Читать книгу AYESHA - SIE KEHRT ZURÜCK - Henry Rider Haggard - Страница 6
Einführung
ОглавлениеDas Unerwartete ist also tatsächlich geschehen! Wenn es einen Menschen auf der Welt gab, von dem der Lektor dieses Buches nie wieder zu hören geglaubt hatte, genauso wenig wie von einer gewissen Geschichte, so war dieser Mensch Ludwig Horace Holly. Und das hatte seinen guten Grund: ich war überzeugt, dass er längst nicht mehr auf dieser Erde weilte.
Als Mr. Holly mir zum letzten Mal geschrieben hatte, vor vielen, vielen Jahren, geschah das im Zusammenhang mit der Übersendung seines Manuskripts von Sie und mit der Ankündigung, dass er und sein Schützling, Leo Vincey, der Geliebte der göttlichen Ayesha, nach Zentralasien aufbrechen würden, in der Hoffnung, vermutete ich, dass sie dort ihr Versprechen einlösen und ihnen wieder erscheinen würde.
Ich habe mich in der Folgezeit oft gefragt, wie es ihnen dort ergangen sein mag; ob sie gestorben waren, oder als Mönche in irgendeinem tibetischen Kloster verkümmerten, oder unter der Anleitung asiatischer Gurus Magie und Askese praktizierten, in der Hoffnung, damit eine Brücke zu schlagen, auf der sie zu der anderen Seite des Ufers gelangen konnten, wo ihre angebetete Unsterbliche lebte.
Doch jetzt, als ich seit Monaten nicht mehr an sie gedacht hatte, kommt völlig unerwartet, ohne jede vorherige Ankündigung, die Antwort auf all diese Fragen.
Wenn man sich überlegt, wenn man sich nur vorzustellen versucht, dass ich, der eingangs erwähnte Lektor, das unansehnliche, in braunes Packpapier eingeschlagene, nicht eingeschriebene Paket mit einem mir unbekannten Absender völlig desinteressiert beiseitegeschoben und für volle zwei Tage unbeachtet liegengelassen hatte, und dass es vielleicht noch immer herumläge, wenn nicht jemand anders es aus reiner Neugier geöffnet und darin ein Manuskript entdeckt hätte, dessen letzte Seiten stark versengt waren, und zwei an mich adressierte Briefe!
Obwohl viele Jahre vergangen waren, seit ich die Handschrift auf dem ersten Umschlag zum letzten Mal gesehen hatte, und sie jetzt durch das Alter des Schreibers zitterig geworden war, erkannte ich sie sofort. Niemand sonst schrieb das H mit einer so weit ausgezogenen Schleife außer Mr. Holly. Ich riss das Kuvert auf, und meine Vermutung bestätigte sich, als mein Blick auf die Unterschrift fiel: L. H. Holly. Seit langem hatte ich nichts mit einem solchen Interesse gelesen wie diesen Brief. Hier ist er:
Sehr geehrter Herr!
Ich habe mich versichert, dass Sie noch am Leben sind, und seltsamerweise trifft das auch auf mich zu - für eine kurze Zeit.
Kurz nachdem ich wieder in die Zivilisation zurückgekehrt war, entdeckte ich ein Exemplar Ihres Buches Sie, das heißt, meines Buches, und las es - in einer hindustanischen Übersetzung. Mein Gastgeber - er war Priester irgendeiner religiösen Vereinigung, ein Mann von großer Integrität, doch mit einer recht prosaischen Seele - fand es überraschend, dass ein derartiger Roman mich so fesselte. Ich antwortete ihm, dass gerade Männer, die ausgiebige Erfahrungen mit den harten Tatsachen des Lebens haben, sich für romantische Literatur interessieren. Ich frage mich noch heute, wie dieser gute Mann reagiert hätte, würde ich ihm erklärt haben, welches die harten Tatsachen waren, auf die ich anspielte.
Beim Lesen des Buches habe ich erkannt, dass sie Ihren Teil unserer Abmachung eingehalten haben. Sie haben jede meiner Anweisungen befolgt, nichts an dem Text ist verändert, nichts ist hinzugefügt oder fortgelassen worden. Deshalb möchte ich Ihnen, dem ich vor zwanzig Jahren den Beginn dieser Geschichte anvertraut habe, auch ihr Ende anvertrauen. Sie waren der erste, der von ihr erfahren hat, von Sie-der-man-gehorchen-muss, die von einem Jahrhundert zum anderen allein in den Grabkammern von Kor saß und darauf wartete, dass ihr verlorener Geliebter wiedergeboren würde. Und das Schicksal hat ihn ihr zurückgegeben.
