Читать книгу Das Mädchen und die Nachtigall - Henri Gourdin - Страница 8

Priester Raynal

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Am nächsten Morgen brauchte ich eine ganze Weile, um wach zu werden, und suchte meine gewohnten Anhaltspunkte: das helle Kontrolllicht über der Barackentür, das Schnarchen der Mädchen, Teresas schlafenden Körper. Stattdessen ein Eisenbett, eine Matratze, nassgeschwitzte Betttücher, das Murmeln eines Flusses … Ich stand auf, tastete mich an das Fenster, stieß den Laden auf, und kühle Nachtluft hüllte mich ein. Doch einen Moment später wurde die Tür hinter mir geöffnet, und ein grelles Licht erhellte plötzlich den Raum.

»Was treibst du?«, fragte die Stimme von Madame Puech. »Kannst du nicht wie alle anderen schlafen?«

Ein wenig später oder vielleicht auch sehr viel später fuhr ich aus dem Tiefschlaf hoch.

»Es ist Zeit!«, sagte dieselbe Stimme mit demselben harten, entschiedenen Ton.

Die Glühbirne an der Decke blendete mich erneut. Ich setzte mich am Rand der Matratze auf und versuchte vergeblich, den Raum, die Wände und Möbel zu identifizieren. Die Schritte auf der Treppe wurden leiser, und ich fand langsam den Faden meiner Geschichte wieder. Ich war bei einem Monsieur und einer Madame Puech in einer Stadtfestung namens Villefranche untergebracht. Mein Blick blieb am Bettgitter, an den Schubladen, der Kommode hängen … Dein Bett! Deine Kommode!, sagte ich mir. Aber nichts, nicht einmal der Komfort eines hübschen Zimmers konnte die Leere füllen, die der Tod meiner Eltern und Angehörigen, die der Tod Teresas in meinem Dasein aufgerissen hatte.

»Nun? Wir warten auf dich! Was treibst du?«, rief die Stimme von der Treppe her.

Es gelang mir aufzustehen, indem ich meinen ganzen Willen aufbrachte. Ich zog das weiße Unterkleid und das hellblaue Kleid an, die über der Stuhllehne hingen. Weihnachten! Es war Weihnachten, erinnerte ich mich plötzlich. Es war Weihnachten und ich würde weder meine Eltern noch meine Schwester noch irgendjemanden sehen, den ich kannte. In diesem Augenblick ertönte durch das Fenster eine Glocke. Eins, zwei, drei … acht Uhr! Es läutete acht Uhr vom Glockenturm meines neuen Dorfes. Wie früher in Tarragona, doch da hörte die Ähnlichkeit schon auf: Ich war nicht zu Hause, und meine Gastgeber bemühten sich stets, mich daran zu erinnern.

»Da bist du ja«, sagte Madame Puech, als sie mich kommen sah.

Sie fegte die Küche auf eine wütende Weise, die ich auf mein spätes Aufstehen bezog. Sicher eine Art, mir zu zeigen, dass es meine Arbeit war und dass sie seit geraumer Zeit auf mich wartete.

»Beeil dich lieber mit dem Essen«, sagte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung, als ich mich anschickte, ihr den Besen abzunehmen. »Weißt du, wie spät es ist?«

Die Stühle standen umgedreht auf dem Tisch, wie in einem Café, das geschlossen war, und verbargen eine weiße Schale, einen Korb mit Brotscheiben und ein Marmeladenglas. Ich nahm die Schale und füllte sie mit Kaffee aus der Eisenkanne, die auf dem Ofen in der Ecke warmgehalten wurde. Marmelade, Kaffee, große, frische Brotscheiben … ich konnte mich gerade noch daran erinnern, dass ich früher in einer kleinen Stadt Kataloniens mit Namen Tarragona nach dem Aufstehen einen Frühstückstisch dieser Art vorgefunden hatte … nur dass natürlich die Stühle auf dem Boden standen. Aber der Kaffee, das frische Brot und die Marmelade führten meine Gedanken zu Teresa zurück und widerten mich plötzlich an.

»Worauf wartest du?«

»Ich habe keinen Hunger«, sagte ich und schob die dampfende Schale weg.

»Keinen Hunger? Was ist los? Du musst essen, Mädchen. Essen, zu Kräften kommen, arbeiten, das ist dein Programm. Was glaubst du? Dass wir dich ernähren, damit du den Tag verträumen kannst?«

»Nein, Madame«, antwortete ich und führte die Schale an meine Lippen.

