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Der robuste Olli Mustonen hat Tränen in den Augen, als wir uns verabschieden. Er umarmt und tätschelt Tipsa, ehe sie willig in den Wagen springt und sich neben Muffins legt, um uns nach Helsinki zu begleiten.

»Lass uns in Kontakt bleiben«, sagt er mit belegter Stimme.

»Aber klar«, entgegne ich, »und denk an die Unterlagen. Ich werde dafür sorgen, dass Lindström sie sich gleich ansieht.«

Olli verspricht, alles zu schicken, was er über den Fall auftreiben kann. »Und sag ihm, dass er sich ruhig mal wieder hier blicken lassen kann«, fügt er hinzu.

Er winkt uns hinterher, während er im Rückspiegel immer kleiner wird. Es ist sicher nicht einfach, sich von seinem Hund zu trennen. Er muss sich einsam vorkommen.

In unserer engen Wohnung in der Töölögata findet sich Tipsa rasch zurecht. Liegt die meiste Zeit auf Bett oder Sofa, wo sie kaum mehr Platz beansprucht als Muffins. Bella widmet sich ihrer Arbeit, und ich habe jetzt zwei Hunde, mit denen ich spazieren gehen kann. Unsere Ausflüge werden immer länger und immer grüner. Der ›Helsingin Sanomat‹ bringt eine positive Ankündigung meiner Ausstellung. Das ›Hufvudstadsbladet‹ hat noch keine Zeile geschrieben. Noch nicht. Wenn die Ausstellung vorbei ist, sollen die Fotos abgehängt und nach Hause transportiert werden. Das organisiert die Galerie, doch wenn ich noch ein bisschen warte, kann ich sie genauso gut in meinem eigenen Auto mitnehmen.

Die Vernissage verläuft zur allgemeinen Zufriedenheit. Leena Saraste, Niina Tuittu, Matti Kaleva, Ben Kaila, Stefan Bremer und ein paar andere finnische Fotografen sind anwesend, und es dauert nicht lange, da verschwinden wir alle ins Restaurant Kolme Kruunua. Es wird ein feuchter Abend, doch nach dem einstündigen Spaziergang nach Hause bin ich einigermaßen wiederhergestellt. Zumindest so weit, um zu begreifen, dass ich in Helsinki eigentlich nichts mehr zu tun habe. Ich kann mich schließlich nicht ewig nur um die Hunde kümmern; außerdem möchte ich gern wissen, wie es in der Firma läuft.

Noch am selben Tag küsse ich Bella zum Abschied, nehme Muffins mit, dessen Impfausweis ohne Fehl und Tadel ist, und schlage Kurs Richtung Åbo ein. In Salo machen wir eine kleine Pause, ehe wir an Bord der gemütlichen »Seawind« gehen – mein Lieblingsboot, vor allem, wenn ich einen Hund dabeihabe. Die arme Tipsa muss in Helsinki bleiben, bis die Grundimmunisierung gegen Tollwut, Leptospirose und andere Krankheiten gewährleistet ist und die Wiederholungsimpfungen durchgeführt sind. Das dauert mindestens fünf bis sechs Monate. Bella wird also sämtliche Verpflichtungen einer Hundebesitzerin kennen lernen, aber so schlimm ist das auch wieder nicht. Ihre Arbeit mit dem Korrepetitor findet für gewöhnlich zwischen elf und fünfzehn und zwischen neunzehn und zweiundzwanzig Uhr statt. Dazwischen bleibt ihr genug Zeit zum Spazierengehen. Leider haben Hunde an der Oper keinen Zutritt. Später, wenn Bella einmal eine berühmte Operndiva sein wird, wird das natürlich alles anders. Doch Gott sei Dank hat sie in dieser Hinsicht keine Ambitionen.

Am frühen Morgen legt das Boot in Stockholm an. Wir steigen ins Auto und fahren in Richtung Boköping. Ich werde die Gelegenheit nutzen, um Jurek aufzusuchen, meinen Freund und Mitarbeiter, der mit seiner Freundin Louise in meinem Haus wohnt. Eigentlich wohnen sie im Obergeschoss, doch wenn ich nicht da bin, benutzen sie selbstverständlich auch das Untergeschoss. Normalerweise kündige ich mich telefonisch an, aber jetzt bin ich eh schon fast da. Er ist völlig überrascht, als ich plötzlich im Flur stehe und Muffins sich auffordernd in die Küche setzt.