Es ist deshalb nur gerecht, dass Sie als erster auch von Ayesha erfahren, von Hasea und dem Geist des Berges, der Priesterin des Orakels, die seit der Zeit Alexanders des Großen zwischen den flammenden Säulen des Heiligtums herrschte, die als letzte das Zepter Hes' oder Isis' in ihren Händen hielt. Es ist auch nur gerecht, dass Sie der erste sein sollen, dem ich die mystische Verwirklichung der wunderbaren Tragödie enthülle, die in Kôr begann, oder vielleicht auch schon viel früher, in Ägypten oder an einem anderen Ort.
Ich bin sehr krank. Ich habe mich in mein altes Haus zurückgeschleppt, um hier zu sterben, und mein Ende steht dicht bevor. Ich habe den Arzt gebeten, Ihnen nach meinem Tod den Bericht zu schicken, das heißt, falls ich es mir vorher nicht anders überlege und ihn verbrenne. Außerdem werden Sie, falls ich überhaupt etwas an Sie schicken lasse, auch einen Kasten mit einigen Skizzen erhalten, die Ihnen vielleicht von Nutzen sein könnten, sowie ein Sistrum, das Instrument, das in alter Zeit bei der Verehrung der Göttin der Natur verwandt wurde, von Isis und Hathor, und Sie werden sehen, dass es ebenso schön wie alt ist. Ich möchte es Ihnen aus zwei Gründen geben: als Zeichen meiner Dankbarkeit und Wertschätzung, und als den einzigen mir verbliebenen Wahrheitsbeweis für den Inhalt des beiliegenden Manuskripts, in dem es häufig erwähnt wird. Vielleicht findet es auch Ihre Anerkennung als eine Erinnerung des, nach meiner Auffassung, seltsamsten und schönsten Wesens, das jemals lebte - und noch immer lebt! Es war ihr Zepter, das Zeichen ihrer Macht, mit ihm sah ich sie im Heiligtum die Schatten grüßen - und es war ihr Geschenk an mich.
Es besitzt noch immer magische Kräfte; ein Teil von Ayeshas Macht ist noch immer in diesem Symbol verborgen, vor dem sich selbst Geister verbeugten, doch falls Sie sie entdecken sollten, gehen Sie vorsichtig mit ihnen um!
Ich habe weder die Kraft noch den Willen, mehr zu schreiben. Der Bericht muss für sich selbst sprechen. Machen Sie damit, was Sie wollen, und glauben Sie an seinen Wahrheitsgehalt oder auch nicht, wie es Ihnen beliebt. Mir ist es gleichgültig, ob jemand seine Wahrhaftigkeit erkennt oder nicht.
Wer oder was war Ayesha? Nein, was ist Ayesha? Eine inkarnierte Wesenheit, ein materialisierter Naturgeist, die Unvorhersehbare, die Schöne, die Grausame und die Unsterbliche; beseelt und erlösbar allein durch die Menschheit und ihre armseligen Anbetungsriten? Sagen Sie es! Ich habe mich lange genug in Spekulationen ergangen, mit denen ich dieses Mysterium zu lösen versuchte.
Ich wünsche Ihnen Glück und Zufriedenheit. Leben Sie wohl, Sie und alle anderen!
Hochachtungsvoll
Ihr sehr ergebener L. Horace Holly
Ich legte den Brief zur Seite und - erfüllt von einem Gefühl, dessen Beschreibung oder Analyse unmöglich ist - öffnete den zweiten, dessen Inhalt ich ebenfalls veröffentlichen werde, nachdem ich lediglich gewisse, unwichtige Passagen gestrichen habe sowie den Namen des Verfassers, der mich darum gebeten hat, wie Sie beim Lesen seines Briefes feststellen werden.
Diese Epistel, dessen Absenderadresse einen abgelegenen Ort an der Küste von Cumberland nannte, lautete wie folgt:
Sehr geehrter Herr!
Als der Arzt, der Mr. Holly während seiner letzten Krankheit betreute, bin ich durch ein ihm gegebenes Versprechen verpflichtet, als Vermittler in einer recht seltsamen Angelegenheit zu wirken, von der ich nur sehr wenig verstanden habe, obwohl sie mich sehr interessiert. Trotzdem möchte ich Sie ausdrücklich bitten, dass mein Name in Beziehung zu dieser Sache nicht genannt wird, und auch nicht der Ort, in dem ich praktiziere.