»Los! Trink das und geh Arlette helfen. Sie wartet schon eine Ewigkeit auf dich, das sag ich dir. An einem Tag wie heute …«

Daraufhin fuhr sie mit dem Fegen fort, und während ich versuchte, eine Scheibe dunkles Brot zu essen, fragte ich mich, ob ich bei dem Tausch von Argelès gegen Villefranche wirklich gewonnen hatte.

»Nun aber los!«, forderte sie mich noch einmal auf, als ich meine Schale in das Spülbecken gestellt hatte.

»Arlette wartet auf dich, hast du das nicht verstanden?«

Die Kunden drängten sich in dem engen Ladenraum, weitere warteten auf dem Bürgersteig, und Arlette führte mechanisch die Aufträge aus, die alle an sie richteten. Sie griff nach einem Brot auf den Regalen, warf es auf die große Schale der Waage und glich diese je nach Bestellung mit den Gewichten auf der kleinen Schale aus oder auf der großen mit Brotecken aus einem Sack. Wenn die Waage im Gleichgewicht war, legte sie die Ware auf den Ladentisch, nahm das Geld entgegen, und der Nächste war dran. Nicht ein Wort, nicht ein Dankeschön. Gerade mal ein »Guten Tag« und ein »Auf Wiedersehen«. Was für ein Unterschied zu dem Lachen, den Kommentaren, dem Austausch von guten und schlechten Neuigkeiten in den Bäckereien von Tarragona! War das eine Besonderheit des französischen Handels? Aber nein! Ich bemerkte es, als ich sie an der Waage ablöste und die Leute auf mein Lächeln reagierten, mich ermutigten, sich nach mir erkundigten. Wie geht’s? Woher kommen Sie? Wie war es dort? Sicher hatten sie mich bei der Mitternachtsmesse gesehen und warteten auf eine Gelegenheit, mich kennenzulernen.

Alles lief gut, und ich arbeitete mich in meiner neuen Tätigkeit ein. Als wir einmal beide den Kunden den Rücken zuwandten, ergriff Arlette die Gelegenheit, mir zuzuflüstern: »Man macht also von sich reden?«

Ihr Katalanisch unterschied sich ein wenig von unserem, doch die Wörter waren sehr nah verwandt, die Wendungen ähnlich, und ich verstand sie.

»Ich von mir reden machen?«

»Tu nicht so dumm, du weißt sehr wohl, wovon ich spreche. Die gewöhnliche Uhrzeit von Mademoiselle de Brévent ist vorbei, und keiner hat sie gesehen. Wenn wir durch dich schon an deinem ersten Tag Kunden verlieren, wirst du etwas erleben, das kann ich dir sagen.«

In diesem Augenblick wurde die Tür der Backstube aufgestoßen und ein Karren von einem mit Mehl bestäubten Gehilfen hereinmanövriert. Er öffnete die Ofentür, und eine Höllenhitze breitete sich im ganzen Geschäft aus. Er begann die Brote mit einer langen Stange herauszuholen, sodass die Kunden gezwungen waren, bis an die Wand und den Ladentisch zurückzuweichen. Für alle war es sehr unangenehm, doch niemand regte sich darüber auf, es gehörte zum Alltag, war ein Vorgang wie viele andere auch. Die Tür wurde geöffnet, der Karren angeschoben, und die Zeremonie begann von Neuem mit ihrer geräuschvollen Begleitung: dem Quietschen der Räder in ihren Achsen, dem Stampfen der Stiefel auf dem Pflaster, dem Klappern des metallenen Schlosses der Seitentür, dem dumpfen Gleiten der Stange auf dem Belag des Ofens. Alle schienen daran gewöhnt zu sein. Ich nicht.

»Was ist mit dir?«, fragte Arlette, da ich mich auf den Ladentisch zu stützen versuchte.

»Nichts«, entgegnete ich und rang nach Luft. »Es geht schon.«

Es ging überhaupt nicht: Ich spürte den Kaffee im Magen, die Wände und die Decke drehten sich um mich wie Bäume und Häuser beim Aussteigen aus einem Karussell.