»Hallo, ist da jemand? Ach, Josef ... ich hatte dich glatt für einen Einbrecher gehalten. Obwohl es ja nicht viele gibt, die so groß sind wie du.« Jurek steigt die dunkle Treppe aus dem Obergeschoss hinab.

»Ich bin zufällig hier vorbeigekommen und hatte die Schlüssel in der Tasche. Eigentlich war ich auf dem Weg zu Lindström. Wollte nur mal kurz Hallo sagen und eine Runde mit dem Hund drehen, bevor ich wieder verschwinde.«

»Ist ja schon eine ganze Weile her«, bemerkt Jurek ein wenig spitz.

»Ich war die ganze Zeit in Helsinki. Bei Bella. Sie arbeitet dort.«

»Bella, ach ja, den Namen hast du schon mal erwähnt ...«

Jurek und Louise habe ich also die Hälfte meines Hauses vermietet, weil ich nicht wusste, was ich sonst damit tun sollte. Es ist mit unangenehmen Erinnerungen verbunden und von Nachbarn umgeben, die ich nicht einzuschätzen vermag. So, wie die Dinge liegen, könnten sie gut und gerne auch das ganze Haus mieten. Aber irgendwo muss mein alter Plunder ja schließlich bleiben, der sich im Laufe der Jahre angesammelt hat. Wie lange das noch so gehen soll? Ich weiß es nicht. Vielleicht wollen ja Bella und ich eines Tages ... oder werden wir im Ausland leben?

Viele offene Fragen.

»Komm, lass uns mit dem Hund spazieren gehen. Was machst du eigentlich zu Hause um diese Uhrzeit? Solltest du nicht auf dem Weg zur Arbeit sein? Du bist doch nicht etwa krank?«, frage ich.

»Nein, aber wir haben gestern Überstunden gemacht. Lass uns erst mal eine Tasse Tee trinken und ein paar Brote essen«, entgegnet Jurek, ehe er in die Küche verschwindet.

Eine halbe Stunde später, nachdem wir das Frühstück beendet haben, machen wir einen kleinen Waldspaziergang. Ich erzähle von meinem Leben in Helsinki und frage Jurek, ob ihm ein Maler namens Ajvazovskij bekannt sei, aber er verneint. Kurz darauf verabschiede ich mich von ihm, um mich endgültig auf den Weg zu meinem Freund Lindström zu machen.

In Boköping bekomme ich eine weitere Tasse Tee und noch mehr belegte Brote serviert. Ich spüre, dass ich gezwungen bin, das Mittagessen sausen zu lassen. Wieder erzähle ich vom Einbruch auf Hiitelä, vom Eigentümer des Hofes und von den gestohlenen Bildern.

»Noch was?«, fragt Lindström.

»Nicht dass ich wüsste, aber Olli hat versprochen, alle verfügbaren Unterlagen zu schicken. Er hat sicher gute Kontakte. Soweit ich ihn verstanden habe, herrschte am Tatort ein schier unglaubliches Chaos, was die wenigen Leute bestätigen, die Bäcks Haus einmal von innen gesehen haben. Niemand kann mit Sicherheit sagen, was früher vorhanden war und nun, nach dem Überfall, fehlte. Es gab keine nennenswerten Spuren. Inzwischen ist das Haus gründlich auf Vordermann gebracht worden und soll anscheinend verkauft werden.«

»Und was soll ich Ollis Meinung nach tun? Natürlich kann ich mich ein bisschen umhören. Kann versuchen herauszufinden, was es mit diesem ... zovskij auf sich hat. Ich werd gleich mal unseren Kunstexperten in Stockholm fragen, obwohl ich nicht glaube, dass viel dabei herauskommen wird.«

»Ajvazovskij.«

»Sag ich ja.«

Ich halte ihn nicht davon ab, als er seine Hand nach dem Telefon ausstreckt. Lindström bleibt ewig in der Leitung hängen. Wird hierhin und dorthin verbunden, weil die üblichen Kontaktpersonen nicht erreichbar sind. Die Telefonvermittlung der Polizei scheint professionell und effektiv, aber wenig hilfreich zu sein.