Vor etwa zehn Tagen wurde ich zu einem Hausbesuch bei Mr. Holly gerufen, der in einem alten Haus auf den Uferklippen wohnte, das lange Jahre leer gestanden hatte und nur von einem Haushälterehepaar in Ordnung gehalten wurde. Das Haus, erfuhr ich später, gehörte Mr. Holly und war seit mehreren Generationen im Besitz seiner Familie. Die Haushälterin, die mich rief, berichtete mir, dass Mr. Holly gerade von einer längeren Auslandsreise zurückgekehrt sei - von irgendwo in Asien - und dass er schwer krank darnieder liege - Herzbeschwerden, vermutete sie - und dem Tode nahe; beides Diagnosen, die sich als richtig erwiesen.
Ich fand den Patienten aufrecht im Bett sitzend (um sein Herz zu entlasten), und er war ein seltsam aussehender, alter Mann. Er hatte dunkle Augen, klein, doch voller Feuer und Intelligenz, einen langen, schlohweißen Bart, der seine ungewöhnlich breite Brust bedeckte, und dichtes, ebenfalls schlohweißes Haar. Seine Arme waren außergewöhnlich kräftig, und einer von ihnen schien von einem Tier zerfleischt worden zu sein. Er erklärte mir, dass er von einem Hund angegriffen worden sei, doch wenn dem so war, musste es sich um einen Hund von ungewöhnlicher Größe und Stärke gehandelt haben. Er war ein überaus hässlicher Mann, und doch, entschuldigen Sie den Widerspruch, von großer Schönheit. Ich kann Ihnen nur beschreiben, was ich damit meine, wenn ich Ihnen erkläre, dass sein Gesicht nicht denen normaler Sterblicher glich, denen ich bisher begegnet war. Wenn ich ein Maler wäre, der einen weisen und gutmütigen, doch irgendwie grotesken Geist darstellen wollte, so würde ich dieses Gesicht als Modell nehmen.
Mr. Holly war irritiert über mein Erscheinen (seine Haushälterin hatte mich ohne sein Wissen gerufen), doch nach kurzer Zeit gab er sich mir gegenüber sehr freundlich und war dankbar für die Erleichterung, die ich ihm verschaffen konnte, obwohl das alles war, was ich für ihn zu tun imstande war. Bei meinen späteren Besuchen sprach er ziemlich viel über die Länder, die er bereist hatte, offensichtlich über lange Jahre und auf der Suche nach etwas, das er mir gegenüber nicht genauer erklärte. Zweimal fieberte er und sprach in fremden Sprachen, die ich als Griechisch und Arabisch identifizierte; gelegentlich auch in Englisch, wenn er zu einem Wesen zu sprechen schien, das Gegenstand seiner Verehrung war, ja seiner Anbetung, wie es mir vorkam. Was er in diesen Gesprächen sagte, möchte ich jedoch nicht preisgeben, da ich sie in meiner Eigenschaft als Arzt hörte.
Eines Tages deutete er auf eine kleine Kiste aus einem tropischen Holz (dieselbe, die ich heute als Bahngut an Sie aufgegeben habe) und bat mich, sie sofort nach seinem Tod an Sie zu schicken. Außerdem bat er mich, ein Manuskript einzupacken, das ebenfalls nach seinem Ableben an Sie geschickt werden sollte.
Er sah, dass ich dabei einen Blick auf die letzten Blätter warf, die stark versengt, teilweise verbrannt waren und sagte (ich wiederhole wörtlich):
»Ja, ja, das ist nun nicht mehr zu ändern. Sie müssen es abschicken, so wie es ist. Ich hatte mich entschlossen, das Manuskript zu vernichten, und es war bereits im Feuer, als ich den Befehl erhielt - einen klaren, deutlichen Befehl - und ich es wieder aus den Flammen riss.«
Was Mr. Holly mit diesem Befehl meinte, kann ich nicht sagen, da wir nie wieder von dieser Angelegenheit gesprochen haben.
Ich komme jetzt zum letzten Akt. Eines Abends gegen elf Uhr wollte ich meinen Patienten wieder aufsuchen, da ich wusste, dass sein Ende bevorstand, um sein Herz mit einer Strychnin-Injektion etwas länger schlagen zu lassen. Doch bevor ich das Haus erreichte, kam mir die Haushälterin entgegengelaufen, offensichtlich verstört vor Angst, und ich fragte sie, ob Mr. Holly gestorben sei. Sie schüttelte den Kopf und erklärte, dass er verschwunden sei; er sei aus dem Bett gestiegen und so wie er war, barfuß und im Nachthemd, aus dem Haus gegangen. Er sei zuletzt von ihrem Enkel gesehen worden, zwischen den schottischen Fichten, an derselben Stelle, an der wir jetzt standen. Der Junge war halb hysterisch vor Angst zu ihr gelaufen, da er glaubte, einen Geist gesehen zu haben.
