einsatz kommen, z.B. Lkw, Transportschiff, Eisenbahn, spricht man von einer gebrochenen Transportkette.
1.1.9 Schema eines modernen Logistikzentrums.
Bei der Realisierung der Transportkette stehen verschiedene Verkehrszweige zur Verfügung, die durch spezielle Eigenschaften gekennzeichnet sind. Die Kunst besteht darin, durch ihren optimalen Einsatz den entsprechend der Anforderungen von Auftraggeber und Transportobjekt die günstigste Transportlösung zu komponieren. Es stehen systembezogene Verkehrszweige und dienstleistungsbezogene Verkehrszweige zur Verfügung. Dahinter stehen spezialisierte Branchen, die sowohl technische Systeme als auch spezielle Dienstleistungen bereitstellen.
Die systembezogenen Verkehrszweige umfassen den Schiffsverkehr (Binnenschifffahrt, Küstenschifffahrt und Seeschifffahrt), den öffentlichen/gewerblichen Straßengüterverkehr (Güterkraftverkehr), den Eisenbahngüterverkehr, das Luftfrachtverkehrssystem sowie zahlreiche Formen des (überregionalen) Leitungsverkehrs (z.B. Rohrleitungstransport, Übertragung von Energie in Kabeln).
1.1.10 Wasserstraßennetz und Bundeswasserstraßen in Deutschland.
Mit dem Binnenschiffsverkehr steht dem Güterverkehr ein Verkehrszweig zur Verfügung, der durch eine hohe Leistungsfähigkeit im Massenguttransport gekennzeichnet ist. Ein Binnenschiff hat eine Tragfähigkeit, die der Kapazität mehrerer Eisenbahnwaggons und vieler Lastkraftwagen entspricht. Das bedeutet, dass sich die Transportkosten auf eine große Menge Transportgut verteilen. Allerdings erfordert die Nutzung der Binnenschifffahrt den Anschluss an eine Wasserstraße – ob natürliches oder künstliches Gewässer. Die Errichtung eigener Kanalsysteme für den Einzelanschluss ist aufwändig, so dass die Nutzung der Binnenschifffahrt dann besonders günstig ist, wenn Versender und Empfänger ihren Standort an einem schiffbaren Gewässer haben. Die Nutzung von natürlichen Wasserstraßen auf Flüssen oder Seen hat den großen Vorteil, dass die Natur einen Gutteil der Infrastruktur selbst vorhält. Allerdings ist die Kehrseite, dass die Binnenschifffahrt den hemmenden Einflüssen der Natur in Form von Hoch- oder Niedrigwasser oder Eisgang ausgesetzt ist. Maßnahmen der Gewässerregulierung wiederum können recht aufwändig sein und die Vorteile der Binnenschifffahrt aufzehren. Daher ist die Binnenschifffahrt vor allem dort sehr nützlich und leistungsfähig, wo die Wasserstraße unter natürlichen Voraussetzungen bereits gute Bedingungen für die Nutzung als Produktionsmittel des Gütertransports bietet. Recht hohe Aufwände werden dort in Kauf genommen, wo Lücken im Netz geschlossen werden, so z.B. der Mittellandkanal zur Verbindung von Rhein, Weser und dem Elbe-Havel-Oder-Gebiet, die Rhein-Main-Donau-Wasserstraße oder die Kanäle, welche die französischen Flusssysteme untereinander verbinden. Entsprechende Überlegungen der Verbindung von Donau, Oder und Elbe gibt es seit Jahrzehnten, sind aber politisch sehr umstritten. Die Binnenschifffahrt ist unter den klassischen systemorientierten Verkehrszweigen der einzige Verkehrszweig, der als Produktionsmittel fast ausschließlich zum Zwecke des Gütertransports genutzt wird. Im europäischen Kontext entfaltet die Binnenschifffahrt ihre größte Wirkung entlang des Rheins, der Donau und der Elbe, denn europäische Staaten ohne eigenen Seehafen können durch die Binnenschifffahrt am Welthandel teilnehmen und erhalten Anschluss an die globalen Gütertransportströme, die an den Küsten der Nordsee in Europa anlanden.