»Nicht noch einmal wie gestern, ja? Das ist doch unglaublich! Mager, wie du bist, war ja von Anfang an klar, dass es mit dir nichts wird. Lass, ich mach das, geh! Ehe ich dich zwischen den Beinen habe und du nichts tust, mach ich es lieber allein.«

Im Laden war es still geworden.

»Die Kleine wird uns umkippen«, sagte jemand.

»Sie braucht Luft.«

»Diese Hitze, stimmt. Das ist nicht zum Aushalten.«

»Ich halte es gut aus«, erwiderte Arlette und griff nach einem Brot im Regal.

»Komm«, sagte da eine vertraute Stimme inmitten der Verwirrung, die mich überkommen hatte. Agnès nahm mich am Arm und bahnte uns einen Weg zum Ausgang. Die Leute wichen zur Seite, und jemand öffnete uns die Tür.

»Das ist unglaublich!«, sagte Arlette noch einmal für alle, die es hören wollten. »Die ist nur Haut und Knochen, was hat sie in einer Bäckerei zu suchen?«

Draußen war es grau und eher mild für die Jahreszeit, aber zwischen den Fassaden wehte ein leichter Wind die Straße herauf, und ich fühlte mich fast augenblicklich besser. Ich wollte wieder weiterarbeiten, doch Agnès war dagegen und zwang mich stattdessen, einige Schritte die Straße hinaufzugehen, bis zu einem kleinen Platz am Fuße eines hohen, massiven viereckigen Turms, den ich am Vorabend in der Dunkelheit nicht bemerkt hatte.

»Der Bergfried«, sagte sie, als ich den Blick nach oben wandte.

»Was ist das? Ein Haus? Wohnt dort jemand?«

»Vielleicht«, antwortete sie kopfschüttelnd und mit vor Freude glänzenden Augen.

»Das Oberhaupt oder der Verantwortliche des Dorfes? Wie nennt ihr ihn doch gleich?«

Sie schaute mich an, als käme ich von einem anderen Planeten; dann lachte sie so laut auf, dass die Leute, die aus dem gegenüberliegenden Gebäude mit der Aufschrift Café de la Poste kamen, sich nach uns umdrehten.

»Das Oberhaupt des Dorfes, wie du sagst, ist mein Vater. Und ich bin ziemlich froh, nicht dort zu wohnen.«

Sie erklärte mir mit einer Stimme, in der noch die Erheiterung nachklang, dass dieser Bergfried unbewohnbar war. Das Erdgeschoss war komplett mit Mauerwerk ausgefüllt, um die Laufgänge zu stützen und den Stößen der Rammböcke standzuhalten, mit der einzigen Ausnahme eines zentralen Hohlraums, der zunächst als Zisterne gedient und das Regenwasser von einer hoch oben gelegenen Terrasse gesammelt hatte und sehr viel später als Speicher für Eisblöcke genutzt wurde, die auf dem Rücken von Eseln und Maultieren von den Gletschern des Canigou hergebracht worden waren.

»Das älteste Bauwerk von Villefranche«, sagte sie und streichelte mit ihren Augen förmlich die fast fensterlose Wand, die nur von wenigen Bögen durchbrochen war und uns mit ihrer ganzen Masse überragte.

Ich folgte ihrem Blick und fragte mich, ob die Leute um uns herum alle von den Erbauern dieses riesigen Turms abstammten. Die Passanten und die Alten vor dem Café beobachteten uns schweigend. Ein gelblicher Hund lag lang ausgestreckt auf dem Asphalt, hob ein Augenlid, stand langsam auf und streckte sich, ohne uns aus dem Blick zu verlieren.

»Gehen Sie spazieren?«, ertönte eine Stimme direkt hinter uns.

»Ah, Sie sind es!«, sagte Agnès warmherzig, schon bevor sie dem Priester den Kopf zuwandte.

Denn er war es, der Priester von der Messe und aus der Sakristei. Er war es, es war derselbe Priesterrock, dasselbe weiße Lätzchen um den Hals, und gleichzeitig war es nicht derselbe Mann. Sein Gesicht hatte im Licht des Tages einen gütigen Zug, der mir im Dunkel der Kirche am Vorabend entgangen war. Einen gütigen Zug? Ja, und in seinem Blick lag zudem eine Art schmerzliche Intensität, als er Agnès anschaute, die sich gegen seinen Willen zu zeigen schien.