Das Mondlicht war sehr hell in dieser Nacht, besonders, da es von frisch gefallenem Schnee reflektiert wurde. Ich war zu Fuß gekommen und begann sofort mit der Suche zwischen den Fichten, bis ich am Rand der kleinen Schonung die Spuren nackter Füße im Schnee entdeckte. Ich folgte ihnen und befahl der Haushälterin, zurückzugehen und ihren Mann zu wecken, da niemand sonst in der Nähe wohnte. Die Spur war in dem frisch gefallenen Schnee sehr leicht zu verfolgen. Sie führte auf die Kuppe eines Hügels, der sich hinter dem Haus erhob.
Auf diesem Hügel befindet sich ein uraltes Monument aus aufrecht stehenden Monolithen, das von der einheimischen Bevölkerung der Teufelsring genannt wird - eine Art Miniatur-Stonehenge, das von einem vorgeschichtlichen Volk dort errichtet worden ist. Ich hatte es bereits mehrere Male besichtigt und war zufällig auch anwesend, als bei einer Sitzung einer archäologischen Gesellschaft sein Ursprung und Zweck diskutiert wurden. Ich erinnere mich, dass einer der gelehrten Gentlemen eine These über eine Figur verlas (es handelt sich dabei um die primitive, rohe Darstellung eines Oberkörpers und eines mit einem Schleier oder einer Kapuze verhüllten Gesichts), die in einem Cromlech oder Dolmen gemeißelt war, der im Mittelpunkt des Kreises steht.
Er vertrat die Ansicht, dass es sich um eine Darstellung der ägyptischen Göttin Isis handele und dass dieser Ort ihr geweiht worden sei; zumindest aber hätte diese Stätte der Verehrung einer Naturgöttin gleicher Art gedient. Die anderen gelehrten Gentlemen hielten diese Hypothese für schlechtweg absurd. Sie erklärten, dass Isis niemals nach Britannien gekommen sei, obwohl ich nicht einsehen kann, warum die Phönizier, oder sogar die Römer, die ihren Kult mehr oder weniger übernommen haben, ihn nicht hierhergebracht haben sollten. Doch ich verstehe nichts von solchen Dingen und möchte mich deshalb nicht auf eine Diskussion darüber einlassen.
Ich erinnerte mich, dass auch Mr. Holly diese Stätte kannte; erst am vergangenen Tag hatte er sie mir gegenüber erwähnt und mich gefragt, ob die Steine noch immer unbeschädigt seien, wie zu der Zeit, als er hier aufgewachsen war. Dann erklärte er mir, dass er dort, bei diesen alten Steinen, sterben wolle. Als ich ihm sagte, dass er wohl nie mehr die Kraft haben würde, auf diesen Hügel zu steigen, sah ich, dass er verhalten lächelte.
Nun, dieses Gespräch lenkte mich auf den richtigen Weg. Ohne mich länger um die Fußspuren zu kümmern, ging ich, so schnell ich konnte, zu dem Ring aus Steinen hinauf, ein Aufstieg von etwa einer halben Meile. Als ich ihn erreichte, sah ich dort, vor dem Dolmen und nur mit seinem Nachthemd bekleidet, Mr. Holly barfuß im Schnee stehen - der seltsamste Anblick, den ich jemals erlebt habe.
Nie werde ich diese Szene vergessen. Der Ring von rohen, aufrecht stehenden Steinen, deren Spitzen auf den sternübersäten Himmel gerichtet waren, ein Bild einsamer Größe. Der hohe Trilithon in ihrer Mitte überragte sie, sein Schatten wurde von dem hellen Mondlicht auf die blendend weiße Schneedecke geworfen, und außerhalb dieses Schattens, so dass ich jede seiner Bewegungen klar erkennen konnte, und selbst den verzückten Ausdruck auf seinem sterbenden Gesicht, stand die weißgekleidete Gestalt von Mr. Holly. Er schien irgendeine Beschwörungsformel zu intonieren - auf Arabisch, glaube ich - denn lange, bevor ich ihn erreichte, hörte ich seine volle, sonore Stimme, sah ich seine zum Himmel emporgereckten Arme. In seiner rechten Hand hielt er das Zepter, das ich Ihnen auf seinen ausdrücklichen Wunsch zusammen mit seinen Zeichnungen zugesandt habe. Deutlich konnte ich das ringförmige Kopfstück des Zepters erkennen, sah das Glitzern der Edelsteine, die auf seinen Drähten aufgereiht waren, hörte das feine Klingeln der goldenen Glöckchen.