Für Europa und insbesondere für handelsorientierte Industriestaaten wie Frankreich, UK, Deutschland, Spanien oder Italien spielt die Seeschifffahrt eine herausragende Rolle. Allein der hohe Bedarf an Erdöl wird zu einem beträchtlichen Anteil mit dem Schiff aus den Ölförderregionen der Welt nach Europa transportiert, ebenso Kohle, Erze und andere Rohstoffe. Der Containerverkehr ermöglicht zudem den kostengünstigen Transport hochwertiger Investitions- und Konsumgüter, wobei Europa hier im Austausch mit der Welt steht. Spielzeug aus Ostasien oder Textilien aus Indien werden ebenso wie europäische Maschinen und Anlagen mit Seeschiffen transportiert. Noch deutlicher als in der Binnenschifffahrt wirkt sich aus, dass die Seeschifffahrt die natürlichen Gewässer der Meere und Ozeane nutzen kann – praktisch nur limitiert durch die Abfertigungsanlagen der Häfen sowie die begrenzenden Ausmaße künstlicher Kanalverbindungen, wie Panamakanal oder Suezkanal. Damit ist die Seeschifffahrt das Produktionsmittel für die Bewältigung starker Güterströme auf langen Distanzen – und somit perfekter Begleiter dessen, was wir heute gemeinhin aus Globalisierung bezeichnen. Die enorme Kapazität der Seeschifffahrt ermöglicht die Realisierung gewaltiger globaler Handelsströme, wobei der Anreiz darin besteht, dass die Effizienz des Systems immer weiter steigt, je mehr Güter oder Waren transportiert werden. Die alleinige Fokussierung auf die Ausnutzung der Größenvorteile von Transporteinheiten birgt allerdings auch die Gefahr der Unfähigkeit in sich, günstig schwache Warenströme zu bewältigen. Die enorme Leistungsfähigkeit der Seeschifffahrt rückt bei strategischen Überlegungen die sogenannte Hafenhinterlandverbindung ins Interesse. Die globalen Warenströme beginnen oder enden schließlich nicht im Hafen oder an der Kaikante. In der Regel ist die Seeschifffahrt das Mittelglied einer gebrochenen Transportkette, wobei Zu- und Ablauf mit den binnenländischen Transportsystemen realisiert werden.
1.1.11 Verkehrsströme der Binnenschifffahrt.
1.1.12 Transportgüter der Binnenschiffahrt.
Die enorme Bedeutung der Binnenschifffahrt und der Seeschifffahrt für jeden einzelnen Menschen und jedes einzelne Unternehmen kann nicht deutlich genug hervorgehoben werden, zumal im Landesinneren – abseits der Häfen, Küsten, Flüsse und Kanäle – das Bewusstsein für diese beiden bedeutsamen Produktionsmittel in der Bevölkerung kaum entwickelt ist.
Auch die Eisenbahn ist ein Transportmittel für die Bewegung starker Verkehrsströme auf langen Distanzen. Überall dort, wo Seeschiff und Binnenschiff aufgrund fehlender Gewässer nicht einsetzbar sind, kann die Eisenbahn vergleichbare Leistungen wie die Binnenschifffahrt entwickeln – allerdings mit einem vergleichsweise hohen Aufwand. Die Zugbildungsfähigkeit durch spurgeführte Fahrzeuge ermöglicht es, dass Einheiten mit unterschiedlicher Kapazität gebildet werden können – wobei es auch bei den Bahnen das Bestreben der Ausnutzung von Größenvorteilen gibt. Die Bereitstellung eines betriebsfähigen Produktionssystems aus sicherer Infrastruktur und passenden Fahrzeugen ist jedoch mit einem deutlich höheren Aufwand verbunden als bei der Binnenschifffahrt, weshalb Eisenbahntransporte tendenziell auch nur dann wirtschaftlich abgewickelt werden können, wenn große Gütermengen zu transportieren sind. Ein wichtiger Systemvorteil gegenüber der Binnenschifffahrt besteht bei der Eisenbahn in dem vergleichsweise schnelleren Transport. Typische Einsatzbereiche des Eisenbahngütertransports heutzutage sind:
zunächst als „eiserner Fluss“ die Bewältigung von starken Güterströmen auf langen Distanzen – oft als Fortsetzung von schifffahrtsaffinen Transporten auf dem Lande;
Punkt-Punkt-Verbindung von Standorten mit starken oder mittleren Transportströmen.