Wie alt mochte er sein? Die grauen Strähnen an den Schläfen wiesen auf die vierzig hin, doch sein leichter Schritt und die fast kindliche Frische seiner Gesichtszüge zeugten von einem ganz jungen Mann, fast einem Seminaristen. Er redete, schaute Agnès und mich an, und manchmal vergaß man den Priesterrock und das Lätzchen, je nachdem, was er sagte.

»Wenn Sie zu den Ursprüngen von Villefranche zurückgehen wollen, sind Sie auf dem richtigen Weg«, sagte er und hob den Blick zu dem Bauwerk hinauf. »Ende des 11. Jahrhunderts und intakt! Na ja … fast intakt.«

»Auf jeden Fall ist er der Turm der ersten Ringmauer«, präzisierte Agnès.

»Wozu dient er?«

»Um die Bewohner aufzunehmen, wenn die äußeren Mauern bezwungen werden. Eine große Zisterne im Erdgeschoss, ein Vorratslager aus Steinen und Pech oben auf der Terrasse, eine Ziehleiter, die eingeholt wird, wenn alle Zuflucht gefunden haben … Wenn die Speisekammern gut gefüllt sind, kann man es Monate darin aushalten.«

Er sprach davon im Präsens, wie von einem Ereignis, das von einem Moment auf den anderen geschehen konnte, und ich fragte mich, ob die Dienstmädchen und Spanier im Falle eines Angriffs zugelassen wären oder ob die Einheimischen ihre Festung sich selbst vorbehalten würden.

»Wir haben nichts gegen Fremde«, fügte er hinzu, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Wissen Sie«, fuhr er leise fort und kam näher zu mir, als wollte er sich vor indiskreten Ohren schützen, »wir sprechen von Fremden, aber es gibt hier nicht einen Bürger in Villefranche, der nicht wenigstens ein bisschen italienisches oder spanisches Blut hat. Sie sind vielleicht die Letzte, die eingetroffen ist, aber Sie werden es nicht lange bleiben, Sie werden sehen. In kurzer Zeit werden Sie zu den Altgedienten im Dorf gehören. Ich muss gehen, der liebe Gott wartet auf mich«, sagte er und zeigte mit dem Finger zum Himmel.

»Ich auch. Arlette wartet auf mich.«

Er drückte jede von uns am Arm und verließ uns.

»Sie können einige Minuten auch ohne dich auskommen«, sagte Agnès. »Félicie kann ruhig hinuntergehen und sich auch mal hinter den Ladentisch stellen.«

»Ich weiß nicht.«

»Nun, ich werde es dir sagen: die Messe um zehn Uhr, Klatsch und Tratsch, Besuche in den gehobenen Familien, damit beschäftigt sie sich, deine gute Chefin, während du dich für ihren Profit abmühst.«

Doch ich wollte nicht weiter über das reden, was Madame Puech an einem Weihnachtsmorgen tat oder nicht. Ich wollte die Arbeit erledigen, die sie mir aufgetragen hatte, und mich ihr gewachsen zeigen.

Für Agnès war das etwas anderes, sie hatte keine Verpflichtungen; sie konnte anscheinend den Tag damit verbringen, im Ort spazieren zu gehen.

Sie zuckte mit den Schultern, als ich sie fragte, was sie so mache, ob sie einen Beruf oder eine Arbeit hätte. Ich insistierte nicht, es war nicht der Moment dafür.

Als sie begriff, dass ich mich nicht überreden lassen würde, seufzte sie, schaute mir in die Augen und ließ mich vor diesem Turm stehen, in dem wir an dem Tag Zuflucht suchen sollten, an dem Franco seine Truppen zum Angriff auf Villefranche schicken würde.

Arlette brummte nach meiner Rückkehr noch einige Minuten vor sich hin, dann entschloss sie sich, mir die Kasse anzuvertrauen, während sie das Brot ausgeben würde, und von da an lief alles bestens. Die Geldstücke waren nicht so schwer und nicht so heiß in den Fingern wie die großen Brotlaibe, die direkt aus dem Ofen kamen, und in Argelès hatte ich Zeit gehabt, mich an den Franc und die Centimes zu gewöhnen. Alles war in Ordnung, bis zur Rückkehr von Madame Puech um elf Uhr. Eine auffallende Rückkehr: Die Tür wurde mit Schwung aufgestoßen, ihre Schritte klapperten auf dem Fliesenboden des Ladens …

»Du, komm hierher«, schleuderte sie mir entgegen und zeigte auf die Treppe. »Ich habe mit dir zu reden.«

»Ich brauche sie hier, Madame«, sagte Arlette, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.