Und dann schien mir plötzlich eine andere Gegenwart bewusst zu werden, und nun verstehen Sie vielleicht meinen Wunsch, dass mein Name in diesem Zusammenhang nicht genannt werden soll, da ich keine Lust habe, in eine abergläubische Geschichte hineingezogen zu werden, die unmöglich und absurd erscheinen muss. Doch halte ich es unter den obwaltenden Umständen für richtig, Ihnen zu berichten, was ich sah - oder zu sehen glaubte: irgendetwas schien sich im Schlagschatten des zentralen Dolmen zu materialisieren oder aus seiner mit der primitiven Götterfigur geschmückten Höhlung zu kriechen - ich weiß nicht, was es war und wie es geschah - etwas Helles, Erhabenes, das allmählich die Gestalt einer Frau annahm, an deren Stirn ein sternenartiges Licht glühte.
Auf jeden Fall erschreckte mich diese Vision, oder Reflektion, oder was immer es gewesen sein mochte, so sehr, dass ich im Schatten eines der Monolithen stehenblieb und nicht einmal fähig war, den Mann, den ich bis hierher verfolgt hatte, anzurufen.
Während ich so im Schatten des Steins stand, wurde mir bewusst, dass auch Mr. Holly etwas gesehen hatte. Jedenfalls wandte er sich der strahlenden Erscheinung im Schatten zu und stieß einen Schrei aus, einen wilden Freudenschrei, und trat auf sie zu. Und dann schien er durch sie hindurch zu Boden zu fallen.
Als ich die Stelle erreichte, waren das Licht und die schattenhafte Gestalt verschwunden, und ich fand nur Mr. Holly, der mit ausgestreckten Armen auf dem Boden lag, das Zepter mit der rechten Hand umklammert.
Er war tot.
Den Rest des Briefes dieses Arztes brauche ich nicht zu zitieren, da er sich mit mehreren sehr unwahrscheinlichen Theorien über den Ursprung dieser Lichtgestalt befasst, mit Einzelheiten über den Abtransport des toten Holly und über sein Gespräch mit dem Coroner, den er davon überzeugen konnte, dass eine gerichtliche Überprüfung der Todesursache nicht nötig sei.
Der Kasten, von dem er sprach, ist inzwischen sicher eingetroffen. Über die darin aufbewahrten Skizzen und Zeichnungen brauche ich nichts zu sagen, und über das Sistrum, oder Zepter nur ein paar Worte. Es war aus Kristall gearbeitet und hatte die bekannte Form des Crux-ansata, dem Lebenssymbol der Ägypter: Stange, Kreuzstange und Ring zu einer Einheit verbunden. Von einer Seite des Rings zur anderen waren Drähte gespannt, auf denen Edelsteine in drei Farben aufgereiht waren: blitzende Diamanten, meerblaue Saphire und blutrote Rubine; an dem vierten Draht, dem obersten, hingen vier kleine, goldene Glocken.
Als ich es zum ersten Mal in die Hand nahm, begann mein Arm vor Erregung zu zittern, und die kleinen Glocken klingelten: ein lieblicher, sanfter Klang wie der eines fernen, nächtlichen Geläuts über der Stille des Meeres. Ich hatte auch das Gefühl - doch das konnte Einbildung gewesen sein -, dass ein Beben von dem heiligen und wunderschönen Ding in meinen Körper drang.
Was das Mysterium selbst betrifft, wie es auf den Seiten des Manuskripts beschrieben wird, so möchte ich mich jeden Kommentars enthalten. Von ihm und seiner tieferen Bedeutung muss sich jeder Leser sein eigenes Urteil bilden. Nur eins ist mir klar - unter der Voraussetzung, dass Mr. Holly die Wahrheit sagte über das, was er und Leo Vincey sahen und erlebten, was ich jedenfalls glaube dass von allen Interpretationen, mit denen Ayesha und andere eine Erklärung dieses Mysteriums zu finden hofften, nicht eine wirklich befriedigend ist.
Genau wie Mr. Holly neige ich zu der Theorie, dass Sie, wenn ich sie noch immer bei diesem Namen nennen darf, der auf diesen Seiten nur sehr selten gebraucht wird, einige von ihnen erfunden hat, wie etwa den vagen Isis-Mythos oder die seltsame bildhafte Geschichte von dem Berg-Feuer, und sie als Schleier benutzte, hinter denen sie die Wahrheit verbarg, die sie einmal enthüllen wollte, in dem Lied, das sie niemals sang.
Der Herausgeber