Die Eisenbahn ist sowohl einsetzbar für den Transport von Gütern mit geringerer Wertdichte (v.a. im Massentransport auf langen Distanzen), als auch für den Transport von Gütern mit vergleichsweise hoher Wertdichte (fertige und unfertige Erzeugnisse) geeignet – hier allerdings in einem starken Systemwettbewerb mit dem Straßengüterverkehr.
1.1.13 Gütertransport auf ausgewählten Wasserstraßen.
1.1.14 Skizze einer Seehafenanlage.
Fingerkonzept und Containerterminal im Vergleich:
Ein klassischer Seehafen besteht aus zahlreichen Hafenbecken, die sich wie Finger vom Meereszugang abspreizen. Die Flächen zwischen den Hafenbecken bilden die Schnittstelle zwischen Meer und Land: Entlang der Kaikante sind Straßen und Schienen verlegt, um die Güter direkt be- und entladen zu können. Zugleich gibt es ausgedehnte Lagerflächen und Lagerhallen, um Stückgüter vor oder nach einer Seereise einzulagern. Die Schnittstelle zwischen See- und Landseite ist im klassischen Seehafen sehr kleinteilig ausgebildet.
Anders im Containerhafen:
Riesige Schiffe benötigen auf der Wasserstraße viel Liegeplatz. Und auch die Landseite ist daraufhin dimensioniert, in sehr kurzer Zeit riesige Mengen standardisierter Container vom Schiff entgegenzunehmen und sortiert auf das Schiff zu verladen. Entsprechend ist die Schnittstelle durch große Lagerflächen und viele große und einheitliche Umschlageinrichtungen (Krananlagen, Transporter) gekennzeichnet.
1.1.15 Deutsche Handelsschiffflotte.
Bedienungsformen wie Einzelwagenladungsverkehr, regionaler Gütererschließungsverkehr bei schwachem oder mittlerem Frachtaufkommen oder die Anbindung einzelner Standorte sind in den letzten Jahren in Europa eher auf dem Rückzug, teils sogar vollständig eingestellt.
Der Leitungsverkehr ist für die Übertragung von Energie mittels Kabelleitungsverbindungen sowie für den Transport von physikalisch geeigneten Stoffen (Gase, Flüssigkeiten, Granulate und Stoffe unterschiedlicher Viskosität) in Rohrleitungen geeignet. Rohrleitungssysteme werden dort optimal eingesetzt, wo starke homogene und kontinuierliche Stoffflüsse zu bewältigen sind. In diesem Falle ist die Distanz wenig entscheidend: Wenn die obigen Bedingungen vorliegen, können Verbindungen in Form von Produktleitungen für spezielle Chemikalien auf dem Betriebsgelände einer Raffinerie von wenigen hundert Metern zweckmäßig sein, aber auch transkontinentale Verbindungen von hunderten oder tausenden von Kilometern zum Transport von Erdöl oder Erdgas sind möglich. Der Transport von Wärmeenergie durch erhitztes zirkulierendes Wasser oder zirkulierenden Dampf kann ebenfalls als ein hoch spezialisiertes Gütertransportsystem angesehen werden.