In der Zwischenzeit nehme ich sein Bücherregal unter die Lupe. Schaue mir seine Pflanzen an. Gieße mir eine weitere Tasse Tee ein. Tätschele Muffins, der sich ungeniert auf Lindströms Sofa breit gemacht hat. Erkläre ihm, das sei sehr schlechtes Benehmen. Mir egal, entgegnet er. Betrachte eine Wolke, die von Ost nach West am Fenster vorübertreibt. Lasse mich neben Muffins auf das Sofa sinken und blättere in der Zeitung. Bis endlich ...

»Fehlanzeige! Von irgendwelchen gestohlenen Bildern, die mit diesem Fall in Verbindung stehen könnten, ist nichts bekannt. Dieser russische Maler scheint in Schweden weitgehend unbekannt zu sein. Das meint jedenfalls das Auktionshaus Bukowskis, und die müssten’s dort ja eigentlich wissen.«

»Hm ...«

»Stimmt. Aber wir sollten die Flinte noch nicht ins Korn werfen. Es gibt doch folgende Möglichkeiten:

Erstens: Falls die Gemälde wirklich gestohlen wurden, heißt das noch lange nicht, dass der Dieb auch versucht, sie zu verkaufen. Und warum sollte er das auch ausgerechnet in Schweden versuchen? Zweitens: Wenn der Dieb vom wahren Wert der Bilder keine Ahnung hat, ist es durchaus möglich, dass er sie an den Erstbesten verscherbelt hat. Hast du dich eigentlich mal bei Kunsthändlern in Finnland umgehört? Drittens besteht natürlich ein gewisses Risiko, dass jemand weiß oder zumindest ahnt, was die Gemälde wert sind. Viertens ist das ein Fachgebiet, von dem ich offen gestanden keine Ahnung habe, und fünftens gibt es mindestens noch neununddreißig weitere Möglichkeiten.«

»Danke, jetzt hast du mir wirklich sehr geholfen.«

»Keine Ursache. Der Schmuggel, Verkauf und Besitz von gestohlener Kunst kennt offenbar zahlreiche Spielarten. Soweit ich verstanden habe, ist das ein wachsender Markt.«

»Vielleicht ist der Dieb ja ein wahrer Schöngeist.«

»Wohl kaum, aber der Handel mit Raubkunst nimmt ebenso zu wie der mit Kunstfälschungen. Erst kürzlich wurde in London ein falscher Carl Larsson verkauft, natürlich an einen Schweden, haha ... Kunst ist heute ein Spekulationsobjekt, mit dem sich auch Geld waschen lässt. Du erwirbst ein illegales Kunstwerk, wartest den richtigen Zeitpunkt ab und machst bei passender Gelegenheit einen schönen Reibach. Die Einbrüche bei Privatsammlern häufen sich. Und selbst in den offiziellen Sammlungen befinden sich einige Kuckuckseier, liest man ja ständig in der Zeitung. Signaturen werden gefälscht, und Porzellan wird hergestellt, das angeblich aus der Ming-Dynastie stammt.«

»Willst du damit andeuten, dass es nahezu unmöglich ist, ein gestohlenes Gemälde wiederzufinden?«

»So in etwa. Zumindest, wenn der Raub professionell organisiert wurde. Was den Erwerb von Kunstwerken angeht, gibt es übrigens seit neuestem eine Gesetzesänderung. Wie wirkungsvoll die ist, wird sich zeigen.«

»Und wie sieht die aus?«

»Bevor du ein Kunstwerk kaufst, musst du dir einen überzeugenden Beweis vorlegen lassen, dass es sich nicht um Raubkunst handelt. Tust du das nicht, riskierst du, sowohl das Kunstwerk als auch dein Geld dauerhaft los zu sein, es sei denn, es gelingt dir, den Verkäufer auf Schadenersatz zu verklagen.«

»Was ist, wenn sie irgendwo im Osten gelandet sind, zum Beispiel in Russland? Wer könnte dann überhaupt noch an sie herankommen? «

»Tja, die Wege der Kunstmafia sind unergründlich, und Russland ist ein riesiges Land. Die meisten Sammler scheint es jedoch im Westen zu geben. Du solltest einen Experten fragen. Ein gewöhnlicher Polizist wie ich ist da überfordert«, seufzt Lindström.

