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Oase der Liebe

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Eine gutherzige Person ist wie eine Oase der Liebe in einer Wüste der sozialen Gleichgültigkeit, wie ein Hauch der Liebenswürdigkeit in einer verrohten Welt. Nur wenige, wenn überhaupt, würden seine oder ihre Taten des Wohlwollens bemerken, weil sie diskret erfolgen. Güte ist für ihn wie eine zweite Natur. Aus guter Gewohnheit, meistens scheinbar mühelos, öffnet er die Türe, wenn andere eintreten möchten. Er hat nichts dagegen hinten zu sitzen. Er hilft einem alten Mann über die Straße. Er reicht anderen während der Mahlzeit Speisen. Er sagt „Danke“ zu einem Taxifahrer. Er spendiert Zeit mit seinem Kind, um ihm etwas beizubringen. Er sendet einem Kollegen einen Geburtstagsgruß. Er gibt einem Handwerker großzügige Empfehlungen. Er bittet um Entschuldigung, auch wenn es nicht notwendig ist. Er zeigt aufmerksames Interesse für einen Freund in Schwierigkeiten. Er zeigt jedem, dem er begegnet, ein Lächeln. Und er zeigt in unzähligen weiteren Zeichen seine Freundlichkeit. Die Vollendung all unserer Werke ist die Liebe.7

Von Natur aus fühlen wir uns angezogen zu Personen mit gutem Willen, weil wir bei ihnen gute Umgangsformen, eine guten Laune, ein freundliches Lächeln, ermutigende Bemerkungen, eine freundlichen Rücksichtnahme, ein gerechtes Urteil, eine Bereitschaft zur Hilfe, positives Denken und eine seltene Offenherzigkeit bemerken. In enger Verbindung mit der Wahrheit ist Liebe ein authentischer Ausdruck der Menschlichkeit und ein Element von grundlegender Bedeutung für menschliche Beziehungen.8

Gebefreudige Menschen haben ein großes Herz, das gleichermaßen Platz hat für die Sympathischen und für die weniger Sympathischen. Sie haben immer nette Worte über andere parat. Menschen des Herzens können diejenigen, die von anderen verachtet werden, mit Sorge und Aufmerksamkeit überhäufen. Wenn ihnen Unrecht getan wurde, werden sie es rasch vergeben und vergessen. Wir fühlen uns wohl in ihrer Gegenwart. Sie sind diejenigen, die zuhören, wenn jeder andere sich bereits entschieden hat, sich taub zu stellen. Sie sind diejenigen, die öffnen, wenn jeder andere die Türe schließen würde. Sie sind diejenigen, die aufrichten, wenn andere nieder drücken.

Genau das hat der barmherzige Samariter getan im Gleichnis, das Jesus uns im Evangelium erzählte. Erinnern wir uns an die Geschichte: ein Reisender von Jerusalem nach Jericho war ausgeraubt, nieder geprügelt und bewusstlos am Weg zurückgelassen worden. Ein Priester kam vorbei und vermied das Opfer. Dann lief ein Levit dort entlang, aber auch er ignorierte den halb-toten Mann. Letztendlich erschien ein Samariter. Dieser Fremde zeigte dann Mitgefühl mit dem Verletzten. Er versorgte ihn, verband seine Wunden, trug ihn, brachte ihn zu einer Herberge und vergewisserte sich davon, dass der Mann dort gut versorgt wird. (Vgl. Lk 10,29-37)

Ich war in beiden Städten. Sie sind nur etwa 30 Kilometer auseinander, aber der Höhenunterschied zwischen ihnen ist bemerkenswert. Jerusalem befindet sich 650 bis 840 Meter über dem Meeresspiegel, während Jericho 260 Meter darunter liegt, weswegen es die niedrigste Stadt des Planeten ist. Die Straße, die beide Orte miteinander verbindet, ist kurvenreich und abwärts gehend. Bildlich gesprochen können wir sagen, dass der Mann, der im Gleichnis dargestellt wird, sich von einem hohen Punkt zu einem niedrigen Punkt bewegte, während eines Abstiegs in sein Unglück. Er wäre vermutlich verblutet, wenn der barmherzige Samariter ihn nicht gefunden hätte. Der Erste, dessen Weg sich mit dem Seinigen kreuzte, griff ihn an. Die beiden Nächsten schauten weg. Erst der Vierte stand ihm bei. Wege, die aufeinander treffen, können, wie wir sehen, ein Grund sein, jemanden zu verletzen, ihn voller Gleichgültigkeit kalt abzuservieren oder ihm zu Hilfe zu eilen. Jesus erzählte uns dieses Gleichnis um uns allen eine Lektion über brüderliche Nächstenliebe zu lehren.

„Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.“ (1 Kor 13,4-7)

Eine Person, die wahrhaft liebt – mit einer ungetrübten und authentischen Liebe – würde jede Gelegenheit wahrnehmen, um mit „der Fahrbahn“ anderer zusammenzutreffen, nicht so sehr, um sich in ihre Angelegenheiten einzumischen, sondern um zu helfen, wo immer es möglich ist. Keine Bürde ist zu schwer, um jemanden aufzurichten, der gefallen ist durch Armut, Krankheit, Verlassenheit, moralische oder spirituelle Schwierigkeiten. Die Person, die von christlicher Liebe verzehrt wird, scheut keine Hindernisse, um etwas Gutes für andere zu tun. Er oder sie hat eine weiten Blickwinkel, einen universellen Ausblick, und eine Sichtweise, die engstirnige Aussichten erweitert. Ein liebender Mitmensch hat ein unglaubliches Vermögen, die Bedürfnisse der anderen zu entdecken und ihnen darin zu Hilfe zu eilen. Auch wenn wir nicht der Klügste oder meist Talentierte in unserem Umkreis sind, besitzen wir die eindeutig wichtigste Sache dieses Lebens, wenn wir wissen, wie zu lieben. Der heilige Augustinus drückte es in meisterhafter Weise so aus: „Liebe und tu, was du willst; wenn du schweigst, schweige in Liebe; wenn du sprichst, sprich in Liebe; wenn du korrigierst, korrigiere in Liebe; wenn du vergibst, vergebe in Liebe.“9

Wenn Sie freundlich sind, geben Sie anderen den Platz, den Sie sich selbst geben würden, denn von Natur aus lieben und achten wir uns selbst. Freundlichkeit fügt allen Dingen eine Liebenswürdigkeit hinzu. „Der verborgene Impuls, aus dem die Freundlichkeit wirkt, ist ein Vermögen, das man zu recht den nobelsten Teil Ihres selbst nennt. Er ist ein unbezweifelbarer Überrest des vollkommen Bildes und Gleichnisses Gottes, wie wir am Anfang ins Dasein gerufen wurden. Er entspringt aus der Seele des Menschen.“10 Freundlich zu sein, einen Akt der Nächstenliebe zu tun ist nichts weniger als die gelebte Nachfolge unseres Herrn Jesus Christus, der uns gebot: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.“ (Lk 10,27)

Also nächstes Mal, wenn Sie ein Verkehrsschild sehen, das Sie auf zusammenkommende Fahrbahnen hinweist, verstehen Sie es als Einladung zur Nächstenliebe, damit sich das Leben von der heiteren Seite zeigen wird. Ubi caritas et amor, Deus ibi est – Wo die Liebe ist, dort ist Gott.11

Vitalzeichen - Wohin geht die Reise Ihres Lebens?

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