»Félicie«, sagte der geschniegelte Herr, den ich gerade bediente, »ich muss Ihnen ein Kompliment machen. Sie haben da eine Perle aufgetan, wie mir scheint. Ihr Lehrmädchen ist die Liebenswürdigkeit in Person. Und eine außergewöhnliche Musikerin, wie man hört.«

»Danke, Désiré«, antwortete sie schroff. Und an mich gewandt: »Geh hinauf, habe ich dir gesagt.«

Im Laden war es still geworden, nachdem er einige Sekunden zuvor noch von Gesprächen erfüllt gewesen war. Die Wände drehten sich wieder um mich, und ich musste mich am Handlauf festhalten, um nicht auf der Treppe umzufallen.

»So geht das nicht weiter!«, rief Madame Puech aus und schlug die Tür hinter sich zu.

Noch eine Dummheit, und sie würde mich nach Argelès zurückbringen. Argelès! Allein dieses Wort flößte mir Entsetzen ein.

»Was habe ich getan, Madame?«

»Mach nicht so ein Gesicht, du unverschämtes Ding.«

»Aber …«

»Du hast auf dem Instrument der Brévent gespielt.«

»Auf dem Harmonium? Ja, das stimmt, ich habe auf die Bitte des Pfarrers hin Harmonium gespielt. Aber woher wissen Sie das?«

»Woher ich das weiß! In einem Dorf erfährt man alles, du dumme Gans. Vor allem hier, wo die Befestigungsmauer alles wie ein Echo zurückwirft.«

»Ist das schlimm, Madame?«

»Ist das schlimm? Ist das schlimm?«, rief sie aus, schüttelte den Kopf und hob den Blick zur Decke. »Natürlich ist es schlimm, denn auf diese Weise verlieren wir eine Kundin.«

»Was ist hier los?«, fragte Monsieur Puech und stieß die Tür auf. »Man hört euch bis in die Backstube.«

»Es ist so, dass …«, begann seine Frau.

»Es ist so, dass die Leute auf dem Bürgersteig warten und deshalb das Abendessen nicht fertig wird, das ist los. Also an den Herd mit dir, und lass das Mädchen seine Arbeit machen. Worauf wartest du?«, wandte er sich an mich.

Er trat zur Seite, um mich hinuntergehen zu lassen.

»Da siehst du, was du angerichtet hast«, warf er seiner Frau zu, ehe er mir folgte, »mit deiner Idee, eine Republikanerin aufzunehmen. Alles Hitzköpfe, ich habe es dir gesagt.«

Dennoch schien er bei der Mahlzeit, die auf meinen Einstieg in den Beruf – in seinen Beruf – folgte, voller Elan zu sein. Er forderte mich auf, die französischen Wörter, die bei der Unterhaltung fielen, zu wiederholen: Truthahn, Esskastanien, Herd, Teig …, und er übersetzte diejenigen, die ich nicht verstand, ins Katalanische, erklärte sie mithilfe von Gesten, sprach sie ganz deutlich aus und ermutigte mich bei meinen kleinen Fortschritten.

»Was ist mit dir los?«, fragte ihn seine Frau, als ich den Kaffee einschenkte.

»Es ist Weihnachten, und ich habe gute Laune, das ist los.«

»Es ist Weihnachten, aber es ist Krieg, und dein Sohn ist an der Front. Glaubst du vielleicht, dass er im Warmen vor einem Truthahn sitzt?«

»Ja, möglicherweise sitzt er tatsächlich im Warmen vor einem Truthahn«, erwiderte Monsieur Puech spöttisch. »Wissen wir es? Auf jeden Fall werden wir nicht vier Jahre dafür brauchen wie 1914, du wirst sehen. Dieses Mal werden wir die Deutschen über kurz oder lang wegfegen. Und dein Charles«, fügte er lachend hinzu, »wird schneller hier sein, als du glaubst.«

In diesem Moment waren auf der Treppe Schritte zu hören, und eine schwarze Gestalt tauchte im Türrahmen auf. Es war der Priester! Ein unerwarteter Besuch, den verschreckten Mienen meiner Gastgeber nach zu urteilen.

Das Mädchen und die Nachtigall

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