»Aber die Bilder könnten doch auch bei irgendjemandem gelandet sein, der sie einfach behalten will, weil sie ihm gefallen. Jemand, der sich gar nicht fragt, was sie eventuell wert sein könnten.«

»Ich sagte ja, möglich ist alles ...«

Ich fahre nach Hause. Lade mein weniges Gepäck bei mir ab und schlendere in Begleitung von Muffins zum Haus meiner Mutter hinüber. Ich setze mich in ihre Bibliothek, in der sich Tausende von alten und neuen Kunstbüchern befinden. Gott sei Dank ist sie nicht zu Hause. Ich wäre jetzt auch nicht zu einer Plauderei aufgelegt. Ich will Fakten, und zwar schnell. Als Erstes greife ich zur Nationalenzyklopädie, finde jedoch keinen Eintrag. Merkwürdig. Gehörte er nicht zu den angesehensten Malern seines Fachs? Vielleicht wird sein Name anders geschrieben. Ich suche unter verschiedenen Varianten: Aivasovsky, Aiwazowski, Ajvazowski. Ohne Erfolg. Auch das Wälzen zahlreicher Kunstbücher bringt mich nicht weiter.

Die einzelnen Bände sind leider nach sehr persönlichen Kriterien angeordnet. Meine Mutter findet natürlich immer alles auf Anhieb. Nach einer Weile stoße ich dann doch auf einen kurzen Text über den Künstler Ivan Ajvazovskij:

Ajvazovskij, Ivan Konstantinovitsh. Bedeutender Marinemaler. Dokumentierte in seinem Werk die Geschichte der russischen Flotte. Seine Motive fand er auf der Krim und im Ausland.

Bei den verschwundenen Gemälden soll es sich ja um Seestücke gehandelt haben, obwohl er sich auch mit biblischen Motiven und dem Leben in der Ukraine auseinander gesetzt hat. Einen zweiten Künstler gleichen Namens scheint es nicht zu geben. Nur diesen einen: Ivan Konstantinovitsh Ajvazovskij, den geschätzten und produktiven Marinemaler.

Ein interessantes Objekt für einen Dieb.

Für einen Dieb, der sein Handwerk versteht.

Gut möglich, dass Dimitri, der russische Gehilfe Bäcks, seine Hände im Spiel hat. Zumal er ja ungefähr zum Zeitpunkt des Diebstahls verschwunden ist. Dennoch weiß ich, wie schwierig es sein wird, ihn ausfindig zu machen. Wie viele Menschen leben heutzutage in Russland? Hundertfünfzig Millionen? Falls er sich denn dorthin abgesetzt hat.

Aber einen Versuch ist es wert. Ich rufe meine ... äh ...meine ehemalige, sehr temporäre russische Freundin an. Sie wohnte damals in einem Vorort von Moskau, und ich habe noch ihre damalige Telefonnummer. Wer weiß ...

»Allo?«

»Hallo, hier ist Josef.«

»Da? Kto vam nada?«

»Hier ist Josef Friedmann. Kann ich bitte mit Ritva sprechen?«

» ? «

»R-I-T-V-A?«

In der Leitung wird es still, doch die Verbindung bleibt bestehen. Ich höre Schritte, gefolgt von einem russischen Wortwechsel, dem ich keine Silbe entnehmen kann. Es klingt wie eine kurze Diskussion. Erneute Schritte. Dann ist sie am Apparat, Ritva. Sie spricht Englisch.

»Ja, hier ist Ritva ...«

»Ich bin’s, Josef. Josef Friedmann aus Schweden.«

»Josef ... das ist aber lange her. Bist du in Moskau?«

»Nein, ich rufe von zu Hause aus an.«

»Kommst du hierher?«

»Nein, äh ... ich denke nicht. Vermutlich nicht. Ich wollte dich fragen, ob du zufällig jemanden kennst, den ich suche. Es geht um jemanden, der illegal nach Schweden eingereist ist und in der Nähe von Helsinki eine Weile auf einem Hof gearbeitet hat. Leider weiß ich nur seinen Vornamen: Dimitri.«

»Nein, sagt mir nichts. Was ist mit ihm?«

»Er hat bei einem alten Arzt auf dem Land gewohnt und sich um Kühe, Pferde, Hühner, Kaninchen und so weiter gekümmert. Ohne Visum, schwarz also. Ist vermutlich schon eine Weile her«, erkläre ich.

»Ein Russe namens Dimitri, der schwarz auf einem Hof bei Helsinki gearbeitet hat ...«

»Ja, ich weiß, die Anhaltspunkte sind lächerlich, aber ich hatte einfach Lust, dich anzurufen ...«

»Wie nett von dir, nach, warte mal ... drei, vier Jahren?«

»Ich war viel unterwegs.«

»Hm ... herzlichen Glückwunsch übrigens.«

»Wozu?«

»Zu deiner neuen Freundin.«

»Danke, äh ... woher weißt du denn das?«

»Sagtest du ›Dimitri‹? Gib mir noch ein paar Details, dann sehe ich, was ich tun kann. Hab’s gerade etwas eilig.«

Ich erzähle ihr alles, was ich weiß, ehe sie sich hastig verabschiedet. Für Smalltalk hat sie jetzt keine Zeit, will mich aber zurückrufen, wenn ich ihr meine Nummer gebe. Das tue ich, obwohl ich mir sicher bin, dass sie sie noch von früher hat.

Ritva konnte sich an mich erinnern und schien nicht einmal sonderlich verärgert zu sein. Hat sie irgendwelche Informationen über mich? Woher wusste sie von Bella? Ach, wahrscheinlich hat sie nur geraten ...

Durch das Fenster sehe ich, wie ein Auto durch das breite Einfahrtstor rollt und vor dem Haus anhält. Ein Taxi. Der Fahrer hilft meiner Mutter aus dem Wagen, ehe er mehrere Tüten für sie hineinträgt. Sie sieht mich am Fenster stehen und winkt. Ich eile nach draußen, um ihr zu helfen.

»Josef, wie schön! Komm, hilf mir, die Sachen ins Haus zu tragen. Dann zeige ich dir, was ich gefunden habe.«

Ich trage die Plastiktüten in die Küche, während sie den Mantel auszieht und ihre Stiefel unter die Garderobe stellt. Sie kommt mit einem kleinen Paket herein und platziert es mit großer Geste auf dem Küchentisch.

»Jetzt pass auf! Simsalabim!« Mit diesen Worten rollt sie das Packpapier auseinander, worauf ein großer, massiver Silberlöffel zum Vorschein kommt. Ich nehme ihn in die Hand. Wieder mal eine von Mamas Entdeckungen. Ich suche nach einer Gravur, finde jedoch keine.

»Das ist ja gerade der Clou! Es gibt keine Gravur, dabei ist er aus Silber. Sehr interessant. Hier in Europa gibt es ja seit dem sechzehnten Jahrhundert quasi kein Silberbesteck ohne Gravur mehr. Im südöstlichen Russland hingegen ...«

»Hast du also mal wieder in Antiquitätenläden gestöbert«, sage ich und verkneife mir höflich die Frage, was der Löffel gekostet hat.

»Nicht nur dort. Die professionellen Antiquitätenhändler wissen in der Regel, was sie verkaufen, und sind ziemlich teuer. Andere kennen sich mit ihrer Ware weniger aus. Den zum Beispiel«, sagt sie, indem sie den klobigen Löffel hin und her schwenkt, »habe ich billiger bekommen, weil ich darauf hingewiesen habe, dass er eben keine Gravur hat.« Sie kichert.

»Wie viel Zeit verbringst du eigentlich in solchen Läden?«, frage ich, ohne eine Antwort zu erhalten.

»Sag mal, habt ihr schon was gegessen?«

Muffins leckt sich die Schnauze.

Ultramarin

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